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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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heftet und Mieter danach ihre Ruderschläge und die Richtung und Schnellig¬
keit des Bootes. Kein Wort wurde gesprochen, da die Fischer behaupten, die
Schildkröte habe ein sehr feines Gehör. Auf diese Weise ruderten wir eine halbe
Stunde zwischen den Klippen herum, als auf eiize leichte Bewegung von Harris
Hand die Ruderer dem Boot eine andere Richtung gaben und die Ruder so lang¬
sam und ruhig bewegten, daß sie kaum dqs Wasser kräuselten. Ich musterte die
Meeresfläche, konnte aber nur etwas sehen, was ich für einen über das Wasser her¬
vorragenden Fels hielt. Es war aber doch eine Schildkröte, die regungslos, wie
es diese Thiere lieben, auf dem Meere dahinschwamm. Obgleich wir uns mit der
größten Vorsicht näherten, hörte sie uns oder erblickte das Boot und versank, als
wir noch fünfzig Schritt von ihr entfernt waren. Rasch bewegte sich jetzt Harris
Handtelcgraph und die beiden Schwarzen fingen an mit der größten Schnelligkeit
und Energie zu rudern. Im nächsten Augenblick schoß das Boot über die Stelle,
>po die Schildkröte untergetaucht war und ich erhaschte sie mit einem Blick, wie sie
mit einer Schnelligkeit, welche allen von ihrer Schwerfälligkeit auf dem Lande her¬
genommenen Begriffen von ihrer Behendigkeit Hohn sprach, dahin schwamm. Sie
schien buchstäblich durch das Wasser zu gleiten. Und jetzt begann eine neue und
aufregende Jagd. Harris verwendete kein Ange ron der Schildkröte und die beiden
Schwarzen keins von Harris telcgrapbircnder Hand. Jetzt schössen wir dorthin,
jetzt dahin; jetzt ging es langsam, dann schnell wie ein Pfeil und dann wieder
blieben wir wie festgenagelt aus einem Fleck. Das Wasser war nicht so tief, um
der Schildkröte zu gestatten, sich ganz Harris geübten Augen zu entziehn, obgleich
pur der Meeresgrund wie ein unentwirrbares Labyrinth erschien. Da die Schild¬
kröte wieder auf die Oberfläche kommen muß, um zu gesner, so galt es nur, ihr
nahe genug zu bleiben, um sie mit der Harpune zu durchbohren, sowie sie auf¬
tauchte. Endlich nach einer wol eine halbe Stunde dauernde" Jagd macht? das
Boot plötzlich Halt und die Harpune fuhr hinunter ins Wasser. Da sie nicht
ganz untertauchte, erkannte ich, daß das Ziel nicht verfehlt worden war- Im
nächsten Augenblick zog Harris die Leine ein. Nach ein paar krampfhaften Ver¬
suchen sich loszumachen, gab die Schildkröte nach und ließ sich widerstandslos nach
dem Strande schleppen. Ein paar tüchtige Schläge machten die Harpune frei und
dqs Thier wurde auf den Rücken gelegt um, ein echtes Bild gänzlicher Hilflosig¬
keit, unsre Rückkehr zu erwarten. Ich kann mich nicht von dem Eindruck frei
machen, daß der Kops einer Schildkröte mit seine" halbgeschlossenen Augen eine"
Ausdruck frömmster Resignation trägt, der durch die sanstabwehrcnden Bewegungen
der Vorderflossen, welche ders ausgebreiteten Hände" ni"es wohlgenährte" Pfaffen
gleichen, noch salbungsvoller wird."




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julia" Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von L. F. Hcrbig
in Leipzig.
Druck von C. E. ElKerl in Leipzig.

heftet und Mieter danach ihre Ruderschläge und die Richtung und Schnellig¬
keit des Bootes. Kein Wort wurde gesprochen, da die Fischer behaupten, die
Schildkröte habe ein sehr feines Gehör. Auf diese Weise ruderten wir eine halbe
Stunde zwischen den Klippen herum, als auf eiize leichte Bewegung von Harris
Hand die Ruderer dem Boot eine andere Richtung gaben und die Ruder so lang¬
sam und ruhig bewegten, daß sie kaum dqs Wasser kräuselten. Ich musterte die
Meeresfläche, konnte aber nur etwas sehen, was ich für einen über das Wasser her¬
vorragenden Fels hielt. Es war aber doch eine Schildkröte, die regungslos, wie
es diese Thiere lieben, auf dem Meere dahinschwamm. Obgleich wir uns mit der
größten Vorsicht näherten, hörte sie uns oder erblickte das Boot und versank, als
wir noch fünfzig Schritt von ihr entfernt waren. Rasch bewegte sich jetzt Harris
Handtelcgraph und die beiden Schwarzen fingen an mit der größten Schnelligkeit
und Energie zu rudern. Im nächsten Augenblick schoß das Boot über die Stelle,
>po die Schildkröte untergetaucht war und ich erhaschte sie mit einem Blick, wie sie
mit einer Schnelligkeit, welche allen von ihrer Schwerfälligkeit auf dem Lande her¬
genommenen Begriffen von ihrer Behendigkeit Hohn sprach, dahin schwamm. Sie
schien buchstäblich durch das Wasser zu gleiten. Und jetzt begann eine neue und
aufregende Jagd. Harris verwendete kein Ange ron der Schildkröte und die beiden
Schwarzen keins von Harris telcgrapbircnder Hand. Jetzt schössen wir dorthin,
jetzt dahin; jetzt ging es langsam, dann schnell wie ein Pfeil und dann wieder
blieben wir wie festgenagelt aus einem Fleck. Das Wasser war nicht so tief, um
der Schildkröte zu gestatten, sich ganz Harris geübten Augen zu entziehn, obgleich
pur der Meeresgrund wie ein unentwirrbares Labyrinth erschien. Da die Schild¬
kröte wieder auf die Oberfläche kommen muß, um zu gesner, so galt es nur, ihr
nahe genug zu bleiben, um sie mit der Harpune zu durchbohren, sowie sie auf¬
tauchte. Endlich nach einer wol eine halbe Stunde dauernde» Jagd macht? das
Boot plötzlich Halt und die Harpune fuhr hinunter ins Wasser. Da sie nicht
ganz untertauchte, erkannte ich, daß das Ziel nicht verfehlt worden war- Im
nächsten Augenblick zog Harris die Leine ein. Nach ein paar krampfhaften Ver¬
suchen sich loszumachen, gab die Schildkröte nach und ließ sich widerstandslos nach
dem Strande schleppen. Ein paar tüchtige Schläge machten die Harpune frei und
dqs Thier wurde auf den Rücken gelegt um, ein echtes Bild gänzlicher Hilflosig¬
keit, unsre Rückkehr zu erwarten. Ich kann mich nicht von dem Eindruck frei
machen, daß der Kops einer Schildkröte mit seine» halbgeschlossenen Augen eine»
Ausdruck frömmster Resignation trägt, der durch die sanstabwehrcnden Bewegungen
der Vorderflossen, welche ders ausgebreiteten Hände» ni»es wohlgenährte» Pfaffen
gleichen, noch salbungsvoller wird."




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julia« Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. F. Hcrbig
in Leipzig.
Druck von C. E. ElKerl in Leipzig.
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[0208] heftet und Mieter danach ihre Ruderschläge und die Richtung und Schnellig¬ keit des Bootes. Kein Wort wurde gesprochen, da die Fischer behaupten, die Schildkröte habe ein sehr feines Gehör. Auf diese Weise ruderten wir eine halbe Stunde zwischen den Klippen herum, als auf eiize leichte Bewegung von Harris Hand die Ruderer dem Boot eine andere Richtung gaben und die Ruder so lang¬ sam und ruhig bewegten, daß sie kaum dqs Wasser kräuselten. Ich musterte die Meeresfläche, konnte aber nur etwas sehen, was ich für einen über das Wasser her¬ vorragenden Fels hielt. Es war aber doch eine Schildkröte, die regungslos, wie es diese Thiere lieben, auf dem Meere dahinschwamm. Obgleich wir uns mit der größten Vorsicht näherten, hörte sie uns oder erblickte das Boot und versank, als wir noch fünfzig Schritt von ihr entfernt waren. Rasch bewegte sich jetzt Harris Handtelcgraph und die beiden Schwarzen fingen an mit der größten Schnelligkeit und Energie zu rudern. Im nächsten Augenblick schoß das Boot über die Stelle, >po die Schildkröte untergetaucht war und ich erhaschte sie mit einem Blick, wie sie mit einer Schnelligkeit, welche allen von ihrer Schwerfälligkeit auf dem Lande her¬ genommenen Begriffen von ihrer Behendigkeit Hohn sprach, dahin schwamm. Sie schien buchstäblich durch das Wasser zu gleiten. Und jetzt begann eine neue und aufregende Jagd. Harris verwendete kein Ange ron der Schildkröte und die beiden Schwarzen keins von Harris telcgrapbircnder Hand. Jetzt schössen wir dorthin, jetzt dahin; jetzt ging es langsam, dann schnell wie ein Pfeil und dann wieder blieben wir wie festgenagelt aus einem Fleck. Das Wasser war nicht so tief, um der Schildkröte zu gestatten, sich ganz Harris geübten Augen zu entziehn, obgleich pur der Meeresgrund wie ein unentwirrbares Labyrinth erschien. Da die Schild¬ kröte wieder auf die Oberfläche kommen muß, um zu gesner, so galt es nur, ihr nahe genug zu bleiben, um sie mit der Harpune zu durchbohren, sowie sie auf¬ tauchte. Endlich nach einer wol eine halbe Stunde dauernde» Jagd macht? das Boot plötzlich Halt und die Harpune fuhr hinunter ins Wasser. Da sie nicht ganz untertauchte, erkannte ich, daß das Ziel nicht verfehlt worden war- Im nächsten Augenblick zog Harris die Leine ein. Nach ein paar krampfhaften Ver¬ suchen sich loszumachen, gab die Schildkröte nach und ließ sich widerstandslos nach dem Strande schleppen. Ein paar tüchtige Schläge machten die Harpune frei und dqs Thier wurde auf den Rücken gelegt um, ein echtes Bild gänzlicher Hilflosig¬ keit, unsre Rückkehr zu erwarten. Ich kann mich nicht von dem Eindruck frei machen, daß der Kops einer Schildkröte mit seine» halbgeschlossenen Augen eine» Ausdruck frömmster Resignation trägt, der durch die sanstabwehrcnden Bewegungen der Vorderflossen, welche ders ausgebreiteten Hände» ni»es wohlgenährte» Pfaffen gleichen, noch salbungsvoller wird." Herausgegeben von Gustav Freytag und Julia« Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von L. F. Hcrbig in Leipzig. Druck von C. E. ElKerl in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/208>, abgerufen am 25.08.2024.