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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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zu sprechen wünscht, trifft ihn am sichersten daheim im Kreise der Seinen.
Auch dies ist ein Zug, der an englische Sitte gemahnt.

Was die Garnison anlangt, so macht sie sich durch ihre Stärke und bei
der Lage der Stadt, die sie nöthigt, zu allen Uebungen durch den belebtesten
Theil derselben zu marschiren, sehr bemerklich. Allenthalben begegnet man den
dunkelblauen Rocken mit rothem Kragen und Zinnknöpfen, den lichtblauen Hosen
und den Käppis mit weißem Stern und Pompon des achten Jnfanterie-
bataillons. Die Flintenläufe sind gebräunt, das Bajonett blank gelassen, das
Riemenzeug schwarz. Die schwertartigen Seitengewehre gehören zu dem Raube
von Rendsburg, oder richtiger zu dem Geschenke, mit welchem dort deutsche
Mächte die Dänen gegen die deutschen Herzogthümer bewaffneten. Wunderlich
sehen die Schildwachen in ihren zinnoberrothen Mänteln aus, seltsam die
Offiziere, die statt der Epauletten schmale Goldschnüre mit Silberknöpfen auf
den Achseln tragen, und die man nicht selten mit aufgeknöpfter Uniform, ge¬
schmückt mit Vatermördern, in der Rechten den Spazierstock, die Linke in der
Hosentasche promeniren sieht. Ich muß gestehen, ich hätte manchen von ihnen
-- und zwar nicht blos des Epaulettenmangels halber -- weit eher für einen
alten Sergeanten oder Feldwebel, als für das, was er war, für einen Capitän
oder Major gehalten.

Diesem saloppen, unmilitärischen Aeußern der Obern entspricht der karren-
schieberartige Bummelgang, den die Untergebnen selbst bei der Parade nicht
ganz ablegen. Es ist mancher schmucke, schlanke, frische Bursch unter ihnen.
Allein fast allen merkt man es an, daß die Waffe ihnen keine Zierde, sondern
eine Last ist, und wenn es hier auch nicht ganz so schlimm sein mag wie in
Altona, wohin man das unbeholfenste Bataillon gelegt zu haben scheint, so
mußte ich doch bei der Parade dieser linkischer, über die große Zehe daher-
stvlpernden, während des Marsches lachenden und miteinander schwatzenden
Söhne des Kriegsgottes selbst hier noch unwillkürlich an unsre alte National¬
garde von Anno vierundzwanzig und ihr schnakisches Soldatenspiel denken.

Am besten gefielen mir noch die Unteroffiziere, die sich auch während der
letzten Feldzüge sehr hervorgethan haben sollen. Sie tragen sich großentheils
gut, und es müssen, nach den zahlreichen Ordenszeichen zu urtheilen, mit denen
man sie geziert findet, entweder erstaunlich viele verdienstvolle Leute unter
ihnen sein, ober die Ordenskreuze in Dänemark häusiger wachsen als ander¬
wärts. Im Dienste wird von den Gemeinen ein Sichgehenlassen beobachtet,
welches ohne Beispiel ist. Sollten es Strudelwitz und Prudelwitz wol für
"possible" halten, daß ich vor dem Exercierhause, wo die Promenade vorbei¬
führt, die Schildwache mit einer Rose im Munde stehen sah, und sollten die
Kameraden von der "Jarde" in Potsdam sich nicht im Innersten empört
fühlen, wenn ich ihnen (vorausgesetzt natürlich, daß sie die Grenzboten lesen)


zu sprechen wünscht, trifft ihn am sichersten daheim im Kreise der Seinen.
Auch dies ist ein Zug, der an englische Sitte gemahnt.

Was die Garnison anlangt, so macht sie sich durch ihre Stärke und bei
der Lage der Stadt, die sie nöthigt, zu allen Uebungen durch den belebtesten
Theil derselben zu marschiren, sehr bemerklich. Allenthalben begegnet man den
dunkelblauen Rocken mit rothem Kragen und Zinnknöpfen, den lichtblauen Hosen
und den Käppis mit weißem Stern und Pompon des achten Jnfanterie-
bataillons. Die Flintenläufe sind gebräunt, das Bajonett blank gelassen, das
Riemenzeug schwarz. Die schwertartigen Seitengewehre gehören zu dem Raube
von Rendsburg, oder richtiger zu dem Geschenke, mit welchem dort deutsche
Mächte die Dänen gegen die deutschen Herzogthümer bewaffneten. Wunderlich
sehen die Schildwachen in ihren zinnoberrothen Mänteln aus, seltsam die
Offiziere, die statt der Epauletten schmale Goldschnüre mit Silberknöpfen auf
den Achseln tragen, und die man nicht selten mit aufgeknöpfter Uniform, ge¬
schmückt mit Vatermördern, in der Rechten den Spazierstock, die Linke in der
Hosentasche promeniren sieht. Ich muß gestehen, ich hätte manchen von ihnen
— und zwar nicht blos des Epaulettenmangels halber — weit eher für einen
alten Sergeanten oder Feldwebel, als für das, was er war, für einen Capitän
oder Major gehalten.

Diesem saloppen, unmilitärischen Aeußern der Obern entspricht der karren-
schieberartige Bummelgang, den die Untergebnen selbst bei der Parade nicht
ganz ablegen. Es ist mancher schmucke, schlanke, frische Bursch unter ihnen.
Allein fast allen merkt man es an, daß die Waffe ihnen keine Zierde, sondern
eine Last ist, und wenn es hier auch nicht ganz so schlimm sein mag wie in
Altona, wohin man das unbeholfenste Bataillon gelegt zu haben scheint, so
mußte ich doch bei der Parade dieser linkischer, über die große Zehe daher-
stvlpernden, während des Marsches lachenden und miteinander schwatzenden
Söhne des Kriegsgottes selbst hier noch unwillkürlich an unsre alte National¬
garde von Anno vierundzwanzig und ihr schnakisches Soldatenspiel denken.

Am besten gefielen mir noch die Unteroffiziere, die sich auch während der
letzten Feldzüge sehr hervorgethan haben sollen. Sie tragen sich großentheils
gut, und es müssen, nach den zahlreichen Ordenszeichen zu urtheilen, mit denen
man sie geziert findet, entweder erstaunlich viele verdienstvolle Leute unter
ihnen sein, ober die Ordenskreuze in Dänemark häusiger wachsen als ander¬
wärts. Im Dienste wird von den Gemeinen ein Sichgehenlassen beobachtet,
welches ohne Beispiel ist. Sollten es Strudelwitz und Prudelwitz wol für
„possible" halten, daß ich vor dem Exercierhause, wo die Promenade vorbei¬
führt, die Schildwache mit einer Rose im Munde stehen sah, und sollten die
Kameraden von der „Jarde" in Potsdam sich nicht im Innersten empört
fühlen, wenn ich ihnen (vorausgesetzt natürlich, daß sie die Grenzboten lesen)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/18>, abgerufen am 15.01.2025.