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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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verstehen und die daher nur nach fertigen Stichwörtern verlangten, und die
agirenden Personen waren durchaus planmäßig, organisirt, so daß sie eine
Verschiedenheit der Ansichten gar nicht aufkommen ließen. Nun hatte man
damals allgemein das Bedürfniß, zu politisiren; wer das also im Vaterlands¬
vereine nicht befriedigen konnte, ging in den deutschen Verein. So waren
nun zwei Parteien vorhanden, die einander Concurrenz machten. Um das
mit Erfolg thun zu können, mußten sie einen bestimmten Inhalt suchen, und
diesen gab ihnen der Anschluß an die allgemeinen politischen Verbindungen.
So wirkt die Verschiedenheit des Stils auch auf den Inhalt ein.

Wir wollten durch diese Andeutungen nur darauf aufmerksam machen,
daß man bei der Wahl einer Partei noch keineswegs die Principien derselben
vom ersten bis zum letzten Paragraphen aussprach, sondern sich nur vorläufig
orientiren wollte. Die eigentliche Parteibildung fand an den Orten statt, wo
die parlamentarischen Versammlungen zusammentraten, und hier war wieder
das Unglück, daß zwei solche Mittelpunkte entstanden, die allgemeine deutsche
Nationalversammlung und die Kammern der einzelnen Staaten.

In den letzteren hatte fast überall die unbedingte Opposition oder die
Demokratie ihren Ausdruck gefunden. Man schickte seine Abgeordneten nach Berlin
oder nach Dresden, um gegen den Schulzen, gegen den Bürgermeister, gegen den
Gerichtsdnector, gegen den Landrath, gegen den Polizeibeamten, gegen den
Steuereinnehmer und wenn es höher kam, gegen den Regierungsrath, gegen den
Edelmann u. s. w. zu opponiren. So fanden wir z. B. den Dresdner Landtag
in der schönsten Harmonie, nachdem die neue Verfassung gegeben war. Wenn
wir nicht irren, waren in beiden Kammern nur fünf Personen antidemokra¬
tisch (drei davon hatte Leipzig gestellt), und wenn eine von diesen Personen
einmal die unerhörte Kühnheit hatte, das Wort zu ergreifen, so wurde ihr
das in der Regel mit ernster Rüge abgeschnitten. Unter diesen Umständen
hatte denn auch die Kammer trotz ihrer großen Einigkeit den größeren Theil
des Publicums gegen sich, denn man sand sich ihr an Bildung überlegen und
wurde dadurch verstimmt. -- In Preußen war zwar die sogenannte rechte Seite
ungefähr in derselben Stärke wie die linke, aber sie war ganz ohne Inhalt,
ohne Führer, ohne Vorkämpfer, und wenigstens ein Theil der linken, die
Fraction Waldeck, kam durch ihren geistvollen, consequenten und energischen
Führer zu einer bestimmten Richtung. In allen übrigen Fractionen, nament¬
lich in dem sogenannten linken und rechten Centrum, wurde ohne Sinn und
Verstand erperimentirt. Mit einem liebenswürdigen, aber für uns jetzt sehr
wunderlichen Behagen malte sich jeder Assessor, der darin saß, und der sich
den Kossäthen und Schulzen, seinen College", überlegen fühlte, aus, ob er nicht
durch eine geschickte Abstimmung Minister werden könne und richtete nach die¬
sem Gesichtspunkte seine Handlungsweise ein. Theilnahme für-diese National-


verstehen und die daher nur nach fertigen Stichwörtern verlangten, und die
agirenden Personen waren durchaus planmäßig, organisirt, so daß sie eine
Verschiedenheit der Ansichten gar nicht aufkommen ließen. Nun hatte man
damals allgemein das Bedürfniß, zu politisiren; wer das also im Vaterlands¬
vereine nicht befriedigen konnte, ging in den deutschen Verein. So waren
nun zwei Parteien vorhanden, die einander Concurrenz machten. Um das
mit Erfolg thun zu können, mußten sie einen bestimmten Inhalt suchen, und
diesen gab ihnen der Anschluß an die allgemeinen politischen Verbindungen.
So wirkt die Verschiedenheit des Stils auch auf den Inhalt ein.

Wir wollten durch diese Andeutungen nur darauf aufmerksam machen,
daß man bei der Wahl einer Partei noch keineswegs die Principien derselben
vom ersten bis zum letzten Paragraphen aussprach, sondern sich nur vorläufig
orientiren wollte. Die eigentliche Parteibildung fand an den Orten statt, wo
die parlamentarischen Versammlungen zusammentraten, und hier war wieder
das Unglück, daß zwei solche Mittelpunkte entstanden, die allgemeine deutsche
Nationalversammlung und die Kammern der einzelnen Staaten.

In den letzteren hatte fast überall die unbedingte Opposition oder die
Demokratie ihren Ausdruck gefunden. Man schickte seine Abgeordneten nach Berlin
oder nach Dresden, um gegen den Schulzen, gegen den Bürgermeister, gegen den
Gerichtsdnector, gegen den Landrath, gegen den Polizeibeamten, gegen den
Steuereinnehmer und wenn es höher kam, gegen den Regierungsrath, gegen den
Edelmann u. s. w. zu opponiren. So fanden wir z. B. den Dresdner Landtag
in der schönsten Harmonie, nachdem die neue Verfassung gegeben war. Wenn
wir nicht irren, waren in beiden Kammern nur fünf Personen antidemokra¬
tisch (drei davon hatte Leipzig gestellt), und wenn eine von diesen Personen
einmal die unerhörte Kühnheit hatte, das Wort zu ergreifen, so wurde ihr
das in der Regel mit ernster Rüge abgeschnitten. Unter diesen Umständen
hatte denn auch die Kammer trotz ihrer großen Einigkeit den größeren Theil
des Publicums gegen sich, denn man sand sich ihr an Bildung überlegen und
wurde dadurch verstimmt. — In Preußen war zwar die sogenannte rechte Seite
ungefähr in derselben Stärke wie die linke, aber sie war ganz ohne Inhalt,
ohne Führer, ohne Vorkämpfer, und wenigstens ein Theil der linken, die
Fraction Waldeck, kam durch ihren geistvollen, consequenten und energischen
Führer zu einer bestimmten Richtung. In allen übrigen Fractionen, nament¬
lich in dem sogenannten linken und rechten Centrum, wurde ohne Sinn und
Verstand erperimentirt. Mit einem liebenswürdigen, aber für uns jetzt sehr
wunderlichen Behagen malte sich jeder Assessor, der darin saß, und der sich
den Kossäthen und Schulzen, seinen College», überlegen fühlte, aus, ob er nicht
durch eine geschickte Abstimmung Minister werden könne und richtete nach die¬
sem Gesichtspunkte seine Handlungsweise ein. Theilnahme für-diese National-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/451>, abgerufen am 22.12.2024.