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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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für dies Jahr glücklich erreichte Herabsetzung der Communalsteuer eines
Tages mit einem: "Ooch! Ich Habs gewonnen!" -rei vassam zu schreiben
haben. --




Aus Konstantinopel.

Seit gestern hat der Truppentransport von hier aus nach Varna in Masse
begonnen. Von dem vor Skutari ankernden Geschwader von englischen Dampf¬
und Lastschiffen.ist ein gutes Drittheil bereits abgegangen und die anderen
sind, wie ich mit dem Fernrohr oben von meinem Fenster aus beobachtete, mit
der Aufnahme -- ich kann nicht unterscheiden ob von Kriegsmaterial oder
Mannschaften -- beschäftigt. Auf den Straßen, nicht nur von Pera, sondern
auch in Stambul begegnet man ohne Unterlaß kleinen Detachements, die
entweder bepackt und im vollen Marschanzuge bei ihren Offizieren und höheren
Vorgesetzten zur Specialparade gewesen zu sein scheinen, theils durch die
Packen und Schachteln und Kisten, welche sie stoßweise unter den Armen
tragen, erkennen lassen, daß sie eben die letzten Einkäufe für die Campagne
gemacht. Dies sind nicht so unwichtige Anzeichen, als man meint, und sie
verkünden, daß der Bullenbeißer endlich Ernst machen wird. Die englischen
Offiziere lassen es sich inzwischen angelegen sein, von Konstantinopel schnell
noch alles in Augenschein zu nehmen, was es darin an Merkwürdigkeiten
gibt. Man begegnet diesen hohen, kräftigen und äußerst wohlgenährten, aber
nicht immer gentil aussehenden Gestalten zunächst der Sophienmoschee, am
Rennplatz (At Meidan) , an der Cisterne der tausend und einen San(e (bin
dir <Zii-(et), längs der großen Mauer und bei dem römischen Aquäduct. Auch
geniren sich die Herren nicht, aus dem Bazar ihre Einkäufe selbst zu machen
und tragen auch wol ihre Tabakpacketchen und Cigarrenkistchen -- natürlich
nur wenn sie in Civilkleidern sind -- eigenhändig nach Hause.

Als ich gestern auf der neuen Brücke (derjenigen nämlich, die zunächst
seewärts über den Hafen führt) spatzieren ging, prävalirten die Söhne Eng¬
lands bei weitem auf derselben. Beiläufig bemerkt kann man sich keine un¬
terhaltendere Promenade wie diese in ganz Konstantinopel aussuchen. Der
Oberbau dieses wichtigen Verbindungsweges ruht aus Pontons, die, mit
einiger Spannung geankert , dem Ganzen eine bedeutende Stabilität verleihen.
In der Mitte laufen zwei Fahrwege hin und rechts und links davon Fußwege,
die indeß bei weitem nicht das Menschengewimmel, welches ohne Unterlaß
herüber und hinüberdrängt, zu fassen vermögen, weshalb, zumal die Passage


für dies Jahr glücklich erreichte Herabsetzung der Communalsteuer eines
Tages mit einem: „Ooch! Ich Habs gewonnen!" -rei vassam zu schreiben
haben. —




Aus Konstantinopel.

Seit gestern hat der Truppentransport von hier aus nach Varna in Masse
begonnen. Von dem vor Skutari ankernden Geschwader von englischen Dampf¬
und Lastschiffen.ist ein gutes Drittheil bereits abgegangen und die anderen
sind, wie ich mit dem Fernrohr oben von meinem Fenster aus beobachtete, mit
der Aufnahme — ich kann nicht unterscheiden ob von Kriegsmaterial oder
Mannschaften — beschäftigt. Auf den Straßen, nicht nur von Pera, sondern
auch in Stambul begegnet man ohne Unterlaß kleinen Detachements, die
entweder bepackt und im vollen Marschanzuge bei ihren Offizieren und höheren
Vorgesetzten zur Specialparade gewesen zu sein scheinen, theils durch die
Packen und Schachteln und Kisten, welche sie stoßweise unter den Armen
tragen, erkennen lassen, daß sie eben die letzten Einkäufe für die Campagne
gemacht. Dies sind nicht so unwichtige Anzeichen, als man meint, und sie
verkünden, daß der Bullenbeißer endlich Ernst machen wird. Die englischen
Offiziere lassen es sich inzwischen angelegen sein, von Konstantinopel schnell
noch alles in Augenschein zu nehmen, was es darin an Merkwürdigkeiten
gibt. Man begegnet diesen hohen, kräftigen und äußerst wohlgenährten, aber
nicht immer gentil aussehenden Gestalten zunächst der Sophienmoschee, am
Rennplatz (At Meidan) , an der Cisterne der tausend und einen San(e (bin
dir <Zii-(et), längs der großen Mauer und bei dem römischen Aquäduct. Auch
geniren sich die Herren nicht, aus dem Bazar ihre Einkäufe selbst zu machen
und tragen auch wol ihre Tabakpacketchen und Cigarrenkistchen — natürlich
nur wenn sie in Civilkleidern sind — eigenhändig nach Hause.

Als ich gestern auf der neuen Brücke (derjenigen nämlich, die zunächst
seewärts über den Hafen führt) spatzieren ging, prävalirten die Söhne Eng¬
lands bei weitem auf derselben. Beiläufig bemerkt kann man sich keine un¬
terhaltendere Promenade wie diese in ganz Konstantinopel aussuchen. Der
Oberbau dieses wichtigen Verbindungsweges ruht aus Pontons, die, mit
einiger Spannung geankert , dem Ganzen eine bedeutende Stabilität verleihen.
In der Mitte laufen zwei Fahrwege hin und rechts und links davon Fußwege,
die indeß bei weitem nicht das Menschengewimmel, welches ohne Unterlaß
herüber und hinüberdrängt, zu fassen vermögen, weshalb, zumal die Passage


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[0466] für dies Jahr glücklich erreichte Herabsetzung der Communalsteuer eines Tages mit einem: „Ooch! Ich Habs gewonnen!" -rei vassam zu schreiben haben. — Aus Konstantinopel. Seit gestern hat der Truppentransport von hier aus nach Varna in Masse begonnen. Von dem vor Skutari ankernden Geschwader von englischen Dampf¬ und Lastschiffen.ist ein gutes Drittheil bereits abgegangen und die anderen sind, wie ich mit dem Fernrohr oben von meinem Fenster aus beobachtete, mit der Aufnahme — ich kann nicht unterscheiden ob von Kriegsmaterial oder Mannschaften — beschäftigt. Auf den Straßen, nicht nur von Pera, sondern auch in Stambul begegnet man ohne Unterlaß kleinen Detachements, die entweder bepackt und im vollen Marschanzuge bei ihren Offizieren und höheren Vorgesetzten zur Specialparade gewesen zu sein scheinen, theils durch die Packen und Schachteln und Kisten, welche sie stoßweise unter den Armen tragen, erkennen lassen, daß sie eben die letzten Einkäufe für die Campagne gemacht. Dies sind nicht so unwichtige Anzeichen, als man meint, und sie verkünden, daß der Bullenbeißer endlich Ernst machen wird. Die englischen Offiziere lassen es sich inzwischen angelegen sein, von Konstantinopel schnell noch alles in Augenschein zu nehmen, was es darin an Merkwürdigkeiten gibt. Man begegnet diesen hohen, kräftigen und äußerst wohlgenährten, aber nicht immer gentil aussehenden Gestalten zunächst der Sophienmoschee, am Rennplatz (At Meidan) , an der Cisterne der tausend und einen San(e (bin dir <Zii-(et), längs der großen Mauer und bei dem römischen Aquäduct. Auch geniren sich die Herren nicht, aus dem Bazar ihre Einkäufe selbst zu machen und tragen auch wol ihre Tabakpacketchen und Cigarrenkistchen — natürlich nur wenn sie in Civilkleidern sind — eigenhändig nach Hause. Als ich gestern auf der neuen Brücke (derjenigen nämlich, die zunächst seewärts über den Hafen führt) spatzieren ging, prävalirten die Söhne Eng¬ lands bei weitem auf derselben. Beiläufig bemerkt kann man sich keine un¬ terhaltendere Promenade wie diese in ganz Konstantinopel aussuchen. Der Oberbau dieses wichtigen Verbindungsweges ruht aus Pontons, die, mit einiger Spannung geankert , dem Ganzen eine bedeutende Stabilität verleihen. In der Mitte laufen zwei Fahrwege hin und rechts und links davon Fußwege, die indeß bei weitem nicht das Menschengewimmel, welches ohne Unterlaß herüber und hinüberdrängt, zu fassen vermögen, weshalb, zumal die Passage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/465>, abgerufen am 22.12.2024.