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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Sie kennen wol meine Ansichten im allgemeinen über das Zweckent¬
sprechende eines derartigen Gewaltactes gegen die in Rede stehende Festung.
Man spart dadurch den unermeßlichen Zeitverlust einer regelrechten Belagerung
(im letzten Kriege dauerte dieselbe sechs volle Monate, und der Platz ging schlie߬
lich nur durch Kapitulation über), gewinnt frühzeitig einen festen Punkt auf
der zur Basis dienenden Stromlinie und erhält freies Feld nicht nur zu Offensiv-
opcration,en ein i^v (ÄwMssnv, sondern zugleich für einen entscheidenden
Schlag gegen Varna, Auf die schnelle Wegnahme des letzteren Punktes wird
schließlich alles ankommen. Wenn die Russen dort festen Fuß gefaßt haben,
wird, wie ich dies Ihnen schon zu mehren Malen entwickelte, die englisch¬
französische Hilfsarmee auf den weiten Umweg über den Balkan hingewiesen
sein, oder sich in der Lage befinden, den Feind in Adrianopel erwarten zu
müssen.

Unter solchen Umständen erachte ich es keinenfalls für unmöglich, daß
General Lüders in der That den Entschluß gefaßt hat, Silistria mit stürmen¬
der. Hand zu nehmen, aber eine derartige Operation will vorbereitet sein und
nimmt außerdem eine bedeutende Truppenmasse in Anspruch. Ob 3ü,000 Mann,
von denen man weiß, daß sie die Festung eingeschlossen halten, hinreichen wer¬
den, um mit allen Garantien des Gelingens' den Sturm zu unternehmen, muß
ich dahingestellt sein lassen. In Silistria stehen freilich nur acht Bataillone,
ein Cavalerieregiment und- die nothwendige Zugabe an Kanonieren und Pio-
nieren, aber es sind das alles Kerntruppen, die Infanterie meistens Aegyptier,
von denen man weiß, daß sie bis auf den letzten Mann zu fechten verstehen
und die fejther keinen Pardon nahmen. Das Gemetzel wird, wenn die Russen
den Schlag wagen, entsetzlich werden.
'

Die jüngste moskowitische Unternehmung in diesem Stile war der Sturm
gegen die Verschanzungen von Warschau im September 1831. Durch eine
seltsame Analogie war es General Lüders, der hier an der Spitze von acht
Bataillonen vor der Wolaschanze (vor Silistria enstirt ein Werk desselben Na¬
mens), den Grund zu seinem militärischen Rufe legte.

Von der Flotte im schwarzen Meere hat man die unangenehme Nachricht
empfangen, daß die britische Dampsfregatte Tiger nahe bei Odessa auf den
Strand gerathen und unter dem Feuer einer zur rechten Zeit herbeigeeilten
russischen reitenden Küstenbatterie und mehrer Kanonenboote zur Uebergabe
gezwungen worden ist.




Sie kennen wol meine Ansichten im allgemeinen über das Zweckent¬
sprechende eines derartigen Gewaltactes gegen die in Rede stehende Festung.
Man spart dadurch den unermeßlichen Zeitverlust einer regelrechten Belagerung
(im letzten Kriege dauerte dieselbe sechs volle Monate, und der Platz ging schlie߬
lich nur durch Kapitulation über), gewinnt frühzeitig einen festen Punkt auf
der zur Basis dienenden Stromlinie und erhält freies Feld nicht nur zu Offensiv-
opcration,en ein i^v (ÄwMssnv, sondern zugleich für einen entscheidenden
Schlag gegen Varna, Auf die schnelle Wegnahme des letzteren Punktes wird
schließlich alles ankommen. Wenn die Russen dort festen Fuß gefaßt haben,
wird, wie ich dies Ihnen schon zu mehren Malen entwickelte, die englisch¬
französische Hilfsarmee auf den weiten Umweg über den Balkan hingewiesen
sein, oder sich in der Lage befinden, den Feind in Adrianopel erwarten zu
müssen.

Unter solchen Umständen erachte ich es keinenfalls für unmöglich, daß
General Lüders in der That den Entschluß gefaßt hat, Silistria mit stürmen¬
der. Hand zu nehmen, aber eine derartige Operation will vorbereitet sein und
nimmt außerdem eine bedeutende Truppenmasse in Anspruch. Ob 3ü,000 Mann,
von denen man weiß, daß sie die Festung eingeschlossen halten, hinreichen wer¬
den, um mit allen Garantien des Gelingens' den Sturm zu unternehmen, muß
ich dahingestellt sein lassen. In Silistria stehen freilich nur acht Bataillone,
ein Cavalerieregiment und- die nothwendige Zugabe an Kanonieren und Pio-
nieren, aber es sind das alles Kerntruppen, die Infanterie meistens Aegyptier,
von denen man weiß, daß sie bis auf den letzten Mann zu fechten verstehen
und die fejther keinen Pardon nahmen. Das Gemetzel wird, wenn die Russen
den Schlag wagen, entsetzlich werden.
'

Die jüngste moskowitische Unternehmung in diesem Stile war der Sturm
gegen die Verschanzungen von Warschau im September 1831. Durch eine
seltsame Analogie war es General Lüders, der hier an der Spitze von acht
Bataillonen vor der Wolaschanze (vor Silistria enstirt ein Werk desselben Na¬
mens), den Grund zu seinem militärischen Rufe legte.

Von der Flotte im schwarzen Meere hat man die unangenehme Nachricht
empfangen, daß die britische Dampsfregatte Tiger nahe bei Odessa auf den
Strand gerathen und unter dem Feuer einer zur rechten Zeit herbeigeeilten
russischen reitenden Küstenbatterie und mehrer Kanonenboote zur Uebergabe
gezwungen worden ist.




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[0429] Sie kennen wol meine Ansichten im allgemeinen über das Zweckent¬ sprechende eines derartigen Gewaltactes gegen die in Rede stehende Festung. Man spart dadurch den unermeßlichen Zeitverlust einer regelrechten Belagerung (im letzten Kriege dauerte dieselbe sechs volle Monate, und der Platz ging schlie߬ lich nur durch Kapitulation über), gewinnt frühzeitig einen festen Punkt auf der zur Basis dienenden Stromlinie und erhält freies Feld nicht nur zu Offensiv- opcration,en ein i^v (ÄwMssnv, sondern zugleich für einen entscheidenden Schlag gegen Varna, Auf die schnelle Wegnahme des letzteren Punktes wird schließlich alles ankommen. Wenn die Russen dort festen Fuß gefaßt haben, wird, wie ich dies Ihnen schon zu mehren Malen entwickelte, die englisch¬ französische Hilfsarmee auf den weiten Umweg über den Balkan hingewiesen sein, oder sich in der Lage befinden, den Feind in Adrianopel erwarten zu müssen. Unter solchen Umständen erachte ich es keinenfalls für unmöglich, daß General Lüders in der That den Entschluß gefaßt hat, Silistria mit stürmen¬ der. Hand zu nehmen, aber eine derartige Operation will vorbereitet sein und nimmt außerdem eine bedeutende Truppenmasse in Anspruch. Ob 3ü,000 Mann, von denen man weiß, daß sie die Festung eingeschlossen halten, hinreichen wer¬ den, um mit allen Garantien des Gelingens' den Sturm zu unternehmen, muß ich dahingestellt sein lassen. In Silistria stehen freilich nur acht Bataillone, ein Cavalerieregiment und- die nothwendige Zugabe an Kanonieren und Pio- nieren, aber es sind das alles Kerntruppen, die Infanterie meistens Aegyptier, von denen man weiß, daß sie bis auf den letzten Mann zu fechten verstehen und die fejther keinen Pardon nahmen. Das Gemetzel wird, wenn die Russen den Schlag wagen, entsetzlich werden. ' Die jüngste moskowitische Unternehmung in diesem Stile war der Sturm gegen die Verschanzungen von Warschau im September 1831. Durch eine seltsame Analogie war es General Lüders, der hier an der Spitze von acht Bataillonen vor der Wolaschanze (vor Silistria enstirt ein Werk desselben Na¬ mens), den Grund zu seinem militärischen Rufe legte. Von der Flotte im schwarzen Meere hat man die unangenehme Nachricht empfangen, daß die britische Dampsfregatte Tiger nahe bei Odessa auf den Strand gerathen und unter dem Feuer einer zur rechten Zeit herbeigeeilten russischen reitenden Küstenbatterie und mehrer Kanonenboote zur Uebergabe gezwungen worden ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/428>, abgerufen am 22.12.2024.