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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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erzähle, wie in meinem Beisein eine andere Schildwache, die ein vorüber¬
gehender Bekannter von der Compagnie -- quel livreenr! -- mit einem Pack
zusammengeballter Blätter ins Gesicht geworfen, sich bückte und den Wurf mit
einer Hand voll Sand rächte?

Ich weiß, daß solche Allotria noch nicht zu dem Schlüsse berechtigen, die
Dänen seien im Felde keine brauchbaren Soldaten, Denen aber, welche das
knappe, straffe Wesen der Schleswig-holsteinischen Armee noch im Gedächtniß
haben, wird eine solche nachlässige Haltung und eine solche ungehobelte Manier
immer Lust zu Spott und Lachen erregen. Mit der altvnaer Garnison freilich
verglichen, ist -- wenn meine Augen hier nicht schon zu sehr an solche Lieder¬
lichkeit gewohnt waren -- das achte Bataillon zu loben, und ich möchte nicht
glauben, daß in Kiel selbst bei einem weniger tüchtigen Obercommando Ge¬
schichten möglich wären, wie folgende, die mir von einem Manne, welcher der
Sache nahe gestanden, als vollkommen wahr mitgetheilt wurde. Hören Sie
und staunen Sie.

Ein Herr aus dem Hannöverschen, der bei Altona einen Grundbesitz hat,
fuhr eines schönen Morgens hinter einem Detaschemcnt dänischer Infanterie
durch eine Straße, welche zwar nicht zu den breitesten gehörte, indeß immer¬
hin Raum bot, neben den Soldaten vorbeikommen zu können. So oft jedoch
der Kutscher dies versuchte, marschirten jene soweit auseinander, daß er das
Vorüberfahren aufgeben mußte. Ein Omnibus erschien von der andern Seite,
und jetzt bewies das Detaschement, daß es ohne irgendwelche Schwierigkeit
ausweichen konnte. Da hieß der Herr seinen Kutscher Ernst brauchen und
frisch dranfzufahren. Kaum machte dieser aber Miene dazu, so kehrten die
Dänen sich um, fällten das Bajonett und steckten zugleich -- eine wunderbar
schöne Attitüde für Kriegsleute! -- die Zunge heraus. Ob es hierfür im
dänischen Heere ein bestimmtes Commando gibt, und ob dieses Commando
ergangen war, vermochte der Berichterstatter nicht anzugeben. Der Herr im
Wagen scheint es ebenfalls nicht gewußt zu haben. Wenigstens erkundigte er
sich bei dem Sergeanten, der die Bajonette und Zungen befehligte, nach der
Wohnung des Commandanten und begab sich, indem man ihn nunmehr durch¬
ließ, direct dorthin, um Beschwerde zu führen. Der Commandant du Piat,
jener berüchtigte Urheber des Grußedicts in Angeln, der gegenwärtig aber
als billig denkend gelobt wird, sagte Genugthuung zu. Wer beschreibt nun
das Erstaunen des Betreffenden, als er am folgenden Tage vor den Polizeimeister
Schrader geladen und ihm von diesem angekündigt wird, er habe wegen un¬
gebührlichen Betragens gegen Sr. Majestät Soldaten fünf Bankthaler Brüche
zu erlegen und sein Knecht habe fünf Tage Gefängniß bei Wasser und Brot
verwirkt. Die sofort eingelegte Appellation gegen dieses Erkenntniß einer an
Wahnwitz grenzenden Tyrannei hatte den Erfolg, daß das Urtheil, nachdem


erzähle, wie in meinem Beisein eine andere Schildwache, die ein vorüber¬
gehender Bekannter von der Compagnie — quel livreenr! — mit einem Pack
zusammengeballter Blätter ins Gesicht geworfen, sich bückte und den Wurf mit
einer Hand voll Sand rächte?

Ich weiß, daß solche Allotria noch nicht zu dem Schlüsse berechtigen, die
Dänen seien im Felde keine brauchbaren Soldaten, Denen aber, welche das
knappe, straffe Wesen der Schleswig-holsteinischen Armee noch im Gedächtniß
haben, wird eine solche nachlässige Haltung und eine solche ungehobelte Manier
immer Lust zu Spott und Lachen erregen. Mit der altvnaer Garnison freilich
verglichen, ist — wenn meine Augen hier nicht schon zu sehr an solche Lieder¬
lichkeit gewohnt waren — das achte Bataillon zu loben, und ich möchte nicht
glauben, daß in Kiel selbst bei einem weniger tüchtigen Obercommando Ge¬
schichten möglich wären, wie folgende, die mir von einem Manne, welcher der
Sache nahe gestanden, als vollkommen wahr mitgetheilt wurde. Hören Sie
und staunen Sie.

Ein Herr aus dem Hannöverschen, der bei Altona einen Grundbesitz hat,
fuhr eines schönen Morgens hinter einem Detaschemcnt dänischer Infanterie
durch eine Straße, welche zwar nicht zu den breitesten gehörte, indeß immer¬
hin Raum bot, neben den Soldaten vorbeikommen zu können. So oft jedoch
der Kutscher dies versuchte, marschirten jene soweit auseinander, daß er das
Vorüberfahren aufgeben mußte. Ein Omnibus erschien von der andern Seite,
und jetzt bewies das Detaschement, daß es ohne irgendwelche Schwierigkeit
ausweichen konnte. Da hieß der Herr seinen Kutscher Ernst brauchen und
frisch dranfzufahren. Kaum machte dieser aber Miene dazu, so kehrten die
Dänen sich um, fällten das Bajonett und steckten zugleich — eine wunderbar
schöne Attitüde für Kriegsleute! — die Zunge heraus. Ob es hierfür im
dänischen Heere ein bestimmtes Commando gibt, und ob dieses Commando
ergangen war, vermochte der Berichterstatter nicht anzugeben. Der Herr im
Wagen scheint es ebenfalls nicht gewußt zu haben. Wenigstens erkundigte er
sich bei dem Sergeanten, der die Bajonette und Zungen befehligte, nach der
Wohnung des Commandanten und begab sich, indem man ihn nunmehr durch¬
ließ, direct dorthin, um Beschwerde zu führen. Der Commandant du Piat,
jener berüchtigte Urheber des Grußedicts in Angeln, der gegenwärtig aber
als billig denkend gelobt wird, sagte Genugthuung zu. Wer beschreibt nun
das Erstaunen des Betreffenden, als er am folgenden Tage vor den Polizeimeister
Schrader geladen und ihm von diesem angekündigt wird, er habe wegen un¬
gebührlichen Betragens gegen Sr. Majestät Soldaten fünf Bankthaler Brüche
zu erlegen und sein Knecht habe fünf Tage Gefängniß bei Wasser und Brot
verwirkt. Die sofort eingelegte Appellation gegen dieses Erkenntniß einer an
Wahnwitz grenzenden Tyrannei hatte den Erfolg, daß das Urtheil, nachdem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/19>, abgerufen am 24.08.2024.