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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Verwicklungen fern zu halten und eine stricte Neutralität zu bewahren, auf der
dritten Spalte die Auseinandersetzung, daß die englische Politik von einer Horde
von Dummköpfen und Verräthern geleitet werde, welche mit dem gegenwärtigen
Kriege nichts anders bezweckten, als das Mark Deutschlands aufzusaugen, auf
der andern wieder das Gegentheil und so weiter fort. Was steh die Redactionen
solcher Zeitungen "uter dem Beruf eines politischen Blatts eigentlich vorstelle,,,
ist uns völlig unklar. Die politische" Leitartikel werden doch nicht für diejenigen
geschrieben, die eine vollständig klare Auffassung von dem Wesen der Sache
haben, und die sie allenfalls selber schreiben konnten, sondern für diejenigen, die
eines äußern Haltes bedürftig sind, um in einer Frage, wo ohnehin sehr viele
Interessen und Sympathien collidire", festzubleiben. Was soll nun ein ehrlicher
Bürger, der bisher in der Regel die Politik nur als Kannegießerei getrieben hat,
jetzt in einem Augenblick, wo seine eignen Interessen ins Spiel kommen, dazu
denken, wenn man Tag ans Tag ein ihm die allerverschiedensten Gesichtspunkte
für seine politische Theilnahme aufstellt und seiue Ratlosigkeit uur noch steigert.
Was auch solche Zeitungen für Motive haben mögen, sie laden sich ohne Zweifel
eine schwere Schuld auf, denn sie hindern das Zustandekommen einer entschiedenen
und ausgesprochenen öffentlichen Meinung.

Daß in diesem Augenblick die bisher geltenden Parteinnterschiede sich ver¬
wischen, liegt in der Natur der Sache, da die Frage, ob Preußen eine kon¬
stitutionelle oder demokratische Monarchie sein soll und ähnliche principielle Fragen
jetzt, wo es sich um die Fortexistenz des Staates handelt, nur noch ein secundäres
Interesse haben können. Aber die Annäherung findet auch in Beziehung ans
den wirklichen Inhalt der politischen Ansichten statt und wir wollen nicht ver¬
schweige", daß wir diese" Umstand nicht mit besonderer Freude betrachte,,. Die
Sache ist nämlich folgende.

Wir haben seit dein Jahre 1848 immer an dem Glauben festgehalten, daß
die Grundlage des preußische" Staats, an die wir alle Hoffnung der Entwicklung
Deutschlands knüpfen mußren, eine gesunde und entwicklungsfähige sei. Wir
haben uns die aristokratische Natur dieser Grundlage nicht verhehlt und wir habe"
die Angriffe von Seiten der Nationalversammlung und später von Seiten der
demokratischen Presse gegen diese Grundlage auf das entschiedenste gemißbilligt.
Wir glaubten und darum stimmte" wir ganz mit der Ansicht des Herrir v. Bis-
mark-Schönhausen und ähnlicher, daß der große Grundbesitz mit seinen histori¬
schen Traditionen, mit seinen Verzweigungen im Militär- und Beamtenleben das
charakteristische Moment der gegenwärtigen preußischen Cultur sei. Wir haben
keine doctrinäre Vorliebe für die eine oder die andere Art der Verfassung, wir
glaubten aber, daß Preuße" bei seinen gegebenen Lebensbedingungen sich nicht
anders entwickeln könne, als dadurch, daß diesem charakteristischen Moment der
ihm zukommende Platz in der Verfassung eingeräumt würde. Die Abneigung


Verwicklungen fern zu halten und eine stricte Neutralität zu bewahren, auf der
dritten Spalte die Auseinandersetzung, daß die englische Politik von einer Horde
von Dummköpfen und Verräthern geleitet werde, welche mit dem gegenwärtigen
Kriege nichts anders bezweckten, als das Mark Deutschlands aufzusaugen, auf
der andern wieder das Gegentheil und so weiter fort. Was steh die Redactionen
solcher Zeitungen »uter dem Beruf eines politischen Blatts eigentlich vorstelle,,,
ist uns völlig unklar. Die politische» Leitartikel werden doch nicht für diejenigen
geschrieben, die eine vollständig klare Auffassung von dem Wesen der Sache
haben, und die sie allenfalls selber schreiben konnten, sondern für diejenigen, die
eines äußern Haltes bedürftig sind, um in einer Frage, wo ohnehin sehr viele
Interessen und Sympathien collidire», festzubleiben. Was soll nun ein ehrlicher
Bürger, der bisher in der Regel die Politik nur als Kannegießerei getrieben hat,
jetzt in einem Augenblick, wo seine eignen Interessen ins Spiel kommen, dazu
denken, wenn man Tag ans Tag ein ihm die allerverschiedensten Gesichtspunkte
für seine politische Theilnahme aufstellt und seiue Ratlosigkeit uur noch steigert.
Was auch solche Zeitungen für Motive haben mögen, sie laden sich ohne Zweifel
eine schwere Schuld auf, denn sie hindern das Zustandekommen einer entschiedenen
und ausgesprochenen öffentlichen Meinung.

Daß in diesem Augenblick die bisher geltenden Parteinnterschiede sich ver¬
wischen, liegt in der Natur der Sache, da die Frage, ob Preußen eine kon¬
stitutionelle oder demokratische Monarchie sein soll und ähnliche principielle Fragen
jetzt, wo es sich um die Fortexistenz des Staates handelt, nur noch ein secundäres
Interesse haben können. Aber die Annäherung findet auch in Beziehung ans
den wirklichen Inhalt der politischen Ansichten statt und wir wollen nicht ver¬
schweige», daß wir diese» Umstand nicht mit besonderer Freude betrachte,,. Die
Sache ist nämlich folgende.

Wir haben seit dein Jahre 1848 immer an dem Glauben festgehalten, daß
die Grundlage des preußische» Staats, an die wir alle Hoffnung der Entwicklung
Deutschlands knüpfen mußren, eine gesunde und entwicklungsfähige sei. Wir
haben uns die aristokratische Natur dieser Grundlage nicht verhehlt und wir habe»
die Angriffe von Seiten der Nationalversammlung und später von Seiten der
demokratischen Presse gegen diese Grundlage auf das entschiedenste gemißbilligt.
Wir glaubten und darum stimmte» wir ganz mit der Ansicht des Herrir v. Bis-
mark-Schönhausen und ähnlicher, daß der große Grundbesitz mit seinen histori¬
schen Traditionen, mit seinen Verzweigungen im Militär- und Beamtenleben das
charakteristische Moment der gegenwärtigen preußischen Cultur sei. Wir haben
keine doctrinäre Vorliebe für die eine oder die andere Art der Verfassung, wir
glaubten aber, daß Preuße» bei seinen gegebenen Lebensbedingungen sich nicht
anders entwickeln könne, als dadurch, daß diesem charakteristischen Moment der
ihm zukommende Platz in der Verfassung eingeräumt würde. Die Abneigung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/60>, abgerufen am 23.07.2024.