Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.theidigungslinie, bereits dreimal, indeß vergebens, gestürmt. Der Menschen¬ Wie dem nun. auch sei: das eine Factum steht sest, daß Silistria sich in Ein noch weit unheilvollerer Schlag für uns wäre indeß die Wegnahme Ich vergaß, Ihnen am letzten Montag von einem Ministerwechsel zu mel¬ theidigungslinie, bereits dreimal, indeß vergebens, gestürmt. Der Menschen¬ Wie dem nun. auch sei: das eine Factum steht sest, daß Silistria sich in Ein noch weit unheilvollerer Schlag für uns wäre indeß die Wegnahme Ich vergaß, Ihnen am letzten Montag von einem Ministerwechsel zu mel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98254"/> <p xml:id="ID_1494" prev="#ID_1493"> theidigungslinie, bereits dreimal, indeß vergebens, gestürmt. Der Menschen¬<lb/> verlust russischerseitö bei dieser Gelegenheit wird als äußerst bedeutend angegeben.<lb/> Soweit reichten unsre Nachrichten bis Sonnabend Abend. Am Sonntag<lb/> (28. Mai) Vormittags langte ein Dampfer aus Varna mit der Kunde an:<lb/> das angegriffene Fort sei letztlich von den Türken geräumt worden. Dieselben<lb/> hätten das Werk aber nach geschehener Besitznahme durch die Russen in die<lb/> Lust gesprengt, und in demselben Augenblick einen Ausfall gemacht, der den<lb/> Feind aus der im Centrum, gewonnenen Position zurückgeworfen und ihnen<lb/> mehre tausend Mann an Todten und Verwundeten gekostet habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1495"> Wie dem nun. auch sei: das eine Factum steht sest, daß Silistria sich in<lb/> einer äußerst bedrängten Lage befindet, und daß aus diesem Grunde eine starke<lb/> englische Diversion an der bulgarischen Küste mehr als erwünscht sein möchte,<lb/> daß sie eine Nothwendigkeit wird, wenn der Platz , von dem man weiß, daß<lb/> er eine für die Ausdehnung seiner Werke nicht ganz ausreichende Besatzung<lb/> hat, nicht baldigst erliegen soll. Dabei handelt es sich nicht um die 10,000 Mann<lb/> türkischer Truppen, die in diesem Fall Kriegsgefangene werden würden, sondern<lb/> hauptsächlich und besonders um den Besitz der untern Donau als weite und<lb/> sichere Basis, der den Russen dann für längere Zeit unbestritten anheimfiele.</p><lb/> <p xml:id="ID_1496"> Ein noch weit unheilvollerer Schlag für uns wäre indeß die Wegnahme<lb/> Warnas. Diese Festung, um es immer aufs neue zu wiederholen, ist für die<lb/> englisch-türkisch-französische Armee das wichtigste räumliche Bindeglied, ein<lb/> Vermittlungspunkt zwischen den Streitkräften, die zwischen Balkan und Donau<lb/> dem Feinde gegenüberstehen und denjenigen, die man aus dem kürzesten Wege<lb/> als Nachschub ihnen zuführen kann.. Einen andern Punkt zum Landen unter<lb/> gleich vortheilhaften Umständen gibt es nicht auf der ganzen bulgarischen Küste,<lb/> und wenn Kustendsche und Mangalia, Kawarna und Baltschick dasselbe zu leisten<lb/> vermöchten, so würde das dennoch nicht in Anschlag kommen, weil sie zum<lb/> Theil jetzt schon, zum andern Theil wenn Varna fallen sollte, sich ebenfalls<lb/> in russischen Händen befinden. Außerdem ist Varna Festung, was diesem Ort<lb/> in Hinsicht auf Truppenauöschiffungen die militärische Bedeutung eines großen<lb/> Brückenkopses verleiht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1497" next="#ID_1498"> Ich vergaß, Ihnen am letzten Montag von einem Ministerwechsel zu mel¬<lb/> den, welcher die Position des ersten Würdenträgers (Großveziers oder Sader-<lb/> Asam) und den Marineminister angeht, sonst indeß von keiner principiellen<lb/> Bedeutung ist. Mustapha Pascha, der Großvezier, wurde durch den seitherigen<lb/> Kapudan (Großadmiral) Mehemed Pascha Kiprili (aus Cypern) ersetzt, welcher<lb/> wiederum auf seinem vacant werdenden Posten, Haut Pascha, einen früher in<lb/> Ungnade gewesenen, mit dem Seewesen vertrauten Schwager des Sultans zum</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
theidigungslinie, bereits dreimal, indeß vergebens, gestürmt. Der Menschen¬
verlust russischerseitö bei dieser Gelegenheit wird als äußerst bedeutend angegeben.
Soweit reichten unsre Nachrichten bis Sonnabend Abend. Am Sonntag
(28. Mai) Vormittags langte ein Dampfer aus Varna mit der Kunde an:
das angegriffene Fort sei letztlich von den Türken geräumt worden. Dieselben
hätten das Werk aber nach geschehener Besitznahme durch die Russen in die
Lust gesprengt, und in demselben Augenblick einen Ausfall gemacht, der den
Feind aus der im Centrum, gewonnenen Position zurückgeworfen und ihnen
mehre tausend Mann an Todten und Verwundeten gekostet habe.
Wie dem nun. auch sei: das eine Factum steht sest, daß Silistria sich in
einer äußerst bedrängten Lage befindet, und daß aus diesem Grunde eine starke
englische Diversion an der bulgarischen Küste mehr als erwünscht sein möchte,
daß sie eine Nothwendigkeit wird, wenn der Platz , von dem man weiß, daß
er eine für die Ausdehnung seiner Werke nicht ganz ausreichende Besatzung
hat, nicht baldigst erliegen soll. Dabei handelt es sich nicht um die 10,000 Mann
türkischer Truppen, die in diesem Fall Kriegsgefangene werden würden, sondern
hauptsächlich und besonders um den Besitz der untern Donau als weite und
sichere Basis, der den Russen dann für längere Zeit unbestritten anheimfiele.
Ein noch weit unheilvollerer Schlag für uns wäre indeß die Wegnahme
Warnas. Diese Festung, um es immer aufs neue zu wiederholen, ist für die
englisch-türkisch-französische Armee das wichtigste räumliche Bindeglied, ein
Vermittlungspunkt zwischen den Streitkräften, die zwischen Balkan und Donau
dem Feinde gegenüberstehen und denjenigen, die man aus dem kürzesten Wege
als Nachschub ihnen zuführen kann.. Einen andern Punkt zum Landen unter
gleich vortheilhaften Umständen gibt es nicht auf der ganzen bulgarischen Küste,
und wenn Kustendsche und Mangalia, Kawarna und Baltschick dasselbe zu leisten
vermöchten, so würde das dennoch nicht in Anschlag kommen, weil sie zum
Theil jetzt schon, zum andern Theil wenn Varna fallen sollte, sich ebenfalls
in russischen Händen befinden. Außerdem ist Varna Festung, was diesem Ort
in Hinsicht auf Truppenauöschiffungen die militärische Bedeutung eines großen
Brückenkopses verleiht.
Ich vergaß, Ihnen am letzten Montag von einem Ministerwechsel zu mel¬
den, welcher die Position des ersten Würdenträgers (Großveziers oder Sader-
Asam) und den Marineminister angeht, sonst indeß von keiner principiellen
Bedeutung ist. Mustapha Pascha, der Großvezier, wurde durch den seitherigen
Kapudan (Großadmiral) Mehemed Pascha Kiprili (aus Cypern) ersetzt, welcher
wiederum auf seinem vacant werdenden Posten, Haut Pascha, einen früher in
Ungnade gewesenen, mit dem Seewesen vertrauten Schwager des Sultans zum
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