Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.socialen Leben von Neuyork, von seiner glänzenden Außenseite und den finstren Ge¬ Zu Lmaus Biographie, von L. A. Fränkl. Wien, Keck und Pierer. -- socialen Leben von Neuyork, von seiner glänzenden Außenseite und den finstren Ge¬ Zu Lmaus Biographie, von L. A. Fränkl. Wien, Keck und Pierer. — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97865"/> <p xml:id="ID_238" prev="#ID_237"> socialen Leben von Neuyork, von seiner glänzenden Außenseite und den finstren Ge¬<lb/> heimnissen, die sich dahinter verbergen, das meiste Interesse erregen. Aber das Auge<lb/> des Verfassers geht lebhaft nach allen Seiten hin. Es gibt vielleicht keine Momente<lb/> des amerikanischen Lebens, soweit es überhaupt in dem Kreise seiner Wanderungen lag,<lb/> von denen er uns nicht ein lebhaftes und anschauliches Bild gibt. Er sieht schnell und<lb/> er sieht gut, und es fehlt ihm auch nicht die sichere Hand, das Gesehene deutlich dar¬<lb/> zustellen. Doch müssen wir in Beziehung auf die Form eine Ausstellung machen. Das<lb/> Buch würde unendlich gewonnen haben, wenn der Verfasser eine strengere Kritik gegen<lb/> sich selber ausgeübt hätte. Er denkt und empfindet sehr schnell, und das ist an sich<lb/> ein glückliches Moment zu einer lebhaften Darstellung; aber man muß nachher das auf<lb/> diese Weise Concipirte sehr sorgfältig prüfen, und das hat der Verfasser wenigstens<lb/> theilweise versäumt. Sein Buch ist seinem ganzen Inhalte nach sür die Gebildeten ge¬<lb/> schrieben und diese werden nicht selten bei den glücklichsten Schilderungen durch Ungehörig-<lb/> keiten der Form, bei dem treffendsten Raisonnement durch einzelne Uebereilungen des Den¬<lb/> kens gestört werden. Eine leichte Ueberarbeitung hätte genügt, die breiten und die<lb/> burschikose» Nachlässigkeiten zu verwischen. — Zum Schluß gibt der Verfasser seine<lb/> Ansicht von der Entwicklung des amerikanischen Staatslebens, in welcher weder die<lb/> Schwächen, noch die großen Momente verschwiegen werden. Ob nicht trotzdem das<lb/> Endurtheil, namentlich in Beziehung aus die Entwicklung einer amerikanischen Kunst<lb/> und Literatur zu sanguinisch ist, das wollen wir dahingestellt sein lassen. —</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Zu Lmaus Biographie,</head> <p xml:id="ID_239" next="#ID_240"> von L. A. Fränkl. Wien, Keck und Pierer. —<lb/> Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir zwei Monograhien über Lenau besprochen<lb/> haben, von Emma Niendorf und von Karl Mayer. Bei dem großen Inter¬<lb/> esse, welches das Schicksal des unglücklichen Dichters im gesammten deutschen Publi-<lb/> cum erregt hat, wird auch diese neue Schrift viele dankbare Leser finden. Sie<lb/> bildet gegen die vorhingcnannten insofern eine Ergänzung, als sie Notizen über<lb/> das Wiener Leben mittheilt, während jene sich fast ausschließlich in Schwaben be¬<lb/> wegen. Wesentlich neue Aufschlüsse über den Charakter des Dichters wird man<lb/> kaum erwarten, doch finden wir einige recht interessante Anekdoten, aus denen wir<lb/> einiges mittheilen. — Der Sammelplatz der Schöngeister von Oestreich war das<lb/> silberne Kaffeehaus in Wien. Der Verkehr derselben untereinander weicht nicht<lb/> bedeutend von der Art und Weise ab, wie sonst unter Literaten Sitte ist. Lenau<lb/> machte sich schon früh durch ein ungewöhnlich stilles und verschlossenes Wesen be-<lb/> merklich, welches aber, wenn er angeregt wurde, der herzlichsten Theilnahme Platz<lb/> machte. Für die Musik hatte er nicht nur ein warmes Gefühl, sondern auch ein<lb/> eingehendes Verständniß. Zu seinen Lieblingen gehörte Franz Schubert. Die<lb/> ungarische Heimat zeigte sich bei dem Dichter nur in einigen wilden Angewohnheiten<lb/> und in der Verarbeitung ungarischer Stoffe; im übrigen fühlte er sich durchaus<lb/> als Deutscher. Als mau thu einmal aufforderte, sich zum ungarischen Landtag<lb/> wählen zu lassen, bemerkte er, daß er dazu nicht tauge, weil er der ungarischen<lb/> Sprache nicht so mächtig sei, um Reden halten zu können, weil er zu wenig vom<lb/> ungarischen Recht verstehe und mit seiner Bildung zu seinen Landsleuten nicht<lb/> passe. — Von der krankhaften Richtung, die von vornherein in seiner Seele lag,<lb/> geben auch diese Mittheilungen zahlreiche Proben. Er liebte es, die andern durch<lb/> Gesichterschneiden und Angcnrollcn zu erschrecken; er war von einer übertriebenen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
socialen Leben von Neuyork, von seiner glänzenden Außenseite und den finstren Ge¬
heimnissen, die sich dahinter verbergen, das meiste Interesse erregen. Aber das Auge
des Verfassers geht lebhaft nach allen Seiten hin. Es gibt vielleicht keine Momente
des amerikanischen Lebens, soweit es überhaupt in dem Kreise seiner Wanderungen lag,
von denen er uns nicht ein lebhaftes und anschauliches Bild gibt. Er sieht schnell und
er sieht gut, und es fehlt ihm auch nicht die sichere Hand, das Gesehene deutlich dar¬
zustellen. Doch müssen wir in Beziehung auf die Form eine Ausstellung machen. Das
Buch würde unendlich gewonnen haben, wenn der Verfasser eine strengere Kritik gegen
sich selber ausgeübt hätte. Er denkt und empfindet sehr schnell, und das ist an sich
ein glückliches Moment zu einer lebhaften Darstellung; aber man muß nachher das auf
diese Weise Concipirte sehr sorgfältig prüfen, und das hat der Verfasser wenigstens
theilweise versäumt. Sein Buch ist seinem ganzen Inhalte nach sür die Gebildeten ge¬
schrieben und diese werden nicht selten bei den glücklichsten Schilderungen durch Ungehörig-
keiten der Form, bei dem treffendsten Raisonnement durch einzelne Uebereilungen des Den¬
kens gestört werden. Eine leichte Ueberarbeitung hätte genügt, die breiten und die
burschikose» Nachlässigkeiten zu verwischen. — Zum Schluß gibt der Verfasser seine
Ansicht von der Entwicklung des amerikanischen Staatslebens, in welcher weder die
Schwächen, noch die großen Momente verschwiegen werden. Ob nicht trotzdem das
Endurtheil, namentlich in Beziehung aus die Entwicklung einer amerikanischen Kunst
und Literatur zu sanguinisch ist, das wollen wir dahingestellt sein lassen. —
Zu Lmaus Biographie, von L. A. Fränkl. Wien, Keck und Pierer. —
Es ist noch nicht lange Zeit her, daß wir zwei Monograhien über Lenau besprochen
haben, von Emma Niendorf und von Karl Mayer. Bei dem großen Inter¬
esse, welches das Schicksal des unglücklichen Dichters im gesammten deutschen Publi-
cum erregt hat, wird auch diese neue Schrift viele dankbare Leser finden. Sie
bildet gegen die vorhingcnannten insofern eine Ergänzung, als sie Notizen über
das Wiener Leben mittheilt, während jene sich fast ausschließlich in Schwaben be¬
wegen. Wesentlich neue Aufschlüsse über den Charakter des Dichters wird man
kaum erwarten, doch finden wir einige recht interessante Anekdoten, aus denen wir
einiges mittheilen. — Der Sammelplatz der Schöngeister von Oestreich war das
silberne Kaffeehaus in Wien. Der Verkehr derselben untereinander weicht nicht
bedeutend von der Art und Weise ab, wie sonst unter Literaten Sitte ist. Lenau
machte sich schon früh durch ein ungewöhnlich stilles und verschlossenes Wesen be-
merklich, welches aber, wenn er angeregt wurde, der herzlichsten Theilnahme Platz
machte. Für die Musik hatte er nicht nur ein warmes Gefühl, sondern auch ein
eingehendes Verständniß. Zu seinen Lieblingen gehörte Franz Schubert. Die
ungarische Heimat zeigte sich bei dem Dichter nur in einigen wilden Angewohnheiten
und in der Verarbeitung ungarischer Stoffe; im übrigen fühlte er sich durchaus
als Deutscher. Als mau thu einmal aufforderte, sich zum ungarischen Landtag
wählen zu lassen, bemerkte er, daß er dazu nicht tauge, weil er der ungarischen
Sprache nicht so mächtig sei, um Reden halten zu können, weil er zu wenig vom
ungarischen Recht verstehe und mit seiner Bildung zu seinen Landsleuten nicht
passe. — Von der krankhaften Richtung, die von vornherein in seiner Seele lag,
geben auch diese Mittheilungen zahlreiche Proben. Er liebte es, die andern durch
Gesichterschneiden und Angcnrollcn zu erschrecken; er war von einer übertriebenen
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