Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kürbis seine breitblätterigen Ranken und seine Säulen tragen stattliche Kürbisse
als Prachtcapitäler. Um die Säulen der Vorhalle schlingt sich kanarische
Kresse, während zwischen diesem Gewinde Petunien aller Art in wundervoller
Blütenpracht ein liebliches Geländer bilden, und die Seitenreihen davor eine
reiche Schar blühender Camelien und Cacteen einnimmt. Nund um das Haus auf
weitem Platze triumphirt die Blumengöttin mit allen Reizen ihrer Herr¬
schaft, umgeben von duftigen Laubgängen und Rosenhecken. Dahinter liegen
die Treibhäuser, und beim Vorüberwandeln an ihren Glaswänden erfreut uns
der Hauch südlicher Lust voll balsamischer Düfte. An jener Wand dort rankt
sich die Rede von Cypern stolz und üppig auf, und alle Spaliere strotzen
voll herrlichen Obstes. Zwei Treibhäuser allein erzeugen aber das werthvollste
Gewächs in dieser Anlage, die dickköpfige Ananas, das Kind des heißen
Südens, in einer Fülle von tausend Stück und zuweilen in einer Schwere
von 3^2 Pfund; der Reinertrag von dieser Frucht allein soll die Kosten zur
Unterhaltung dieses Gartens decken.

Der Weg führt uns von hier weiter das Thal entlang. Graudenz,
die unbesiegte Beste mit ihren unermeßlichen Ringmauern, tiefgeschnitlenen
Kastmatten und achtunggebietenden Thürmen gewährt von der Weichselseite
aus einen wahrhaft imposanten Anblick. Friedrich. 1l. legte diese Festung
bekanntlich an, um den durch die Theilung Polens erworbenen Landcsdistrict
gegen etwaige Nestaurationsversuche zu schützen. Die Stadt, welche von der
dominirend auf der Höhe belegenen Festung durch eine geschmackvoll angelegte
Promenade geschieden ist, hat im ersten Augenblick Aehnlichkeit mit einer
großen Vorstadt, die zu einer Residenz führt. Die Residenz fehlt natürlich, aber
daS gesellschaftliche Leben dieser kleinen Stadt ist von einer solchen Lebendig¬
keit und Eleganz, daß es den übrigen kleinern Provinzialstcidten süglich mit
einem gewissen Restdcnzanspruch gegenübertreten kann. Zur Winterzeit ver¬
sammelt sich die dortige gute Gesellschaft in den glänzend ausgestatteten Räumen
der Ressource zu einer Serie von sogenannten Combinationsbällen, zu denen
die reichen Gutsbesitzer der Umgegend, das höhere Beamtenthum und die Offi¬
ziere der Garnison sich vereinigen. Auch besitzt Graudenz ein kleines, aber gut
eingerichtetes Theater, für dessen Benutzung umziehende Schauspielergesell-
schasten redlich Sorge tragen. Sonst ist von der Stadt selbst nur wenig zu
sagen. Das neue Rathhaus ist so unansehnlich, daß es der Inschrift sehr be¬
nöthigt war. Die katholische Kirche ist von imposanter Größe, doch zeigt ihr
Giebel und der Thurm deutlich vielfache Veränderung. Das ehemalige Je-
suitencollegium ist zu einem katholischen Seminar verwandelt worden. Das
frühere Kloster, unten mit vier in Nischen stehenden Aebtissinnen, oben mit vier
siebten geziert, sonst von modernem Aussehen, enthält eine Gewerbeschule; das
ehemalige Gouvernementshaus ist zu einer Realschule umgebaut. Noch aus


kürbis seine breitblätterigen Ranken und seine Säulen tragen stattliche Kürbisse
als Prachtcapitäler. Um die Säulen der Vorhalle schlingt sich kanarische
Kresse, während zwischen diesem Gewinde Petunien aller Art in wundervoller
Blütenpracht ein liebliches Geländer bilden, und die Seitenreihen davor eine
reiche Schar blühender Camelien und Cacteen einnimmt. Nund um das Haus auf
weitem Platze triumphirt die Blumengöttin mit allen Reizen ihrer Herr¬
schaft, umgeben von duftigen Laubgängen und Rosenhecken. Dahinter liegen
die Treibhäuser, und beim Vorüberwandeln an ihren Glaswänden erfreut uns
der Hauch südlicher Lust voll balsamischer Düfte. An jener Wand dort rankt
sich die Rede von Cypern stolz und üppig auf, und alle Spaliere strotzen
voll herrlichen Obstes. Zwei Treibhäuser allein erzeugen aber das werthvollste
Gewächs in dieser Anlage, die dickköpfige Ananas, das Kind des heißen
Südens, in einer Fülle von tausend Stück und zuweilen in einer Schwere
von 3^2 Pfund; der Reinertrag von dieser Frucht allein soll die Kosten zur
Unterhaltung dieses Gartens decken.

Der Weg führt uns von hier weiter das Thal entlang. Graudenz,
die unbesiegte Beste mit ihren unermeßlichen Ringmauern, tiefgeschnitlenen
Kastmatten und achtunggebietenden Thürmen gewährt von der Weichselseite
aus einen wahrhaft imposanten Anblick. Friedrich. 1l. legte diese Festung
bekanntlich an, um den durch die Theilung Polens erworbenen Landcsdistrict
gegen etwaige Nestaurationsversuche zu schützen. Die Stadt, welche von der
dominirend auf der Höhe belegenen Festung durch eine geschmackvoll angelegte
Promenade geschieden ist, hat im ersten Augenblick Aehnlichkeit mit einer
großen Vorstadt, die zu einer Residenz führt. Die Residenz fehlt natürlich, aber
daS gesellschaftliche Leben dieser kleinen Stadt ist von einer solchen Lebendig¬
keit und Eleganz, daß es den übrigen kleinern Provinzialstcidten süglich mit
einem gewissen Restdcnzanspruch gegenübertreten kann. Zur Winterzeit ver¬
sammelt sich die dortige gute Gesellschaft in den glänzend ausgestatteten Räumen
der Ressource zu einer Serie von sogenannten Combinationsbällen, zu denen
die reichen Gutsbesitzer der Umgegend, das höhere Beamtenthum und die Offi¬
ziere der Garnison sich vereinigen. Auch besitzt Graudenz ein kleines, aber gut
eingerichtetes Theater, für dessen Benutzung umziehende Schauspielergesell-
schasten redlich Sorge tragen. Sonst ist von der Stadt selbst nur wenig zu
sagen. Das neue Rathhaus ist so unansehnlich, daß es der Inschrift sehr be¬
nöthigt war. Die katholische Kirche ist von imposanter Größe, doch zeigt ihr
Giebel und der Thurm deutlich vielfache Veränderung. Das ehemalige Je-
suitencollegium ist zu einem katholischen Seminar verwandelt worden. Das
frühere Kloster, unten mit vier in Nischen stehenden Aebtissinnen, oben mit vier
siebten geziert, sonst von modernem Aussehen, enthält eine Gewerbeschule; das
ehemalige Gouvernementshaus ist zu einer Realschule umgebaut. Noch aus


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100644"/>
          <p xml:id="ID_538" prev="#ID_537"> kürbis seine breitblätterigen Ranken und seine Säulen tragen stattliche Kürbisse<lb/>
als Prachtcapitäler. Um die Säulen der Vorhalle schlingt sich kanarische<lb/>
Kresse, während zwischen diesem Gewinde Petunien aller Art in wundervoller<lb/>
Blütenpracht ein liebliches Geländer bilden, und die Seitenreihen davor eine<lb/>
reiche Schar blühender Camelien und Cacteen einnimmt. Nund um das Haus auf<lb/>
weitem Platze triumphirt die Blumengöttin mit allen Reizen ihrer Herr¬<lb/>
schaft, umgeben von duftigen Laubgängen und Rosenhecken. Dahinter liegen<lb/>
die Treibhäuser, und beim Vorüberwandeln an ihren Glaswänden erfreut uns<lb/>
der Hauch südlicher Lust voll balsamischer Düfte. An jener Wand dort rankt<lb/>
sich die Rede von Cypern stolz und üppig auf, und alle Spaliere strotzen<lb/>
voll herrlichen Obstes. Zwei Treibhäuser allein erzeugen aber das werthvollste<lb/>
Gewächs in dieser Anlage, die dickköpfige Ananas, das Kind des heißen<lb/>
Südens, in einer Fülle von tausend Stück und zuweilen in einer Schwere<lb/>
von 3^2 Pfund; der Reinertrag von dieser Frucht allein soll die Kosten zur<lb/>
Unterhaltung dieses Gartens decken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_539" next="#ID_540"> Der Weg führt uns von hier weiter das Thal entlang. Graudenz,<lb/>
die unbesiegte Beste mit ihren unermeßlichen Ringmauern, tiefgeschnitlenen<lb/>
Kastmatten und achtunggebietenden Thürmen gewährt von der Weichselseite<lb/>
aus einen wahrhaft imposanten Anblick. Friedrich. 1l. legte diese Festung<lb/>
bekanntlich an, um den durch die Theilung Polens erworbenen Landcsdistrict<lb/>
gegen etwaige Nestaurationsversuche zu schützen. Die Stadt, welche von der<lb/>
dominirend auf der Höhe belegenen Festung durch eine geschmackvoll angelegte<lb/>
Promenade geschieden ist, hat im ersten Augenblick Aehnlichkeit mit einer<lb/>
großen Vorstadt, die zu einer Residenz führt. Die Residenz fehlt natürlich, aber<lb/>
daS gesellschaftliche Leben dieser kleinen Stadt ist von einer solchen Lebendig¬<lb/>
keit und Eleganz, daß es den übrigen kleinern Provinzialstcidten süglich mit<lb/>
einem gewissen Restdcnzanspruch gegenübertreten kann. Zur Winterzeit ver¬<lb/>
sammelt sich die dortige gute Gesellschaft in den glänzend ausgestatteten Räumen<lb/>
der Ressource zu einer Serie von sogenannten Combinationsbällen, zu denen<lb/>
die reichen Gutsbesitzer der Umgegend, das höhere Beamtenthum und die Offi¬<lb/>
ziere der Garnison sich vereinigen. Auch besitzt Graudenz ein kleines, aber gut<lb/>
eingerichtetes Theater, für dessen Benutzung umziehende Schauspielergesell-<lb/>
schasten redlich Sorge tragen. Sonst ist von der Stadt selbst nur wenig zu<lb/>
sagen. Das neue Rathhaus ist so unansehnlich, daß es der Inschrift sehr be¬<lb/>
nöthigt war. Die katholische Kirche ist von imposanter Größe, doch zeigt ihr<lb/>
Giebel und der Thurm deutlich vielfache Veränderung. Das ehemalige Je-<lb/>
suitencollegium ist zu einem katholischen Seminar verwandelt worden. Das<lb/>
frühere Kloster, unten mit vier in Nischen stehenden Aebtissinnen, oben mit vier<lb/>
siebten geziert, sonst von modernem Aussehen, enthält eine Gewerbeschule; das<lb/>
ehemalige Gouvernementshaus ist zu einer Realschule umgebaut.  Noch aus</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] kürbis seine breitblätterigen Ranken und seine Säulen tragen stattliche Kürbisse als Prachtcapitäler. Um die Säulen der Vorhalle schlingt sich kanarische Kresse, während zwischen diesem Gewinde Petunien aller Art in wundervoller Blütenpracht ein liebliches Geländer bilden, und die Seitenreihen davor eine reiche Schar blühender Camelien und Cacteen einnimmt. Nund um das Haus auf weitem Platze triumphirt die Blumengöttin mit allen Reizen ihrer Herr¬ schaft, umgeben von duftigen Laubgängen und Rosenhecken. Dahinter liegen die Treibhäuser, und beim Vorüberwandeln an ihren Glaswänden erfreut uns der Hauch südlicher Lust voll balsamischer Düfte. An jener Wand dort rankt sich die Rede von Cypern stolz und üppig auf, und alle Spaliere strotzen voll herrlichen Obstes. Zwei Treibhäuser allein erzeugen aber das werthvollste Gewächs in dieser Anlage, die dickköpfige Ananas, das Kind des heißen Südens, in einer Fülle von tausend Stück und zuweilen in einer Schwere von 3^2 Pfund; der Reinertrag von dieser Frucht allein soll die Kosten zur Unterhaltung dieses Gartens decken. Der Weg führt uns von hier weiter das Thal entlang. Graudenz, die unbesiegte Beste mit ihren unermeßlichen Ringmauern, tiefgeschnitlenen Kastmatten und achtunggebietenden Thürmen gewährt von der Weichselseite aus einen wahrhaft imposanten Anblick. Friedrich. 1l. legte diese Festung bekanntlich an, um den durch die Theilung Polens erworbenen Landcsdistrict gegen etwaige Nestaurationsversuche zu schützen. Die Stadt, welche von der dominirend auf der Höhe belegenen Festung durch eine geschmackvoll angelegte Promenade geschieden ist, hat im ersten Augenblick Aehnlichkeit mit einer großen Vorstadt, die zu einer Residenz führt. Die Residenz fehlt natürlich, aber daS gesellschaftliche Leben dieser kleinen Stadt ist von einer solchen Lebendig¬ keit und Eleganz, daß es den übrigen kleinern Provinzialstcidten süglich mit einem gewissen Restdcnzanspruch gegenübertreten kann. Zur Winterzeit ver¬ sammelt sich die dortige gute Gesellschaft in den glänzend ausgestatteten Räumen der Ressource zu einer Serie von sogenannten Combinationsbällen, zu denen die reichen Gutsbesitzer der Umgegend, das höhere Beamtenthum und die Offi¬ ziere der Garnison sich vereinigen. Auch besitzt Graudenz ein kleines, aber gut eingerichtetes Theater, für dessen Benutzung umziehende Schauspielergesell- schasten redlich Sorge tragen. Sonst ist von der Stadt selbst nur wenig zu sagen. Das neue Rathhaus ist so unansehnlich, daß es der Inschrift sehr be¬ nöthigt war. Die katholische Kirche ist von imposanter Größe, doch zeigt ihr Giebel und der Thurm deutlich vielfache Veränderung. Das ehemalige Je- suitencollegium ist zu einem katholischen Seminar verwandelt worden. Das frühere Kloster, unten mit vier in Nischen stehenden Aebtissinnen, oben mit vier siebten geziert, sonst von modernem Aussehen, enthält eine Gewerbeschule; das ehemalige Gouvernementshaus ist zu einer Realschule umgebaut. Noch aus

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/190>, abgerufen am 25.08.2024.