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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Tage und bei vollen Speichern, Kellern und Kassen mochte man sich über die
verlorene Selbstregierung leicht genug trösten. Aber das Jahr 1793 vereinigte
durch die dritte Theilung Polens auch Danzig mit dem alten 'Ordenslande,
der Handel schlug den altgewohnten Weg bis zur Weichselmündung, wieder
ein und die schnell davoneilende Springflut des reichen,. mühelosem Erwerbs,
legte in Elbings städtischem Haushalt einen bösen, alten Schaden wiederum
bloß, die eigentliche Materia peccans sür das Verhältniß der Stadt zum neuen
Landesherrn. Wir sprechen von dem merkwürdigen Territorialstreit, der
von 1799 bis 1845 eine unerschöpfliche Quelle bösen Blutes geworden ist und
zu einer gewissen Spannung zwischen Elbing und der Staatsregierung wol
den ersten Grund gelegt hat.

Gleich den übrigen preußischen Städten ward Elbing bald nach seiner Grün¬
dung, schon 1246, mit einem ansehnlichen Besitz von Aeckern und Wäldern vom
Orden ausgestattet. Seine Theilnahme an der Erhebung des preußischen Städte¬
bundes gegen die Kreuzritter vermehrte dieses Gebiet um den ganzen Umfang
der bisherigen Ordenskomthureiso daß die Stadt beim Abschluß ihres Ver¬
trages mit Kasimir IV. im-Jahre 1437 mit einem Territorium von 9--10 Qua¬
dratmeilen in den polnischen Reichsverband eintrat. Sie erfreute sich dieses
stattlichen Besitzes-200 Jahre lang in Ruhe. Dann aber nahmen im Jahre
1657 die Bestrebungen Brandenburgs um Ausbreitung seiner Macht in West¬
preußen eine für Elbing verhängnißvolle Wendung. Der Vertrag zu Brom¬
berg, zwischen dem großen Kurfürsten und Johann Kasimir verpfändete die
Stadt für 400,000 Thaler an Brandenburg. Die Pfandsumme wurde im
Frieden von Oliva aus 300,000 Thaler reducirt und 1698, also erst 38 Jahre
später, erfolgte auf Grund dieses Vertrages die Besetzung Elbings durch
preußische Truppen. Polen mochte sich in den Verlust der wichtigen Stadt
nicht sofort ergeben. Der Reichstag zu Warschau nahm 1699 die Sache in
die Hand. Die Pfandsumme wurde als. polnische Nationalschuld anerkannt,
ihre Aufbringung durch eine Steuer beschlossen, und im Vertrage vom 22. De- '
cember 1699 festgesetzt, daß, wenn drei Monate nach der Auflösung des nächsten
Reichstages die Zahlung nicht erfolgt sei, der gewöhnliche Nießbrauch des
Territoriums von der Krone Polen an Brandenburg übergehen solle. Gleich¬
zeitig wurden polnische Kronjuwelen als weiteres Pfand gegeben. Der schwe¬
dische Krieg hinderte dann natürlich die Zahlung und so nahm Friedrich, im
October 1703, das Elbinger Territorium in Beschlag, jedoch mit allen Re-
venuen, während der Vertrag ihm nur auf die polnischen landesherrlichen
Gefälle Anspruch gewährte. Gleichzeitig verlangte Schweden eine Kriegssteuer
von 260,000 Thalern, und da die Stadt 70,000 davon nicht ausbringen konnte,
so borgte ihr Brandenburg 30,000 Thaler und erlaubte die Einziehung von
20,000 Thalern an Grundzins aus dem Territorium. Auch jene 30,000 soll


Tage und bei vollen Speichern, Kellern und Kassen mochte man sich über die
verlorene Selbstregierung leicht genug trösten. Aber das Jahr 1793 vereinigte
durch die dritte Theilung Polens auch Danzig mit dem alten 'Ordenslande,
der Handel schlug den altgewohnten Weg bis zur Weichselmündung, wieder
ein und die schnell davoneilende Springflut des reichen,. mühelosem Erwerbs,
legte in Elbings städtischem Haushalt einen bösen, alten Schaden wiederum
bloß, die eigentliche Materia peccans sür das Verhältniß der Stadt zum neuen
Landesherrn. Wir sprechen von dem merkwürdigen Territorialstreit, der
von 1799 bis 1845 eine unerschöpfliche Quelle bösen Blutes geworden ist und
zu einer gewissen Spannung zwischen Elbing und der Staatsregierung wol
den ersten Grund gelegt hat.

Gleich den übrigen preußischen Städten ward Elbing bald nach seiner Grün¬
dung, schon 1246, mit einem ansehnlichen Besitz von Aeckern und Wäldern vom
Orden ausgestattet. Seine Theilnahme an der Erhebung des preußischen Städte¬
bundes gegen die Kreuzritter vermehrte dieses Gebiet um den ganzen Umfang
der bisherigen Ordenskomthureiso daß die Stadt beim Abschluß ihres Ver¬
trages mit Kasimir IV. im-Jahre 1437 mit einem Territorium von 9—10 Qua¬
dratmeilen in den polnischen Reichsverband eintrat. Sie erfreute sich dieses
stattlichen Besitzes-200 Jahre lang in Ruhe. Dann aber nahmen im Jahre
1657 die Bestrebungen Brandenburgs um Ausbreitung seiner Macht in West¬
preußen eine für Elbing verhängnißvolle Wendung. Der Vertrag zu Brom¬
berg, zwischen dem großen Kurfürsten und Johann Kasimir verpfändete die
Stadt für 400,000 Thaler an Brandenburg. Die Pfandsumme wurde im
Frieden von Oliva aus 300,000 Thaler reducirt und 1698, also erst 38 Jahre
später, erfolgte auf Grund dieses Vertrages die Besetzung Elbings durch
preußische Truppen. Polen mochte sich in den Verlust der wichtigen Stadt
nicht sofort ergeben. Der Reichstag zu Warschau nahm 1699 die Sache in
die Hand. Die Pfandsumme wurde als. polnische Nationalschuld anerkannt,
ihre Aufbringung durch eine Steuer beschlossen, und im Vertrage vom 22. De- '
cember 1699 festgesetzt, daß, wenn drei Monate nach der Auflösung des nächsten
Reichstages die Zahlung nicht erfolgt sei, der gewöhnliche Nießbrauch des
Territoriums von der Krone Polen an Brandenburg übergehen solle. Gleich¬
zeitig wurden polnische Kronjuwelen als weiteres Pfand gegeben. Der schwe¬
dische Krieg hinderte dann natürlich die Zahlung und so nahm Friedrich, im
October 1703, das Elbinger Territorium in Beschlag, jedoch mit allen Re-
venuen, während der Vertrag ihm nur auf die polnischen landesherrlichen
Gefälle Anspruch gewährte. Gleichzeitig verlangte Schweden eine Kriegssteuer
von 260,000 Thalern, und da die Stadt 70,000 davon nicht ausbringen konnte,
so borgte ihr Brandenburg 30,000 Thaler und erlaubte die Einziehung von
20,000 Thalern an Grundzins aus dem Territorium. Auch jene 30,000 soll


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[0412] Tage und bei vollen Speichern, Kellern und Kassen mochte man sich über die verlorene Selbstregierung leicht genug trösten. Aber das Jahr 1793 vereinigte durch die dritte Theilung Polens auch Danzig mit dem alten 'Ordenslande, der Handel schlug den altgewohnten Weg bis zur Weichselmündung, wieder ein und die schnell davoneilende Springflut des reichen,. mühelosem Erwerbs, legte in Elbings städtischem Haushalt einen bösen, alten Schaden wiederum bloß, die eigentliche Materia peccans sür das Verhältniß der Stadt zum neuen Landesherrn. Wir sprechen von dem merkwürdigen Territorialstreit, der von 1799 bis 1845 eine unerschöpfliche Quelle bösen Blutes geworden ist und zu einer gewissen Spannung zwischen Elbing und der Staatsregierung wol den ersten Grund gelegt hat. Gleich den übrigen preußischen Städten ward Elbing bald nach seiner Grün¬ dung, schon 1246, mit einem ansehnlichen Besitz von Aeckern und Wäldern vom Orden ausgestattet. Seine Theilnahme an der Erhebung des preußischen Städte¬ bundes gegen die Kreuzritter vermehrte dieses Gebiet um den ganzen Umfang der bisherigen Ordenskomthureiso daß die Stadt beim Abschluß ihres Ver¬ trages mit Kasimir IV. im-Jahre 1437 mit einem Territorium von 9—10 Qua¬ dratmeilen in den polnischen Reichsverband eintrat. Sie erfreute sich dieses stattlichen Besitzes-200 Jahre lang in Ruhe. Dann aber nahmen im Jahre 1657 die Bestrebungen Brandenburgs um Ausbreitung seiner Macht in West¬ preußen eine für Elbing verhängnißvolle Wendung. Der Vertrag zu Brom¬ berg, zwischen dem großen Kurfürsten und Johann Kasimir verpfändete die Stadt für 400,000 Thaler an Brandenburg. Die Pfandsumme wurde im Frieden von Oliva aus 300,000 Thaler reducirt und 1698, also erst 38 Jahre später, erfolgte auf Grund dieses Vertrages die Besetzung Elbings durch preußische Truppen. Polen mochte sich in den Verlust der wichtigen Stadt nicht sofort ergeben. Der Reichstag zu Warschau nahm 1699 die Sache in die Hand. Die Pfandsumme wurde als. polnische Nationalschuld anerkannt, ihre Aufbringung durch eine Steuer beschlossen, und im Vertrage vom 22. De- ' cember 1699 festgesetzt, daß, wenn drei Monate nach der Auflösung des nächsten Reichstages die Zahlung nicht erfolgt sei, der gewöhnliche Nießbrauch des Territoriums von der Krone Polen an Brandenburg übergehen solle. Gleich¬ zeitig wurden polnische Kronjuwelen als weiteres Pfand gegeben. Der schwe¬ dische Krieg hinderte dann natürlich die Zahlung und so nahm Friedrich, im October 1703, das Elbinger Territorium in Beschlag, jedoch mit allen Re- venuen, während der Vertrag ihm nur auf die polnischen landesherrlichen Gefälle Anspruch gewährte. Gleichzeitig verlangte Schweden eine Kriegssteuer von 260,000 Thalern, und da die Stadt 70,000 davon nicht ausbringen konnte, so borgte ihr Brandenburg 30,000 Thaler und erlaubte die Einziehung von 20,000 Thalern an Grundzins aus dem Territorium. Auch jene 30,000 soll

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/411>, abgerufen am 01.10.2024.