Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.Sehen wir aber selbst ab von denen, die sich dieses Unterschiedes zwischen Ich nenne Ihnen von den dahin zielenden Maßregeln nur zwei, aus Noch war ich in Kiel nicht warm geworden, so durchlief die Stadt die Sie fragen nach der Ursache eines solchen unerhörten Verfahrens? Nie¬ Sehen wir aber selbst ab von denen, die sich dieses Unterschiedes zwischen Ich nenne Ihnen von den dahin zielenden Maßregeln nur zwei, aus Noch war ich in Kiel nicht warm geworden, so durchlief die Stadt die Sie fragen nach der Ursache eines solchen unerhörten Verfahrens? Nie¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100476"/> <p xml:id="ID_54"> Sehen wir aber selbst ab von denen, die sich dieses Unterschiedes zwischen<lb/> deutscher und dänischer Sittlichkeit .klar bewußi sind, so sorgen die Macht¬<lb/> haber in der seeländischen Königsstadt, so freigebig sie und ihre Werkzeuge<lb/> sonst mit Phrasen von Versöhnung sind, selbst dafür, daß man nicht vergißt,<lb/> was verloren wurde und daß man weiß, waS noch ferner droht. Ungerechnet<lb/> das Grauen, das es erweckt, tagtäglich in den Gassen einer holsteinischen<lb/> Stadt das „Gevaer paa Skulder!" jüdischer Korporale zu hören und deutschen<lb/> Schiffen die rothe Flagge mit dem weißen Kreuze aufgenöthigt zu sehen, un¬<lb/> gerechnet den Schmerz, bei jedem Schritte vor die Thür dänische Soldaten<lb/> mit Waffen zu erblicken, die zur Abwehr des Dänenthums beschafft wurden,<lb/> ungerechnet den betrübenden Anblick, den das Auge des Patrioten hat, wenn<lb/> wie vor vierzehn Tagen, ein Dampfer mit der Danebrogsflagge die Kinder<lb/> Holsteins als Recruten nach Kopenhagen abführt und ein andrer dafür dänische<lb/> Bauern zur Verstärkung der Wächter des aus umgestoßnen Rechten erbauten<lb/> Gesammtstaates landet — ungerechnet einer Unzahl ähnlicher Verletzungen<lb/> des Nationalgefühls und der alten Privilegien, greifen hier die Polypenarme<lb/> dieses Gesammtstaates fortwährend und namentlich in diesem Jahre sehr<lb/> fühlbar auch denen ans Herz, in welchen jenes Gefühl weniger lebhaft ist. .</p><lb/> <p xml:id="ID_55"> Ich nenne Ihnen von den dahin zielenden Maßregeln nur zwei, aus<lb/> denen Sie inne werden mögen, wiewenig man sich nur die Mühe gibt, zu<lb/> verbergen, was man im Sinne hat: das Einschreiten gegen das Appellations-<lb/> gericht und das Verfahren gegen die Universität.</p><lb/> <p xml:id="ID_56"> Noch war ich in Kiel nicht warm geworden, so durchlief die Stadt die<lb/> Kunde von der plötzlichen Entlassung dreier Mitglieder jener obersten Justiz¬<lb/> behörde Holsteins. Der Präsident und zwei Räthe waren in schroffster<lb/> Weise, ohne Angabe eines Grundes, ihres hohen Amtes entsetzt worden und<lb/> die Mittheilung dieses Regierungsbeschlusses war wenigstens gegen die beiden<lb/> letztgenannten in so ungewöhnliche, verletzende Formen gekleidet gewesen, daß<lb/> man alle Veranlassung hatte, darin eine Bestrafung zu erblicken. Man sagte<lb/> ihnen kurz und bündig ungefähr, der König, habe sich auf den Antrag des<lb/> Ministeriums bewogen gefunden, ihr Ausscheiden aus ihrer seitherigen Stellung<lb/> zu verfügen. Das Weitere in Betreff einer Pension werde sich finden. Später<lb/> wurde ihnen statt des bisher bei Verabschiedungen üblichen Fortbezugs deS<lb/> Gehalts zwei Drittel desselben in Gnaden bewilligt.</p><lb/> <p xml:id="ID_57" next="#ID_58"> Sie fragen nach der Ursache eines solchen unerhörten Verfahrens? Nie¬<lb/> mand wußte sie zunächst anzugeben. Der Präsident — er steht im achtund-<lb/> siebzigsten Lebensjahre und ist, wenn auch im entferntesten noch nicht stumpf,<lb/> doch vom Alter berührt — konnte möglicherweise seiner Jahre halber veranlaßt<lb/> werden, um seine Entlassung einzukommen. Die beiden Räthe dagegen sind<lb/> Männer mittlern Alters und durchaus rüstige Naturen. Der eine, Brinkmann,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
Sehen wir aber selbst ab von denen, die sich dieses Unterschiedes zwischen
deutscher und dänischer Sittlichkeit .klar bewußi sind, so sorgen die Macht¬
haber in der seeländischen Königsstadt, so freigebig sie und ihre Werkzeuge
sonst mit Phrasen von Versöhnung sind, selbst dafür, daß man nicht vergißt,
was verloren wurde und daß man weiß, waS noch ferner droht. Ungerechnet
das Grauen, das es erweckt, tagtäglich in den Gassen einer holsteinischen
Stadt das „Gevaer paa Skulder!" jüdischer Korporale zu hören und deutschen
Schiffen die rothe Flagge mit dem weißen Kreuze aufgenöthigt zu sehen, un¬
gerechnet den Schmerz, bei jedem Schritte vor die Thür dänische Soldaten
mit Waffen zu erblicken, die zur Abwehr des Dänenthums beschafft wurden,
ungerechnet den betrübenden Anblick, den das Auge des Patrioten hat, wenn
wie vor vierzehn Tagen, ein Dampfer mit der Danebrogsflagge die Kinder
Holsteins als Recruten nach Kopenhagen abführt und ein andrer dafür dänische
Bauern zur Verstärkung der Wächter des aus umgestoßnen Rechten erbauten
Gesammtstaates landet — ungerechnet einer Unzahl ähnlicher Verletzungen
des Nationalgefühls und der alten Privilegien, greifen hier die Polypenarme
dieses Gesammtstaates fortwährend und namentlich in diesem Jahre sehr
fühlbar auch denen ans Herz, in welchen jenes Gefühl weniger lebhaft ist. .
Ich nenne Ihnen von den dahin zielenden Maßregeln nur zwei, aus
denen Sie inne werden mögen, wiewenig man sich nur die Mühe gibt, zu
verbergen, was man im Sinne hat: das Einschreiten gegen das Appellations-
gericht und das Verfahren gegen die Universität.
Noch war ich in Kiel nicht warm geworden, so durchlief die Stadt die
Kunde von der plötzlichen Entlassung dreier Mitglieder jener obersten Justiz¬
behörde Holsteins. Der Präsident und zwei Räthe waren in schroffster
Weise, ohne Angabe eines Grundes, ihres hohen Amtes entsetzt worden und
die Mittheilung dieses Regierungsbeschlusses war wenigstens gegen die beiden
letztgenannten in so ungewöhnliche, verletzende Formen gekleidet gewesen, daß
man alle Veranlassung hatte, darin eine Bestrafung zu erblicken. Man sagte
ihnen kurz und bündig ungefähr, der König, habe sich auf den Antrag des
Ministeriums bewogen gefunden, ihr Ausscheiden aus ihrer seitherigen Stellung
zu verfügen. Das Weitere in Betreff einer Pension werde sich finden. Später
wurde ihnen statt des bisher bei Verabschiedungen üblichen Fortbezugs deS
Gehalts zwei Drittel desselben in Gnaden bewilligt.
Sie fragen nach der Ursache eines solchen unerhörten Verfahrens? Nie¬
mand wußte sie zunächst anzugeben. Der Präsident — er steht im achtund-
siebzigsten Lebensjahre und ist, wenn auch im entferntesten noch nicht stumpf,
doch vom Alter berührt — konnte möglicherweise seiner Jahre halber veranlaßt
werden, um seine Entlassung einzukommen. Die beiden Räthe dagegen sind
Männer mittlern Alters und durchaus rüstige Naturen. Der eine, Brinkmann,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |