Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Seit gestern steht man hier zahlreiche englische Soldaten mjt Packpferden.
Man will hieraus entnehmen, daß ein Theil der englischen Truppen den Landweg
einschlagen und zu dem Ende auf Adrianopel marschiren werde. Es ist dies
möglich, indeß nicht wahrscheinlich. Mehr hat die Vermuthung für sich, wonach
die Packpferde von hier aus direct nach Varna, und zwar unbeladen auf dem
Landwege geschickt werden, indeß die Bagage nach diesem Platze zur See be¬
fördert wird. Wie dem nun auch sei: von Wichtigkeit ist, daß man endlich
große Transportmittel in Bewegung setzt. Man muß sich übrigens wundern,
daß man englischerseits nicht schon früher die Unerläßlichkeit nicht nur einiger
tausend, sondern von mindestens dreimal soviel Pack- und Saumpferden ge¬
fühlt, und darum bei Zeiten hierauf Bedacht genommen hat. Als Oestreich
den Grafen Leiningen hierher sendete (Februar -1833) war das Erste, was die
k. k. Kriegskanzlei anordnete, der Ankauf von 12,000 Mauleseln, Eseln und
anderen Lastthieren. Der Orient hat, wie allgemein bekannt, in den Kameelen
noch ein besonderes Hilfsmittel für den Transportdienst. Man scheint diese
wichtige Ressource noch nicht in dem Maße ausgebeutet zu haben, als sie es
verdient. Ein Kameel soll gegen sieben Centner tragen und würde demnach
mindestens drei Pferden gleichzustellen sein. Dabei ist seine Bedürftigkeit aus¬
nehmend gering.

Wie ich Ihnen berichtet zu haben glaube, sind die Generale Marschall
Se. Arnaud und Lord Raglan, nebst dem Sericisker Risa Pascha, am ver¬
gangenen Dienstag Mittags von ihrem Ausfluge zur Besprechung mit Omer
Pascha zurückgekehrt. Derselbe konnte, wie ebenfalls von mir bereits bemerkt
wurde, nicht nach Varna kommen, weshalb die betreffenden Herren sich von
dort aus nach Schumla begaben. Welche Verabredungen getroffen worden
sind, ist natürlich nur wenigen Eingeweihten bekannt, indeß hat man erfahren,
daß man die Situation für besser erachtet, als man anfangs vermuthete.
Namentlich suchte Omer Pascha die fremden Generale über das Schicksal von
Silistria zu beruhigen. Diese Festung hat nach seiner Aussage eine Besatzung
von 13,000 Mann (wie Sie wissen, vermag ich nur -10,300 Mann herauszu¬
rechnen) und wird ohne Frage einen mit dieser Stärke in Verhältniß stehenden
Widerstand leisten. Wie weiter berichtet wird, träfen die Russen vor dem in
Rede stehenden Platze Anstalten zu einer förmlichen Belagerung (mit Pa¬
rallelen und Batterien). Letzteres glaube ich nicht eben unbedingt. Es ist
russische Art und eine Grundregel ihrer sicher und stets basirt, darum langsam
aber mit Erfolgsgewißheit vorschreitender Kriegsführungsmethode, nichts ohne
Garantien gegen einen etwaigen Rückschlag zu unternehmen. Um deswillen
werden sie akuter allen Umständen auch den Gewaltact eines Sturmes durch
den Bau von Gegenbatterien vorbereiten. Es war nicht anders im September
183-1 vor Warschau, und auch in der weiter rückwärts gelegenen russischen


Seit gestern steht man hier zahlreiche englische Soldaten mjt Packpferden.
Man will hieraus entnehmen, daß ein Theil der englischen Truppen den Landweg
einschlagen und zu dem Ende auf Adrianopel marschiren werde. Es ist dies
möglich, indeß nicht wahrscheinlich. Mehr hat die Vermuthung für sich, wonach
die Packpferde von hier aus direct nach Varna, und zwar unbeladen auf dem
Landwege geschickt werden, indeß die Bagage nach diesem Platze zur See be¬
fördert wird. Wie dem nun auch sei: von Wichtigkeit ist, daß man endlich
große Transportmittel in Bewegung setzt. Man muß sich übrigens wundern,
daß man englischerseits nicht schon früher die Unerläßlichkeit nicht nur einiger
tausend, sondern von mindestens dreimal soviel Pack- und Saumpferden ge¬
fühlt, und darum bei Zeiten hierauf Bedacht genommen hat. Als Oestreich
den Grafen Leiningen hierher sendete (Februar -1833) war das Erste, was die
k. k. Kriegskanzlei anordnete, der Ankauf von 12,000 Mauleseln, Eseln und
anderen Lastthieren. Der Orient hat, wie allgemein bekannt, in den Kameelen
noch ein besonderes Hilfsmittel für den Transportdienst. Man scheint diese
wichtige Ressource noch nicht in dem Maße ausgebeutet zu haben, als sie es
verdient. Ein Kameel soll gegen sieben Centner tragen und würde demnach
mindestens drei Pferden gleichzustellen sein. Dabei ist seine Bedürftigkeit aus¬
nehmend gering.

Wie ich Ihnen berichtet zu haben glaube, sind die Generale Marschall
Se. Arnaud und Lord Raglan, nebst dem Sericisker Risa Pascha, am ver¬
gangenen Dienstag Mittags von ihrem Ausfluge zur Besprechung mit Omer
Pascha zurückgekehrt. Derselbe konnte, wie ebenfalls von mir bereits bemerkt
wurde, nicht nach Varna kommen, weshalb die betreffenden Herren sich von
dort aus nach Schumla begaben. Welche Verabredungen getroffen worden
sind, ist natürlich nur wenigen Eingeweihten bekannt, indeß hat man erfahren,
daß man die Situation für besser erachtet, als man anfangs vermuthete.
Namentlich suchte Omer Pascha die fremden Generale über das Schicksal von
Silistria zu beruhigen. Diese Festung hat nach seiner Aussage eine Besatzung
von 13,000 Mann (wie Sie wissen, vermag ich nur -10,300 Mann herauszu¬
rechnen) und wird ohne Frage einen mit dieser Stärke in Verhältniß stehenden
Widerstand leisten. Wie weiter berichtet wird, träfen die Russen vor dem in
Rede stehenden Platze Anstalten zu einer förmlichen Belagerung (mit Pa¬
rallelen und Batterien). Letzteres glaube ich nicht eben unbedingt. Es ist
russische Art und eine Grundregel ihrer sicher und stets basirt, darum langsam
aber mit Erfolgsgewißheit vorschreitender Kriegsführungsmethode, nichts ohne
Garantien gegen einen etwaigen Rückschlag zu unternehmen. Um deswillen
werden sie akuter allen Umständen auch den Gewaltact eines Sturmes durch
den Bau von Gegenbatterien vorbereiten. Es war nicht anders im September
183-1 vor Warschau, und auch in der weiter rückwärts gelegenen russischen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98249"/>
          <p xml:id="ID_1475"> Seit gestern steht man hier zahlreiche englische Soldaten mjt Packpferden.<lb/>
Man will hieraus entnehmen, daß ein Theil der englischen Truppen den Landweg<lb/>
einschlagen und zu dem Ende auf Adrianopel marschiren werde. Es ist dies<lb/>
möglich, indeß nicht wahrscheinlich. Mehr hat die Vermuthung für sich, wonach<lb/>
die Packpferde von hier aus direct nach Varna, und zwar unbeladen auf dem<lb/>
Landwege geschickt werden, indeß die Bagage nach diesem Platze zur See be¬<lb/>
fördert wird. Wie dem nun auch sei: von Wichtigkeit ist, daß man endlich<lb/>
große Transportmittel in Bewegung setzt. Man muß sich übrigens wundern,<lb/>
daß man englischerseits nicht schon früher die Unerläßlichkeit nicht nur einiger<lb/>
tausend, sondern von mindestens dreimal soviel Pack- und Saumpferden ge¬<lb/>
fühlt, und darum bei Zeiten hierauf Bedacht genommen hat. Als Oestreich<lb/>
den Grafen Leiningen hierher sendete (Februar -1833) war das Erste, was die<lb/>
k. k. Kriegskanzlei anordnete, der Ankauf von 12,000 Mauleseln, Eseln und<lb/>
anderen Lastthieren. Der Orient hat, wie allgemein bekannt, in den Kameelen<lb/>
noch ein besonderes Hilfsmittel für den Transportdienst. Man scheint diese<lb/>
wichtige Ressource noch nicht in dem Maße ausgebeutet zu haben, als sie es<lb/>
verdient. Ein Kameel soll gegen sieben Centner tragen und würde demnach<lb/>
mindestens drei Pferden gleichzustellen sein. Dabei ist seine Bedürftigkeit aus¬<lb/>
nehmend gering.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1476" next="#ID_1477"> Wie ich Ihnen berichtet zu haben glaube, sind die Generale Marschall<lb/>
Se. Arnaud und Lord Raglan, nebst dem Sericisker Risa Pascha, am ver¬<lb/>
gangenen Dienstag Mittags von ihrem Ausfluge zur Besprechung mit Omer<lb/>
Pascha zurückgekehrt. Derselbe konnte, wie ebenfalls von mir bereits bemerkt<lb/>
wurde, nicht nach Varna kommen, weshalb die betreffenden Herren sich von<lb/>
dort aus nach Schumla begaben. Welche Verabredungen getroffen worden<lb/>
sind, ist natürlich nur wenigen Eingeweihten bekannt, indeß hat man erfahren,<lb/>
daß man die Situation für besser erachtet, als man anfangs vermuthete.<lb/>
Namentlich suchte Omer Pascha die fremden Generale über das Schicksal von<lb/>
Silistria zu beruhigen. Diese Festung hat nach seiner Aussage eine Besatzung<lb/>
von 13,000 Mann (wie Sie wissen, vermag ich nur -10,300 Mann herauszu¬<lb/>
rechnen) und wird ohne Frage einen mit dieser Stärke in Verhältniß stehenden<lb/>
Widerstand leisten. Wie weiter berichtet wird, träfen die Russen vor dem in<lb/>
Rede stehenden Platze Anstalten zu einer förmlichen Belagerung (mit Pa¬<lb/>
rallelen und Batterien). Letzteres glaube ich nicht eben unbedingt. Es ist<lb/>
russische Art und eine Grundregel ihrer sicher und stets basirt, darum langsam<lb/>
aber mit Erfolgsgewißheit vorschreitender Kriegsführungsmethode, nichts ohne<lb/>
Garantien gegen einen etwaigen Rückschlag zu unternehmen. Um deswillen<lb/>
werden sie akuter allen Umständen auch den Gewaltact eines Sturmes durch<lb/>
den Bau von Gegenbatterien vorbereiten. Es war nicht anders im September<lb/>
183-1 vor Warschau, und auch in der weiter rückwärts gelegenen russischen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0469] Seit gestern steht man hier zahlreiche englische Soldaten mjt Packpferden. Man will hieraus entnehmen, daß ein Theil der englischen Truppen den Landweg einschlagen und zu dem Ende auf Adrianopel marschiren werde. Es ist dies möglich, indeß nicht wahrscheinlich. Mehr hat die Vermuthung für sich, wonach die Packpferde von hier aus direct nach Varna, und zwar unbeladen auf dem Landwege geschickt werden, indeß die Bagage nach diesem Platze zur See be¬ fördert wird. Wie dem nun auch sei: von Wichtigkeit ist, daß man endlich große Transportmittel in Bewegung setzt. Man muß sich übrigens wundern, daß man englischerseits nicht schon früher die Unerläßlichkeit nicht nur einiger tausend, sondern von mindestens dreimal soviel Pack- und Saumpferden ge¬ fühlt, und darum bei Zeiten hierauf Bedacht genommen hat. Als Oestreich den Grafen Leiningen hierher sendete (Februar -1833) war das Erste, was die k. k. Kriegskanzlei anordnete, der Ankauf von 12,000 Mauleseln, Eseln und anderen Lastthieren. Der Orient hat, wie allgemein bekannt, in den Kameelen noch ein besonderes Hilfsmittel für den Transportdienst. Man scheint diese wichtige Ressource noch nicht in dem Maße ausgebeutet zu haben, als sie es verdient. Ein Kameel soll gegen sieben Centner tragen und würde demnach mindestens drei Pferden gleichzustellen sein. Dabei ist seine Bedürftigkeit aus¬ nehmend gering. Wie ich Ihnen berichtet zu haben glaube, sind die Generale Marschall Se. Arnaud und Lord Raglan, nebst dem Sericisker Risa Pascha, am ver¬ gangenen Dienstag Mittags von ihrem Ausfluge zur Besprechung mit Omer Pascha zurückgekehrt. Derselbe konnte, wie ebenfalls von mir bereits bemerkt wurde, nicht nach Varna kommen, weshalb die betreffenden Herren sich von dort aus nach Schumla begaben. Welche Verabredungen getroffen worden sind, ist natürlich nur wenigen Eingeweihten bekannt, indeß hat man erfahren, daß man die Situation für besser erachtet, als man anfangs vermuthete. Namentlich suchte Omer Pascha die fremden Generale über das Schicksal von Silistria zu beruhigen. Diese Festung hat nach seiner Aussage eine Besatzung von 13,000 Mann (wie Sie wissen, vermag ich nur -10,300 Mann herauszu¬ rechnen) und wird ohne Frage einen mit dieser Stärke in Verhältniß stehenden Widerstand leisten. Wie weiter berichtet wird, träfen die Russen vor dem in Rede stehenden Platze Anstalten zu einer förmlichen Belagerung (mit Pa¬ rallelen und Batterien). Letzteres glaube ich nicht eben unbedingt. Es ist russische Art und eine Grundregel ihrer sicher und stets basirt, darum langsam aber mit Erfolgsgewißheit vorschreitender Kriegsführungsmethode, nichts ohne Garantien gegen einen etwaigen Rückschlag zu unternehmen. Um deswillen werden sie akuter allen Umständen auch den Gewaltact eines Sturmes durch den Bau von Gegenbatterien vorbereiten. Es war nicht anders im September 183-1 vor Warschau, und auch in der weiter rückwärts gelegenen russischen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/468
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/468>, abgerufen am 22.12.2024.