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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Licenz, was man in gewöhnlicher Zeit ohne Licenz darf. Das ist eine canitäl
Und die Kirche nennt sich unsere Mutter? Lire Kella in-rärsl D. Wenn eine
gute Mutter ihren Sohn vor einer Speise zurückhält, die der Arzt verboten hat,
cjuesta non e ^-rritä, ma. carie^. I. Aber der Arzt hat es ja nicht verboten.
D. Der Arzt ist Gott. Er hat für das Heil unserer Seele, und das ist un¬
endlich wichtiger, als das Heil unseres Leibes, die Fasten-verordnet. Die Kirche
als gute Mutter hält ihre Söhne zur Befolgung seiner Verordnungen an.
I. Wenn Ihr mir Gottes Wort anführt, kaun ich nichts dagegen sagen. Aber
da fällt mir ein Fall ein, über den ich Eure Meinung hören möchte. Ich kenne
eine Familie, die aus Vater, Mutter und einem Sohne besteht. Die Eltern sind
kränklich und haben die Erlaubniß, der Sohn aber, ein Giovanotto, ist gesund und
kräftig. Was soll er thun? Darf er mit den Eltern mitessen? D. Allerdings.
In dem Fall, wo die Beobachtung der Vorschriften den Hausvater zwingen würde,
zwei Mahlzeiten zu veranstalten, tritt die Licenz für die Angehörigen ein. I. Und
röte ist es, wenn jemand sich außerhalb seines Wohnorts befindet, z. B. ein
Feldmesser oder mercanto ti Campagna; er ist z. B. an einem Ort in
der Campagna oder auch in Rom selbst. Er ist fremd und geht an einem
strengen Fasttage in die Locanda oder Osterie. Er verlangt Fastenspeisen, es
sind keine da. Was soll er thun? D. Wenn keine Möglichkeit da ist, sich mir dem
Vorgeschriebenen zu versehen, namentlich in der Campagna, so begeht er keine
Sünde, wenn er ißt, was er findet. I. Also thun die Wirthe und Garköche
ganz gut, wenn sie auch an strengen Fasttagen nur grassv bereite". Sie ver¬
kaufen mehr, und die Leute, die es essen, begehen ja, wie Ihr sagt, keine Sünde.

D. Im Gegentheil, sie thun übel; denn sie begehn selbst eine Sünde.
Ihre Gäste sündigen deshalb nicht, weil sie sich im Fall der Noth befinden. Sie
aber haben gar keinen Grund gegen die Vorschrift zu handeln. Sie dürfen ja
immer neben den Fastenspeisen auch grasso bereite", weil manche gute Christen
aus Gesundheitsrücksichten oder sonst, durch die Licenz entbunden sind. I. Mir
fällt aber uoch ein dritter Fall ein. Ein armer Teufel, der überhaupt nichts zu
beißen hat, geht in die Kloster oder zu Wohlthätern, um einige Brocken zu er¬
haschen. Da gibt man ihm nun die Ueberreste der Mahlzeit des Tages vorher.
So kann es komme", daß er am Freitag von deu Speisen des Donnerstags zu
essen bekommt. D. Er ist entbunden; denn da er sich auch im Fall der Noth
befindet, so begeht er keine Sünde. I. Also kann er auch Fleisch und Fisch
zusammen essen? D. Wen" das eine von beiden ausreicht, um seinen Hunger
zu stillen, soll er sich des andern enthalten, ist aber das Stückchen Fleisch d'as
er bekommt, zu klein, so mag er 'immerhin den Fisch dazu essen. I. Neulich
war ich,selbst am Aschermittwoch bei einem Freunde zu Tisch, dort werden die
Fasten niemals beobachtet. Nun war ich noch so in Gedanken an deu Carneval,
daß ich ganz die Fasten vergaß. Man sagt auch, in Mailand rechnen sie diesen


Licenz, was man in gewöhnlicher Zeit ohne Licenz darf. Das ist eine canitäl
Und die Kirche nennt sich unsere Mutter? Lire Kella in-rärsl D. Wenn eine
gute Mutter ihren Sohn vor einer Speise zurückhält, die der Arzt verboten hat,
cjuesta non e ^-rritä, ma. carie^. I. Aber der Arzt hat es ja nicht verboten.
D. Der Arzt ist Gott. Er hat für das Heil unserer Seele, und das ist un¬
endlich wichtiger, als das Heil unseres Leibes, die Fasten-verordnet. Die Kirche
als gute Mutter hält ihre Söhne zur Befolgung seiner Verordnungen an.
I. Wenn Ihr mir Gottes Wort anführt, kaun ich nichts dagegen sagen. Aber
da fällt mir ein Fall ein, über den ich Eure Meinung hören möchte. Ich kenne
eine Familie, die aus Vater, Mutter und einem Sohne besteht. Die Eltern sind
kränklich und haben die Erlaubniß, der Sohn aber, ein Giovanotto, ist gesund und
kräftig. Was soll er thun? Darf er mit den Eltern mitessen? D. Allerdings.
In dem Fall, wo die Beobachtung der Vorschriften den Hausvater zwingen würde,
zwei Mahlzeiten zu veranstalten, tritt die Licenz für die Angehörigen ein. I. Und
röte ist es, wenn jemand sich außerhalb seines Wohnorts befindet, z. B. ein
Feldmesser oder mercanto ti Campagna; er ist z. B. an einem Ort in
der Campagna oder auch in Rom selbst. Er ist fremd und geht an einem
strengen Fasttage in die Locanda oder Osterie. Er verlangt Fastenspeisen, es
sind keine da. Was soll er thun? D. Wenn keine Möglichkeit da ist, sich mir dem
Vorgeschriebenen zu versehen, namentlich in der Campagna, so begeht er keine
Sünde, wenn er ißt, was er findet. I. Also thun die Wirthe und Garköche
ganz gut, wenn sie auch an strengen Fasttagen nur grassv bereite«. Sie ver¬
kaufen mehr, und die Leute, die es essen, begehen ja, wie Ihr sagt, keine Sünde.

D. Im Gegentheil, sie thun übel; denn sie begehn selbst eine Sünde.
Ihre Gäste sündigen deshalb nicht, weil sie sich im Fall der Noth befinden. Sie
aber haben gar keinen Grund gegen die Vorschrift zu handeln. Sie dürfen ja
immer neben den Fastenspeisen auch grasso bereite», weil manche gute Christen
aus Gesundheitsrücksichten oder sonst, durch die Licenz entbunden sind. I. Mir
fällt aber uoch ein dritter Fall ein. Ein armer Teufel, der überhaupt nichts zu
beißen hat, geht in die Kloster oder zu Wohlthätern, um einige Brocken zu er¬
haschen. Da gibt man ihm nun die Ueberreste der Mahlzeit des Tages vorher.
So kann es komme», daß er am Freitag von deu Speisen des Donnerstags zu
essen bekommt. D. Er ist entbunden; denn da er sich auch im Fall der Noth
befindet, so begeht er keine Sünde. I. Also kann er auch Fleisch und Fisch
zusammen essen? D. Wen» das eine von beiden ausreicht, um seinen Hunger
zu stillen, soll er sich des andern enthalten, ist aber das Stückchen Fleisch d'as
er bekommt, zu klein, so mag er 'immerhin den Fisch dazu essen. I. Neulich
war ich,selbst am Aschermittwoch bei einem Freunde zu Tisch, dort werden die
Fasten niemals beobachtet. Nun war ich noch so in Gedanken an deu Carneval,
daß ich ganz die Fasten vergaß. Man sagt auch, in Mailand rechnen sie diesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/93>, abgerufen am 23.07.2024.