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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Buchengehölze über Krusenrott und Hornheim! Wie stattlich nimmt sich die
langgestreckte Stadt und das Mastengewirr der Dampfer und Segelschiffe in
ihrem Hafen von dem Wartthurme aus, mit dem der wackere Studentenvater
Wichmann einen der Hügel im Westen gekrönt hat! Wie noch weit anmuthi¬
ger und stattlicher endlich präsentirt sich das Ganze vom Kamme der Höhen¬
kette über dem Sandkruge, den eine übelangebrachte Schmeichelei in Wilhel-
minenhöhe umzutaufen versucht hat oder von den Koppeln über dem Fischer¬
dorfe Ellerbeck gesehen! Hier hat man ganz Kiel und den besten Theil seiner
Föhrde vor Augen -- ein wunderherrliches Panorama! Dort zur Linken bei
dem vierstöckigen, buntfarbigen Kornspeicher des unternehmenden Lange, eines
ausgewanderten Schleswigers, liegen mit rauchenden Maschinen die Gebäude
des Bahnhofes. Da weiter rechts ziehen sich hinter andern Speichern und
einigen Gärten die rothen Ziegelhäuser der Borstadt den Abhang des Kuh¬
bergs hinauf und unter demselben hin nach der Holstenbrücke zu. Da inmitten
einer breiten, mehrfach gekrümmten Fronte von Magazinen, Schisserherbergen und
Privatgebäuden, die von den Rümpfen und Radkasten, den Masten und Raaen
der am Kai Kopf an Kopf ankernden Schiffe und den von ihnen ausgeladenen
Bergen von Ballen und Tonnen halb verdeckt ist, erhebt sich das vor kurzem
in einfachem, zweckentsprechenden Stile erbaute Zollhaus. Ungefähr im Centrum
der eigentlichen Stadt ragt der altertümliche, spitze, grünlich angelaufene
Thurm der Hauptkirche mit einigen kleinern Genossen und seinem schwarzen
Zifferblatt mit goldnen Weihern und Zahlen über die Dächer des Quartiers
zwischen der flämischen und der Schuhmacherstraße empor. Ganz am Ende
zur Rechten, an seiner hohen Lage, seinen weißen Mauern, und seinem glän¬
zend schwarz angestrichenen Dache weithin erkennbar, leuchtet mit seinen beiden
stumpfen Thürmen über den Schiffgerippen, Holzschuppen und Zimmerplätzen
einer Werfte das alte Schloß in die Bucht hinaus. Weiterhin auf der äußer¬
sten Rechten schauen aus dem Walde, mit welchem der hier näher ans Ge¬
stade tretende Höhenzug hinter Kiel zum Theil geschmückt ist, die niedlichen
Landhäuser und die palastartige Badeanstalt von Düsternbrook. Den Hinter¬
grund des Bildes schließen, vom Wasserbecken des Kleinen Kiel ansteigend, hell¬
grüne Hügel, die in der Nähe des Waldes die Gassen des Dorfes Brunswik
tragen, weiter links aber theils mit einzelnen Gärten und Gartenhäusern,
theils nur mit dem dunkelgrünen Netze von Hecken bedeckt sind, welches den
holsteinischen Landschaften ein so eigenthümliches Colorit verleiht.

Den Bordergrund des Ganzen endlich bildet die Rhede. Je nach der
Laune des Himmels bald dunkelblau, bald schiefergrau, jetzt sonnenbeschienen,
jetzt von wandernden Wolken beschattet, meist nur leicht gerippt, selten größere
Wellen werfend, unaufhörlich von gehenden und kommenden Fahrzeugen aller
Gattungen und Flaggen, stolzen Dreimastern, schlanken Briggs, rundbäuchigen,


Buchengehölze über Krusenrott und Hornheim! Wie stattlich nimmt sich die
langgestreckte Stadt und das Mastengewirr der Dampfer und Segelschiffe in
ihrem Hafen von dem Wartthurme aus, mit dem der wackere Studentenvater
Wichmann einen der Hügel im Westen gekrönt hat! Wie noch weit anmuthi¬
ger und stattlicher endlich präsentirt sich das Ganze vom Kamme der Höhen¬
kette über dem Sandkruge, den eine übelangebrachte Schmeichelei in Wilhel-
minenhöhe umzutaufen versucht hat oder von den Koppeln über dem Fischer¬
dorfe Ellerbeck gesehen! Hier hat man ganz Kiel und den besten Theil seiner
Föhrde vor Augen — ein wunderherrliches Panorama! Dort zur Linken bei
dem vierstöckigen, buntfarbigen Kornspeicher des unternehmenden Lange, eines
ausgewanderten Schleswigers, liegen mit rauchenden Maschinen die Gebäude
des Bahnhofes. Da weiter rechts ziehen sich hinter andern Speichern und
einigen Gärten die rothen Ziegelhäuser der Borstadt den Abhang des Kuh¬
bergs hinauf und unter demselben hin nach der Holstenbrücke zu. Da inmitten
einer breiten, mehrfach gekrümmten Fronte von Magazinen, Schisserherbergen und
Privatgebäuden, die von den Rümpfen und Radkasten, den Masten und Raaen
der am Kai Kopf an Kopf ankernden Schiffe und den von ihnen ausgeladenen
Bergen von Ballen und Tonnen halb verdeckt ist, erhebt sich das vor kurzem
in einfachem, zweckentsprechenden Stile erbaute Zollhaus. Ungefähr im Centrum
der eigentlichen Stadt ragt der altertümliche, spitze, grünlich angelaufene
Thurm der Hauptkirche mit einigen kleinern Genossen und seinem schwarzen
Zifferblatt mit goldnen Weihern und Zahlen über die Dächer des Quartiers
zwischen der flämischen und der Schuhmacherstraße empor. Ganz am Ende
zur Rechten, an seiner hohen Lage, seinen weißen Mauern, und seinem glän¬
zend schwarz angestrichenen Dache weithin erkennbar, leuchtet mit seinen beiden
stumpfen Thürmen über den Schiffgerippen, Holzschuppen und Zimmerplätzen
einer Werfte das alte Schloß in die Bucht hinaus. Weiterhin auf der äußer¬
sten Rechten schauen aus dem Walde, mit welchem der hier näher ans Ge¬
stade tretende Höhenzug hinter Kiel zum Theil geschmückt ist, die niedlichen
Landhäuser und die palastartige Badeanstalt von Düsternbrook. Den Hinter¬
grund des Bildes schließen, vom Wasserbecken des Kleinen Kiel ansteigend, hell¬
grüne Hügel, die in der Nähe des Waldes die Gassen des Dorfes Brunswik
tragen, weiter links aber theils mit einzelnen Gärten und Gartenhäusern,
theils nur mit dem dunkelgrünen Netze von Hecken bedeckt sind, welches den
holsteinischen Landschaften ein so eigenthümliches Colorit verleiht.

Den Bordergrund des Ganzen endlich bildet die Rhede. Je nach der
Laune des Himmels bald dunkelblau, bald schiefergrau, jetzt sonnenbeschienen,
jetzt von wandernden Wolken beschattet, meist nur leicht gerippt, selten größere
Wellen werfend, unaufhörlich von gehenden und kommenden Fahrzeugen aller
Gattungen und Flaggen, stolzen Dreimastern, schlanken Briggs, rundbäuchigen,


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[0014] Buchengehölze über Krusenrott und Hornheim! Wie stattlich nimmt sich die langgestreckte Stadt und das Mastengewirr der Dampfer und Segelschiffe in ihrem Hafen von dem Wartthurme aus, mit dem der wackere Studentenvater Wichmann einen der Hügel im Westen gekrönt hat! Wie noch weit anmuthi¬ ger und stattlicher endlich präsentirt sich das Ganze vom Kamme der Höhen¬ kette über dem Sandkruge, den eine übelangebrachte Schmeichelei in Wilhel- minenhöhe umzutaufen versucht hat oder von den Koppeln über dem Fischer¬ dorfe Ellerbeck gesehen! Hier hat man ganz Kiel und den besten Theil seiner Föhrde vor Augen — ein wunderherrliches Panorama! Dort zur Linken bei dem vierstöckigen, buntfarbigen Kornspeicher des unternehmenden Lange, eines ausgewanderten Schleswigers, liegen mit rauchenden Maschinen die Gebäude des Bahnhofes. Da weiter rechts ziehen sich hinter andern Speichern und einigen Gärten die rothen Ziegelhäuser der Borstadt den Abhang des Kuh¬ bergs hinauf und unter demselben hin nach der Holstenbrücke zu. Da inmitten einer breiten, mehrfach gekrümmten Fronte von Magazinen, Schisserherbergen und Privatgebäuden, die von den Rümpfen und Radkasten, den Masten und Raaen der am Kai Kopf an Kopf ankernden Schiffe und den von ihnen ausgeladenen Bergen von Ballen und Tonnen halb verdeckt ist, erhebt sich das vor kurzem in einfachem, zweckentsprechenden Stile erbaute Zollhaus. Ungefähr im Centrum der eigentlichen Stadt ragt der altertümliche, spitze, grünlich angelaufene Thurm der Hauptkirche mit einigen kleinern Genossen und seinem schwarzen Zifferblatt mit goldnen Weihern und Zahlen über die Dächer des Quartiers zwischen der flämischen und der Schuhmacherstraße empor. Ganz am Ende zur Rechten, an seiner hohen Lage, seinen weißen Mauern, und seinem glän¬ zend schwarz angestrichenen Dache weithin erkennbar, leuchtet mit seinen beiden stumpfen Thürmen über den Schiffgerippen, Holzschuppen und Zimmerplätzen einer Werfte das alte Schloß in die Bucht hinaus. Weiterhin auf der äußer¬ sten Rechten schauen aus dem Walde, mit welchem der hier näher ans Ge¬ stade tretende Höhenzug hinter Kiel zum Theil geschmückt ist, die niedlichen Landhäuser und die palastartige Badeanstalt von Düsternbrook. Den Hinter¬ grund des Bildes schließen, vom Wasserbecken des Kleinen Kiel ansteigend, hell¬ grüne Hügel, die in der Nähe des Waldes die Gassen des Dorfes Brunswik tragen, weiter links aber theils mit einzelnen Gärten und Gartenhäusern, theils nur mit dem dunkelgrünen Netze von Hecken bedeckt sind, welches den holsteinischen Landschaften ein so eigenthümliches Colorit verleiht. Den Bordergrund des Ganzen endlich bildet die Rhede. Je nach der Laune des Himmels bald dunkelblau, bald schiefergrau, jetzt sonnenbeschienen, jetzt von wandernden Wolken beschattet, meist nur leicht gerippt, selten größere Wellen werfend, unaufhörlich von gehenden und kommenden Fahrzeugen aller Gattungen und Flaggen, stolzen Dreimastern, schlanken Briggs, rundbäuchigen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/14>, abgerufen am 15.01.2025.