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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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von Fuhrwerk nur gering ist, der volle Volksstrom meistens auf den Fahr¬
wegen dahinflutet. Die beiden anderen Brücken, von denen die eine dies¬
seits oder unterhalb des Arsenals, die andere oberhalb desselben gelegen ist,
sind, ungeachtet sie gut rentiren, wie todt im Vergleich mit dieser. Es spricht
dies für das Uebergewicht der Wechselbeziehungen, die zwischen Stambul oder
dem eigentlichen Konstantinopel einerseits und Pera-Galata andrerseits statt¬
finden. Alle Morgen und Abende, den Sonntag allein ausgenommen, tauschen
diese Städte einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Bevölkerung unterein¬
ander aus. Aus Stambul eilt alles hinüber, was in Pera und Galata Be¬
schäftigung zu suchen gewohnt ist; es sind meistens Leute, die dem vierten
Stande oder der arbeitenden Classe angehören, überwiegend Griechen und
Armenier, von denen die ersteren als Bootsleute und die letzteren als Last¬
träger ihr Brod verdienen. Türken finden sich nur wenige unter ihnen, denn
der Muselmann dient ungern dem Christen. Dagegen senden Galata und
Pera noch vor Beginn der Geschäftsstunden alle diejenigen ihrer Einwohner
nach Stambul, welche dort Comptoire und Waarenlager, Läden oder Werk¬
stätten besitzen; Handelsherren und Makler, Fabrikanten und Werkführer,
Meister und Gesellen, Commis und Ladengehilfen treffen sich aus den ver¬
schiedenen Straßen Galatas und Peras kommend allesammt aus der Brücke
und gehen nebeneinander ihrer Arbeit entgegen, indeß der Strom vom jen¬
seitigen User her schon längst sich auf der perotischen Seite ausmündete und
die Lastträger, die Straßenkehrer-, die Scheuerleute, Stiefelputzer, Kleiderbürster,
Bootsleute und Kaikführer mehre Stunden lang schon die Last des Tages
getragen haben. Aber gegen Abend, wo der Lastträger und Schiffer zu gleicher
Zeit mit dem Kaufmann, dem Fabrikherrn und Handwerker "Feierabend"
macht, treffen beide in entgegengesetzter Richtung, flutenden Menschenstrv-
mungen unmittelbar auf der Brücke wider einander. Das Gedränge ist dann,
zumal im Sommer, wo ungleich mehr gearbeitet wird wie im Winter, bei¬
spiellos. Man bewundert, woher die Fruchthändler, die Apfelsinenverkäufer,
die Juden, welche kurze Waaren aller Art aufbieten, den Muth hernehmen,
um aus den schmalen, die Fahrbahnen trennenden, in der Mitte der Brücke
liegenden Geleisebalken, mitten im Strudel und reißenden Wirbel des Ge¬
dränges, ihre Sachen seilzuhalten. -- Dazu kommt, daß um dieselbe Stunde
die verschiedenen, an Zahl sich auf dreißig oder vierzig belaufenden Dampfer,
welche den Verkehr mit dem Gegenufer ^Skutari, Kadiköj) und namentlich
den Bospor entlang und zu den Prinzeninseln vermitteln, sodann gegen
hundert Kalks, an der Brücke anlegen, theils um Passagiere ans Land zu
setzen, theils um diejenigen Kaufleute und Fabrikherren an Bord zu nehmen,
die während einiger Tage in der Woche Abend und Nacht in ihren Land¬
häusern an der Meerenge bei ihren Familien zuzubringen pflegen. In diesem


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von Fuhrwerk nur gering ist, der volle Volksstrom meistens auf den Fahr¬
wegen dahinflutet. Die beiden anderen Brücken, von denen die eine dies¬
seits oder unterhalb des Arsenals, die andere oberhalb desselben gelegen ist,
sind, ungeachtet sie gut rentiren, wie todt im Vergleich mit dieser. Es spricht
dies für das Uebergewicht der Wechselbeziehungen, die zwischen Stambul oder
dem eigentlichen Konstantinopel einerseits und Pera-Galata andrerseits statt¬
finden. Alle Morgen und Abende, den Sonntag allein ausgenommen, tauschen
diese Städte einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Bevölkerung unterein¬
ander aus. Aus Stambul eilt alles hinüber, was in Pera und Galata Be¬
schäftigung zu suchen gewohnt ist; es sind meistens Leute, die dem vierten
Stande oder der arbeitenden Classe angehören, überwiegend Griechen und
Armenier, von denen die ersteren als Bootsleute und die letzteren als Last¬
träger ihr Brod verdienen. Türken finden sich nur wenige unter ihnen, denn
der Muselmann dient ungern dem Christen. Dagegen senden Galata und
Pera noch vor Beginn der Geschäftsstunden alle diejenigen ihrer Einwohner
nach Stambul, welche dort Comptoire und Waarenlager, Läden oder Werk¬
stätten besitzen; Handelsherren und Makler, Fabrikanten und Werkführer,
Meister und Gesellen, Commis und Ladengehilfen treffen sich aus den ver¬
schiedenen Straßen Galatas und Peras kommend allesammt aus der Brücke
und gehen nebeneinander ihrer Arbeit entgegen, indeß der Strom vom jen¬
seitigen User her schon längst sich auf der perotischen Seite ausmündete und
die Lastträger, die Straßenkehrer-, die Scheuerleute, Stiefelputzer, Kleiderbürster,
Bootsleute und Kaikführer mehre Stunden lang schon die Last des Tages
getragen haben. Aber gegen Abend, wo der Lastträger und Schiffer zu gleicher
Zeit mit dem Kaufmann, dem Fabrikherrn und Handwerker „Feierabend"
macht, treffen beide in entgegengesetzter Richtung, flutenden Menschenstrv-
mungen unmittelbar auf der Brücke wider einander. Das Gedränge ist dann,
zumal im Sommer, wo ungleich mehr gearbeitet wird wie im Winter, bei¬
spiellos. Man bewundert, woher die Fruchthändler, die Apfelsinenverkäufer,
die Juden, welche kurze Waaren aller Art aufbieten, den Muth hernehmen,
um aus den schmalen, die Fahrbahnen trennenden, in der Mitte der Brücke
liegenden Geleisebalken, mitten im Strudel und reißenden Wirbel des Ge¬
dränges, ihre Sachen seilzuhalten. — Dazu kommt, daß um dieselbe Stunde
die verschiedenen, an Zahl sich auf dreißig oder vierzig belaufenden Dampfer,
welche den Verkehr mit dem Gegenufer ^Skutari, Kadiköj) und namentlich
den Bospor entlang und zu den Prinzeninseln vermitteln, sodann gegen
hundert Kalks, an der Brücke anlegen, theils um Passagiere ans Land zu
setzen, theils um diejenigen Kaufleute und Fabrikherren an Bord zu nehmen,
die während einiger Tage in der Woche Abend und Nacht in ihren Land¬
häusern an der Meerenge bei ihren Familien zuzubringen pflegen. In diesem


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[0467] von Fuhrwerk nur gering ist, der volle Volksstrom meistens auf den Fahr¬ wegen dahinflutet. Die beiden anderen Brücken, von denen die eine dies¬ seits oder unterhalb des Arsenals, die andere oberhalb desselben gelegen ist, sind, ungeachtet sie gut rentiren, wie todt im Vergleich mit dieser. Es spricht dies für das Uebergewicht der Wechselbeziehungen, die zwischen Stambul oder dem eigentlichen Konstantinopel einerseits und Pera-Galata andrerseits statt¬ finden. Alle Morgen und Abende, den Sonntag allein ausgenommen, tauschen diese Städte einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Bevölkerung unterein¬ ander aus. Aus Stambul eilt alles hinüber, was in Pera und Galata Be¬ schäftigung zu suchen gewohnt ist; es sind meistens Leute, die dem vierten Stande oder der arbeitenden Classe angehören, überwiegend Griechen und Armenier, von denen die ersteren als Bootsleute und die letzteren als Last¬ träger ihr Brod verdienen. Türken finden sich nur wenige unter ihnen, denn der Muselmann dient ungern dem Christen. Dagegen senden Galata und Pera noch vor Beginn der Geschäftsstunden alle diejenigen ihrer Einwohner nach Stambul, welche dort Comptoire und Waarenlager, Läden oder Werk¬ stätten besitzen; Handelsherren und Makler, Fabrikanten und Werkführer, Meister und Gesellen, Commis und Ladengehilfen treffen sich aus den ver¬ schiedenen Straßen Galatas und Peras kommend allesammt aus der Brücke und gehen nebeneinander ihrer Arbeit entgegen, indeß der Strom vom jen¬ seitigen User her schon längst sich auf der perotischen Seite ausmündete und die Lastträger, die Straßenkehrer-, die Scheuerleute, Stiefelputzer, Kleiderbürster, Bootsleute und Kaikführer mehre Stunden lang schon die Last des Tages getragen haben. Aber gegen Abend, wo der Lastträger und Schiffer zu gleicher Zeit mit dem Kaufmann, dem Fabrikherrn und Handwerker „Feierabend" macht, treffen beide in entgegengesetzter Richtung, flutenden Menschenstrv- mungen unmittelbar auf der Brücke wider einander. Das Gedränge ist dann, zumal im Sommer, wo ungleich mehr gearbeitet wird wie im Winter, bei¬ spiellos. Man bewundert, woher die Fruchthändler, die Apfelsinenverkäufer, die Juden, welche kurze Waaren aller Art aufbieten, den Muth hernehmen, um aus den schmalen, die Fahrbahnen trennenden, in der Mitte der Brücke liegenden Geleisebalken, mitten im Strudel und reißenden Wirbel des Ge¬ dränges, ihre Sachen seilzuhalten. — Dazu kommt, daß um dieselbe Stunde die verschiedenen, an Zahl sich auf dreißig oder vierzig belaufenden Dampfer, welche den Verkehr mit dem Gegenufer ^Skutari, Kadiköj) und namentlich den Bospor entlang und zu den Prinzeninseln vermitteln, sodann gegen hundert Kalks, an der Brücke anlegen, theils um Passagiere ans Land zu setzen, theils um diejenigen Kaufleute und Fabrikherren an Bord zu nehmen, die während einiger Tage in der Woche Abend und Nacht in ihren Land¬ häusern an der Meerenge bei ihren Familien zuzubringen pflegen. In diesem 58*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/466>, abgerufen am 22.12.2024.