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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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die Damen passiren zu lassen, Aeußerst anmuthig war eS, die verschiedenen
Pensionen defiliren zu sehen. Man kleidet hier die Kinder mit ganz besonderer
Sorgfalt; auch treten die Kleinen mit mehr Sicherheit, mit einem größeren
Selbstständigkeitsgefühl auf, wie bei uns, und wenn man den zehn- und
zwölfjährigen Mädchen zuschaut, so nimmt man den Eindruck mit sich, als
wüßten sie, daß sie vor den Schwestern in Frankistan die Frühreife um ein
oder zwei Jahre voraus haben.

Mit dem Pfingstfest'betrachtet man den diesjährigen Frühling als ab¬
geschlossen. Es ist der Sommer, welcher nun seine Herrschaft begonnen hat
mit drückender Schwüle und dichten Wolken wirbelnden Staubes. Ueber den
Himmel hin zieht lichtes azurnes Blau, aber dessenungeachtet ist auch aus¬
wärts der Stadt die Aussicht nicht frei, indem die Windstöße aus Süd, vom
Marmormeer und den Prinzeninseln her, ohne Unterlaß eine hohle, undurch¬
sichtige Wand -zwischen uns und der nächsten Umgebung aufthürmen. Es ist
das allgemeine Uebel des Südens, über das man in Odessa wie in Neapel,
in Madrid und Kalkutta, wie in Lissabon zu klagen hat. Dazu kommt, daß
hier sehr wenig für Schatten, für künstliche Grasflächen, und beinahe gar nichts
für Sprenger geschieht.

Die Zeit, in welcher der Staub beginnt, ist zugleich die, wo die Blu-
men aufhören. Gestern, am Pfingsttage war noch ein reicher Flor auf den
Tischen der Verkäufer in der großen Perastraße erschienen, aber heute bereits
würde es schwer fallen, eines jener aromatischen Bouquets zu finden, mit
denen ich in den letzten Monaten allwöchentlich zu mehren Malen mein Zimmer
auszuschmücken pflegte. Dafür geben die inzwischen reif gewordenen Früchte,
die großen, üppigrunden Erdbeeren namentlich, einen anderweitigen Ersatz.

Die hier ansässige fränkische Bevölkerung scheut den Staub nicht minder
wie der Fremde. Darum sind es nur wenige, in jene vegetationsreichen Thal¬
gründe, deren es in der Umgegend so viele gibt, sicher gegen jeden Wind¬
stoß eingebettete Vergnügungsorte, nach denen sie an Festtagen wie der
gestrige ihre Wanderungen hinlenkt. Am besuchtesten vor allen anderen sind
die sogenannten süßen Gewässer von Europa, über die ich schon in meine
früheren Berichte dann und wann eine Bemerkung einfließen ließ. Es ist
hier nicht die Aussicht, sondern das helle saftige Grün, welches sich länger
erhält, wo es gegen Sonne und die staubtragenden Winde geschützt ist, welches
diesen Ort zum Sammelpunkt aller macht, die an ardens- und geschäftsfreien
Tagen-sich aus der Enge der Straßen hinaus ins Freie sehnen. Bei weitem
die meisten benutzen, wie es auch gestern geschah, -Kalks (d. h. türkische Boote)
und schlagen demnach den Weg hafenanwärts ein; dagegen lassen sich manche
Damen ungleich lieber in der Araba oder den in Gurten hängenden, drollig
genug aussehenden türkischen Carrossen nach dem lieblichen Thale und zwar


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die Damen passiren zu lassen, Aeußerst anmuthig war eS, die verschiedenen
Pensionen defiliren zu sehen. Man kleidet hier die Kinder mit ganz besonderer
Sorgfalt; auch treten die Kleinen mit mehr Sicherheit, mit einem größeren
Selbstständigkeitsgefühl auf, wie bei uns, und wenn man den zehn- und
zwölfjährigen Mädchen zuschaut, so nimmt man den Eindruck mit sich, als
wüßten sie, daß sie vor den Schwestern in Frankistan die Frühreife um ein
oder zwei Jahre voraus haben.

Mit dem Pfingstfest'betrachtet man den diesjährigen Frühling als ab¬
geschlossen. Es ist der Sommer, welcher nun seine Herrschaft begonnen hat
mit drückender Schwüle und dichten Wolken wirbelnden Staubes. Ueber den
Himmel hin zieht lichtes azurnes Blau, aber dessenungeachtet ist auch aus¬
wärts der Stadt die Aussicht nicht frei, indem die Windstöße aus Süd, vom
Marmormeer und den Prinzeninseln her, ohne Unterlaß eine hohle, undurch¬
sichtige Wand -zwischen uns und der nächsten Umgebung aufthürmen. Es ist
das allgemeine Uebel des Südens, über das man in Odessa wie in Neapel,
in Madrid und Kalkutta, wie in Lissabon zu klagen hat. Dazu kommt, daß
hier sehr wenig für Schatten, für künstliche Grasflächen, und beinahe gar nichts
für Sprenger geschieht.

Die Zeit, in welcher der Staub beginnt, ist zugleich die, wo die Blu-
men aufhören. Gestern, am Pfingsttage war noch ein reicher Flor auf den
Tischen der Verkäufer in der großen Perastraße erschienen, aber heute bereits
würde es schwer fallen, eines jener aromatischen Bouquets zu finden, mit
denen ich in den letzten Monaten allwöchentlich zu mehren Malen mein Zimmer
auszuschmücken pflegte. Dafür geben die inzwischen reif gewordenen Früchte,
die großen, üppigrunden Erdbeeren namentlich, einen anderweitigen Ersatz.

Die hier ansässige fränkische Bevölkerung scheut den Staub nicht minder
wie der Fremde. Darum sind es nur wenige, in jene vegetationsreichen Thal¬
gründe, deren es in der Umgegend so viele gibt, sicher gegen jeden Wind¬
stoß eingebettete Vergnügungsorte, nach denen sie an Festtagen wie der
gestrige ihre Wanderungen hinlenkt. Am besuchtesten vor allen anderen sind
die sogenannten süßen Gewässer von Europa, über die ich schon in meine
früheren Berichte dann und wann eine Bemerkung einfließen ließ. Es ist
hier nicht die Aussicht, sondern das helle saftige Grün, welches sich länger
erhält, wo es gegen Sonne und die staubtragenden Winde geschützt ist, welches
diesen Ort zum Sammelpunkt aller macht, die an ardens- und geschäftsfreien
Tagen-sich aus der Enge der Straßen hinaus ins Freie sehnen. Bei weitem
die meisten benutzen, wie es auch gestern geschah, -Kalks (d. h. türkische Boote)
und schlagen demnach den Weg hafenanwärts ein; dagegen lassen sich manche
Damen ungleich lieber in der Araba oder den in Gurten hängenden, drollig
genug aussehenden türkischen Carrossen nach dem lieblichen Thale und zwar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/506>, abgerufen am 23.07.2024.