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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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eine große Fähigkeit zu Intriguen, aber nicht die geringste Productionskraft
entwickelt, der Bürgerstand dagegen eine sehr große, eine größere als in irgend
einem früheren Jahrhundert. Productionskraft aber ist Macht und wo die
Macht vorhanden ist, wird auch die Berechtigung nicht ausbleiben. Nur
wünschen wir, daß diese demokratische Bewegung nach einer andern Richtung
gehen möge als bisher. Bisher negirte die Opposition das Wesen des Adels
und suchte den Adel in die Masse herabzuziehen. Wir dagegen sind von dem
Wesen des Adels sehr eingenommen und wünschten nur seine Crclusivität auf¬
zuheben. Wir möchten, um uns bestimmter auszudrücken, einen so großen
Theil der Masse als möglich adelig machen. -- Wir verstehen das so.

D.le Vorzüge des Adels beruhen auf der natürlichen Stellung einer
herrschenden Classe im Staate. -- Zunächst hat er ein lebhafteres Ehrgefühl.
Die Ehre, jene romantisch-sittliche Erhöhung der Persönlichkeit wird ihm bereits
durch seinen Stand vermittelt, dessen Sitte er sich fugen, dessen Würde er in
seiner Person vertreten muß. Durch nichts wird die persönliche Haltung so
erleichtert, als durch den osprit 6s corp8, der, wo der individuelle Charakter
und die individuelle Bildung nicht ausreicht, mit Regeln und Maß aushilft und
die Freiheit möglich macht, indem sie ihr eine Grenze und ein Vorbild gibt.--
Sodann wird der Adel durch beständige Betheiligung am höhern Staatsleben,
namentlich an den Kriegen desselben, durch befestigten Grundbesitz, der ihm
eine Heimat im höheren Sinn gibt, durch ununterbrochen fortgesetzte Tradition,
die ihm die Vergangenheit als Gegenwart zeigt, zu einem gesteigerten
Nationalgefühl geweckt und von dem Bewußtsein durchdrungen, daß er als
Glied eines größern Ganzen erst seine wahre Stellung innerhalb der Mensch¬
heit gewinnt. -- Endlich verleiht ihm seine Befreiung von den Einseitigkeiten
und Verkümmerungen des Geschäftslebens die Fähigkeit, sich nach allen Seiten
hin gleichmäßig zu freier Humanität auszubilden und jene harmonische Per¬
sönlichkeit zu gewinnen, die in den schönen Zeiten Griechenlands jedem Bürger
eigen war. Zwar ist Bildung dem Inhalt nach ein ebenso wechselnder Begriff
als Ehre, und wir werden die Ritter des 13. Jahrhunderts gewiß nicht in
unsrem Sinne gebildet nennen wollen; aber in formeller Beziehung ist sie
etwas Bleibendes, und man weiß jedesmal, wen man zur gebildeten Classe eines
Volkes rechnen soll, noch ehe man die Kenntnisse und Fähigkeiten im ein¬
zelnen geprüft hat.

Diese Vorzüge sind in ihrer vollen Ausdehnung nur denkbar, wenn man
eine fortwährende Theilung in zwei Volksclassen annimmt: ein Zustand, der
sowol dem natürlichen Rechtsgefühl widerspricht, als auch an sich auf die Dauer
unmöglich ist. Denn wie die Wissenschaften, Künste und die verschiedenen
Zweige der Gewerbsthcitigkeit sich ausdehnen und vervielfältigen, wird nur
durch Beschränkung auf einen bestimmten Kreis der Thätigkeit Macht und


eine große Fähigkeit zu Intriguen, aber nicht die geringste Productionskraft
entwickelt, der Bürgerstand dagegen eine sehr große, eine größere als in irgend
einem früheren Jahrhundert. Productionskraft aber ist Macht und wo die
Macht vorhanden ist, wird auch die Berechtigung nicht ausbleiben. Nur
wünschen wir, daß diese demokratische Bewegung nach einer andern Richtung
gehen möge als bisher. Bisher negirte die Opposition das Wesen des Adels
und suchte den Adel in die Masse herabzuziehen. Wir dagegen sind von dem
Wesen des Adels sehr eingenommen und wünschten nur seine Crclusivität auf¬
zuheben. Wir möchten, um uns bestimmter auszudrücken, einen so großen
Theil der Masse als möglich adelig machen. — Wir verstehen das so.

D.le Vorzüge des Adels beruhen auf der natürlichen Stellung einer
herrschenden Classe im Staate. — Zunächst hat er ein lebhafteres Ehrgefühl.
Die Ehre, jene romantisch-sittliche Erhöhung der Persönlichkeit wird ihm bereits
durch seinen Stand vermittelt, dessen Sitte er sich fugen, dessen Würde er in
seiner Person vertreten muß. Durch nichts wird die persönliche Haltung so
erleichtert, als durch den osprit 6s corp8, der, wo der individuelle Charakter
und die individuelle Bildung nicht ausreicht, mit Regeln und Maß aushilft und
die Freiheit möglich macht, indem sie ihr eine Grenze und ein Vorbild gibt.—
Sodann wird der Adel durch beständige Betheiligung am höhern Staatsleben,
namentlich an den Kriegen desselben, durch befestigten Grundbesitz, der ihm
eine Heimat im höheren Sinn gibt, durch ununterbrochen fortgesetzte Tradition,
die ihm die Vergangenheit als Gegenwart zeigt, zu einem gesteigerten
Nationalgefühl geweckt und von dem Bewußtsein durchdrungen, daß er als
Glied eines größern Ganzen erst seine wahre Stellung innerhalb der Mensch¬
heit gewinnt. — Endlich verleiht ihm seine Befreiung von den Einseitigkeiten
und Verkümmerungen des Geschäftslebens die Fähigkeit, sich nach allen Seiten
hin gleichmäßig zu freier Humanität auszubilden und jene harmonische Per¬
sönlichkeit zu gewinnen, die in den schönen Zeiten Griechenlands jedem Bürger
eigen war. Zwar ist Bildung dem Inhalt nach ein ebenso wechselnder Begriff
als Ehre, und wir werden die Ritter des 13. Jahrhunderts gewiß nicht in
unsrem Sinne gebildet nennen wollen; aber in formeller Beziehung ist sie
etwas Bleibendes, und man weiß jedesmal, wen man zur gebildeten Classe eines
Volkes rechnen soll, noch ehe man die Kenntnisse und Fähigkeiten im ein¬
zelnen geprüft hat.

Diese Vorzüge sind in ihrer vollen Ausdehnung nur denkbar, wenn man
eine fortwährende Theilung in zwei Volksclassen annimmt: ein Zustand, der
sowol dem natürlichen Rechtsgefühl widerspricht, als auch an sich auf die Dauer
unmöglich ist. Denn wie die Wissenschaften, Künste und die verschiedenen
Zweige der Gewerbsthcitigkeit sich ausdehnen und vervielfältigen, wird nur
durch Beschränkung auf einen bestimmten Kreis der Thätigkeit Macht und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/454>, abgerufen am 23.07.2024.