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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Treue noch den folgerichtiger, allgemein menschlicher Idealität machen. Der
Geschichtschreiber erscheint uns bald als ein Phantast, bald scheint er. es nur
auf unsre Neugierde abgesehen zu haben. Allein man kann sich doch einer
gewissen Theilnahme an dieser bunten Bilderreihe nicht erwehren. Und auch
, die Episode des großen blutigen Trauerspiels, das unsre Zeit bewegt, hat noch
dramatische Kraft genug, um uns vergessen zu machen, daß sie nur Epi¬
sode ist. --


William Peru oder die Zustände Englands 16" --1718. Aus dem Englischen
frei übertragen von Ernst Bunsen. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1854. --

Der Herausgeber, Sohn des preußischen Gesandten in London, hat bei
der Bearbeitung seines Gegenstandes die Biographie von Diron zum Grunde
gelegt, aber die größeren Werke von Clarkson und Janney dabei benutzt. Er
hat sich bemüht, ein klares, vollständiges und zusammenhängendes Bild zu
geben, das ohne alle äußere Zuthat nur durch seinen Inhalt das lebendige
Interesse des Publicums, in Anspruch nehmen sollte. Im Anhange theilt er
die Widerlegungen mit, welche die Freunde Perus gegen die Anschuldigungen
Macaulays aufgestellt haben. Es scheint daraus hervorzugehen, daß Macaulay
in einigen / und grade den schwersten seiner Anschuldigungen sehr übereilt zu
Werke gegangen ist. Indessen ganz dürfte sich ti.e Stellung Perus zum Hofe
.doch nicht so aufklären lassen, wie man es wünschen möchte. Es ist immer
eine sehr mißliche und zweifelhafte Lage, wenn zufällig zwei Oppositionen, die
von ganz entgegengesetzten Richtungen ausgehen, sich in dem Kampf gegen
den gemeinsamen Gegner zusammenfinden. Die Gründe, aus welchen Jacob II.
für die Religionsfreiheit gegen die herrschende Kirche e-intrat,, waren sehr ver¬
schieden von denen, welche den großen Führer der Quäker bestimmten. Daß
Peru den König nicht ganz durchschaute, lag vielleicht in seinem persönlichen
Pietätsverhältnisse zu ihm, theils aber wollte er es auch wol nicht. Es lag
'in seinem Charakter eine eigenthümliche Mischung von Einfalt und Gewitztheit,
und bieder wie er war und auftrat, konnte er ganz wohl als Bethörter des '
schlauen Fürsten erscheinen, ohne an seiner Heiligkeit etwas einzubüßen.

Das Interesse dieses Buches geht nach zwei Seiten hin: '

Einmal ist es ein sehr interessantes Culturgemälde für das britische Leben'
im 17. Jahrhundert. Daß neben einem sehr,hoch gesteigerten, zum Theil
raffinirten Culturleben .sich in den unteren Schichten des Volkes dunklere
Sympathien regen, daß.das Suchen des ewigen .Heils zu Formen führt, die
einen Conflict zu der herrschenden Gesellschaft hervorrufen, das ist keine un¬
gewöhnliche Erscheinung. Aber daß ein junger sein gebildeter Manir aus den
höchsten Kreisen der Gesellschaft sich dieser schwärmerischen Richtung hingibt,
und nicht nur äußerliche Verfolgungen, sondern auch den Fluch des Lacher-


Treue noch den folgerichtiger, allgemein menschlicher Idealität machen. Der
Geschichtschreiber erscheint uns bald als ein Phantast, bald scheint er. es nur
auf unsre Neugierde abgesehen zu haben. Allein man kann sich doch einer
gewissen Theilnahme an dieser bunten Bilderreihe nicht erwehren. Und auch
, die Episode des großen blutigen Trauerspiels, das unsre Zeit bewegt, hat noch
dramatische Kraft genug, um uns vergessen zu machen, daß sie nur Epi¬
sode ist. —


William Peru oder die Zustände Englands 16« —1718. Aus dem Englischen
frei übertragen von Ernst Bunsen. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1854. —

Der Herausgeber, Sohn des preußischen Gesandten in London, hat bei
der Bearbeitung seines Gegenstandes die Biographie von Diron zum Grunde
gelegt, aber die größeren Werke von Clarkson und Janney dabei benutzt. Er
hat sich bemüht, ein klares, vollständiges und zusammenhängendes Bild zu
geben, das ohne alle äußere Zuthat nur durch seinen Inhalt das lebendige
Interesse des Publicums, in Anspruch nehmen sollte. Im Anhange theilt er
die Widerlegungen mit, welche die Freunde Perus gegen die Anschuldigungen
Macaulays aufgestellt haben. Es scheint daraus hervorzugehen, daß Macaulay
in einigen / und grade den schwersten seiner Anschuldigungen sehr übereilt zu
Werke gegangen ist. Indessen ganz dürfte sich ti.e Stellung Perus zum Hofe
.doch nicht so aufklären lassen, wie man es wünschen möchte. Es ist immer
eine sehr mißliche und zweifelhafte Lage, wenn zufällig zwei Oppositionen, die
von ganz entgegengesetzten Richtungen ausgehen, sich in dem Kampf gegen
den gemeinsamen Gegner zusammenfinden. Die Gründe, aus welchen Jacob II.
für die Religionsfreiheit gegen die herrschende Kirche e-intrat,, waren sehr ver¬
schieden von denen, welche den großen Führer der Quäker bestimmten. Daß
Peru den König nicht ganz durchschaute, lag vielleicht in seinem persönlichen
Pietätsverhältnisse zu ihm, theils aber wollte er es auch wol nicht. Es lag
'in seinem Charakter eine eigenthümliche Mischung von Einfalt und Gewitztheit,
und bieder wie er war und auftrat, konnte er ganz wohl als Bethörter des '
schlauen Fürsten erscheinen, ohne an seiner Heiligkeit etwas einzubüßen.

Das Interesse dieses Buches geht nach zwei Seiten hin: '

Einmal ist es ein sehr interessantes Culturgemälde für das britische Leben'
im 17. Jahrhundert. Daß neben einem sehr,hoch gesteigerten, zum Theil
raffinirten Culturleben .sich in den unteren Schichten des Volkes dunklere
Sympathien regen, daß.das Suchen des ewigen .Heils zu Formen führt, die
einen Conflict zu der herrschenden Gesellschaft hervorrufen, das ist keine un¬
gewöhnliche Erscheinung. Aber daß ein junger sein gebildeter Manir aus den
höchsten Kreisen der Gesellschaft sich dieser schwärmerischen Richtung hingibt,
und nicht nur äußerliche Verfolgungen, sondern auch den Fluch des Lacher-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/389>, abgerufen am 23.07.2024.