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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Seite zu schieben im Begriffe ist, gestatte mir die Bemerkung, daß auch ich
anfangs ganz so wie er den Kopf schüttelte und an Münchhausen dachte, daß
ich aber auf meine Nachfragen an Ort und Stelle zu der Ueberzeugung ge¬
langte, diese Jagdgeschichten seien im Wesentlichen sämmtlich entschiedene That¬
sachen. Er erlaube mir die fernere Bemerkung, daß diese Jagdgeschichten, --
wo sie nicht ausdrücklich als Anekdoten, lediglich die Stimmung des Volkes
gegenüber seinen Lehrern, Richtern und Predigern illustrirend bezeichnet werden
-- entweder aus dem Munde von Augenzeugen, durchaus wahrhaften Män¬
nern, stammen oder mit Documenten belegt werden. Ich weiß sehr wohl, es
wird leicht sein, vor denen, die Schleswigs Zustände nicht aus unmittelbarer
Anschauung kennen -- und das ist selbst bei vielen Holsteinern der Fall --
den Schmuz dieses Augiasstalles ohne weiteres für ein Resultat von Entstel¬
lung und Uebertreibung zu erklären. Jene Zustände sind eben für civilisirte
Menschen unglaublich. Derjenige aber, welcher auch nur auf acht Tage den
Fuß über die Eider und die Schlei gesetzt hat und sich der Ohren erfreut,
die hören und der Augen, die sehen, wird geneigt sein, selbst Unwahrschein¬
licheres, Tolleres und Niederträchtigeres für möglich zu halten.

Nehme man daher in gutem Glauben die folgenden Skizzen und Zeich¬
nungen als das hin, was sie sind: als Ergebnisse ernstgemeinter Erkundigung,
die, um auf den Grund zu kommen, keine Mühsal und keine Gefahr scheute,
der von bestunterrichtcter Seite Winke und Weisungen zu Theil wurden und
die, wenn sie in unwesentlichen Zügen ein oder das andere Mal geirrt haben
sollte, hinsichtlich dessen, worauf es ankommt, sich des bestimmten Bewußtseins
rühmen darf, der Wahrheit soviel in ihren Kräften stand allerwege die Ehre
gegeben zu haben.

Damit, verehrter Freund, sei dieses vorbereitende Wort geschlossen. Was
wir wollen, das wissen wir. Daß die Besten unsrer Nation gleiches Sinnes
sind, halten wir uns versichert. Den für Deutschlands Zukunft leidenden
Freunden jenseits der Elbe aber rufe ich zu: Seid getrost! Schleswig-Holstein
nicht verloren, wird sich als ein wahreres Wort erweisen, als das von Polen
gesungene. Haltet ferner Stand gegen die herandringende Tyrannei, wie Ihr
bisher Stand gehalten, mit unverzagter Seele. Fahrt fort, die Häupter hoch
zu tragen vor dem Feinde, dem Ihr trotz seines Triumphs überlegen seid. Er
flüchtet sich mit Bewußtsein zum Unrecht, da er zu schwach ist, Euch mit dem
Recht zwingen zu können. Ohnmächtiges Beginnen! Die Gewalt, nach
welcher der Däne greisen mußte, ist der Strohhalm des Ertrinkender. Eure
Erhebung wurde nicht durch ihn -- Ihr wißt am besten durch wen-- nieder¬
geschlagen. Ihr Gewinn, eine kriegstüchtige und kriegslustige Jugend und
eine ihrer Kraft und ihres Rechts in allen Schichten sich bewußte Bevölkerung,
ist durch die Jahre der Unterdrückung nicht geschwächt, sondern verdoppelt


Seite zu schieben im Begriffe ist, gestatte mir die Bemerkung, daß auch ich
anfangs ganz so wie er den Kopf schüttelte und an Münchhausen dachte, daß
ich aber auf meine Nachfragen an Ort und Stelle zu der Ueberzeugung ge¬
langte, diese Jagdgeschichten seien im Wesentlichen sämmtlich entschiedene That¬
sachen. Er erlaube mir die fernere Bemerkung, daß diese Jagdgeschichten, —
wo sie nicht ausdrücklich als Anekdoten, lediglich die Stimmung des Volkes
gegenüber seinen Lehrern, Richtern und Predigern illustrirend bezeichnet werden
— entweder aus dem Munde von Augenzeugen, durchaus wahrhaften Män¬
nern, stammen oder mit Documenten belegt werden. Ich weiß sehr wohl, es
wird leicht sein, vor denen, die Schleswigs Zustände nicht aus unmittelbarer
Anschauung kennen — und das ist selbst bei vielen Holsteinern der Fall —
den Schmuz dieses Augiasstalles ohne weiteres für ein Resultat von Entstel¬
lung und Uebertreibung zu erklären. Jene Zustände sind eben für civilisirte
Menschen unglaublich. Derjenige aber, welcher auch nur auf acht Tage den
Fuß über die Eider und die Schlei gesetzt hat und sich der Ohren erfreut,
die hören und der Augen, die sehen, wird geneigt sein, selbst Unwahrschein¬
licheres, Tolleres und Niederträchtigeres für möglich zu halten.

Nehme man daher in gutem Glauben die folgenden Skizzen und Zeich¬
nungen als das hin, was sie sind: als Ergebnisse ernstgemeinter Erkundigung,
die, um auf den Grund zu kommen, keine Mühsal und keine Gefahr scheute,
der von bestunterrichtcter Seite Winke und Weisungen zu Theil wurden und
die, wenn sie in unwesentlichen Zügen ein oder das andere Mal geirrt haben
sollte, hinsichtlich dessen, worauf es ankommt, sich des bestimmten Bewußtseins
rühmen darf, der Wahrheit soviel in ihren Kräften stand allerwege die Ehre
gegeben zu haben.

Damit, verehrter Freund, sei dieses vorbereitende Wort geschlossen. Was
wir wollen, das wissen wir. Daß die Besten unsrer Nation gleiches Sinnes
sind, halten wir uns versichert. Den für Deutschlands Zukunft leidenden
Freunden jenseits der Elbe aber rufe ich zu: Seid getrost! Schleswig-Holstein
nicht verloren, wird sich als ein wahreres Wort erweisen, als das von Polen
gesungene. Haltet ferner Stand gegen die herandringende Tyrannei, wie Ihr
bisher Stand gehalten, mit unverzagter Seele. Fahrt fort, die Häupter hoch
zu tragen vor dem Feinde, dem Ihr trotz seines Triumphs überlegen seid. Er
flüchtet sich mit Bewußtsein zum Unrecht, da er zu schwach ist, Euch mit dem
Recht zwingen zu können. Ohnmächtiges Beginnen! Die Gewalt, nach
welcher der Däne greisen mußte, ist der Strohhalm des Ertrinkender. Eure
Erhebung wurde nicht durch ihn — Ihr wißt am besten durch wen— nieder¬
geschlagen. Ihr Gewinn, eine kriegstüchtige und kriegslustige Jugend und
eine ihrer Kraft und ihres Rechts in allen Schichten sich bewußte Bevölkerung,
ist durch die Jahre der Unterdrückung nicht geschwächt, sondern verdoppelt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/12>, abgerufen am 24.08.2024.