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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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in der Ostsee durch die Rußlands, mit ihrer erdrückenden Uebermacht zu Maßregeln
von fraglichen Werthe gemacht würden. Denn es ist .unbestritten, daß eine See¬
macht mehr wie dies bei den Landmächten der Fall ist, die numerische Ueberlegen-
heit'des Gegners zu scheuen hat. Um dies mit einem Beispiel zu belegen, genügt
es, aus den geringen Nutzen hinzuweisen, deu unsre im Jahre 18i9 schon in etwas
vorgeschrittene maritime' Bewehrung bei Gelegenheit des neu ausgebrochenen dä¬
nischen Kriegs gewährt hat. Immer ist eS in die Hand des die Uebermacht
habenden Feindes gegeben, die Häfen des Mindermächtigcn mit einer d.er einge¬
schlossenen überlegenen Streitkraft zu blokiren' und den etwaigen Ueberfluß an
Fahrzeugen zur Vernichtung seines Handels auf offenem Meere zu verwenden, zu¬
mal in Binnengewässern wie die Ostsee. Wenn die Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika scheinbar der überlegenen Seemacht Englands zu widerstehen vermochten,
so liegt dies eben darin begründet, daß in diesem Fall zwischen den beiden krieg¬
führenden Mächten ein weiter Ocean lag, welche die Ueberlegenheit des einen nicht
in dem Maße, wie dies sonst geschehen sein würde, aus den andern wundem ließ,
und daß England zu derselben Zeit Krieg mit Frankreich führte.

Nach der Zerstörung der russischen Seemacht werden aber die Verhältnisse in der
Ostsee für Deutschland, d. h. zunächst für Preußen, ganz anders liegen. Wenn es
als ein vergebliches Bemühen erscheinen konnte, den russischen dreißig > Linienschiffen,
seinen drei baltischen Geschwadern gegenüber nach einem Machtgleichgewicht zu strebe",
so liegt fortan nichts Ungeheuerliches in dem Gedanken, nach Vernichtung der russischen
Seemacht, die Herrschaft in der Ostsee sich zum Ziele zu stecken. Schweden hat zehn,
Dänemark sechs Linienschiffe -- bringen wir es auf elf, so ist die Ostsee preußisches
und insofern deutsches Reichsmeer.

Diese Angelegenheit ist von zu^ großer nationaler Bedeutung, als daß ich nicht
die Hoffnung aussprechen dürste: Sie würden mir erlauben, dieselbe demnächst genauer
und nach allen Seiten hin in Ihren Blättern zu beleuchten.

Kein Moment kann außerdem, von den politischen Constellationen und Machtconsequen-
zen des Kriegs gegen unsern gefürchteten und gehaßten Nachbar ganz abgesehen, für
Neugründung einer Marine geeigneter sein, als eben der gegenwärtige. Nachdem die
Einführung des.Dampfes als Bewcgungsprincip in der Kriegsflotte eine mannigfache
Umgestaltung ihres Materials veranlaßt und mehrfache neue Schiffsclassen entstehen ge¬
macht hat, mangelten dennoch bis noch vor kurzem alle gründlichen militärischen Erfah¬
rungen rücksichtlich deren relativen Werthes. Der nun eröffnete Krieg hat schon begon¬
nen, sie zu geben, und jede neue maritime Action wird sie vervollständigen. Wir
werden, nachdem dieses Jahr zu Ende gegangen, und mit ihm die russische Seemacht,
im Stande sein, für die unsrige ein Material zu schaffen, dessen Vortrefflichkeit von
den neuesten Erfahrungen im Seekriege getragen sein wird. Die Presse hat die Pflicht,
unablässig hierauf hinzuweisen; sie muß, wie vor kurzem noch, im Jahre 18i8, die
Hauptwortsührerin für die große Nationalangelegenheit werden; hoffen wir, daß wenn
sich die Wünsche des deutschen Volkes laut kundgethan, die preußische Regierung zu¬
nächst werkthätig vorangehen wird, um sie im großen Maßstabe zu rcalistrcn! --


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in der Ostsee durch die Rußlands, mit ihrer erdrückenden Uebermacht zu Maßregeln
von fraglichen Werthe gemacht würden. Denn es ist .unbestritten, daß eine See¬
macht mehr wie dies bei den Landmächten der Fall ist, die numerische Ueberlegen-
heit'des Gegners zu scheuen hat. Um dies mit einem Beispiel zu belegen, genügt
es, aus den geringen Nutzen hinzuweisen, deu unsre im Jahre 18i9 schon in etwas
vorgeschrittene maritime' Bewehrung bei Gelegenheit des neu ausgebrochenen dä¬
nischen Kriegs gewährt hat. Immer ist eS in die Hand des die Uebermacht
habenden Feindes gegeben, die Häfen des Mindermächtigcn mit einer d.er einge¬
schlossenen überlegenen Streitkraft zu blokiren' und den etwaigen Ueberfluß an
Fahrzeugen zur Vernichtung seines Handels auf offenem Meere zu verwenden, zu¬
mal in Binnengewässern wie die Ostsee. Wenn die Vereinigten Staaten von Nord¬
amerika scheinbar der überlegenen Seemacht Englands zu widerstehen vermochten,
so liegt dies eben darin begründet, daß in diesem Fall zwischen den beiden krieg¬
führenden Mächten ein weiter Ocean lag, welche die Ueberlegenheit des einen nicht
in dem Maße, wie dies sonst geschehen sein würde, aus den andern wundem ließ,
und daß England zu derselben Zeit Krieg mit Frankreich führte.

Nach der Zerstörung der russischen Seemacht werden aber die Verhältnisse in der
Ostsee für Deutschland, d. h. zunächst für Preußen, ganz anders liegen. Wenn es
als ein vergebliches Bemühen erscheinen konnte, den russischen dreißig > Linienschiffen,
seinen drei baltischen Geschwadern gegenüber nach einem Machtgleichgewicht zu strebe»,
so liegt fortan nichts Ungeheuerliches in dem Gedanken, nach Vernichtung der russischen
Seemacht, die Herrschaft in der Ostsee sich zum Ziele zu stecken. Schweden hat zehn,
Dänemark sechs Linienschiffe — bringen wir es auf elf, so ist die Ostsee preußisches
und insofern deutsches Reichsmeer.

Diese Angelegenheit ist von zu^ großer nationaler Bedeutung, als daß ich nicht
die Hoffnung aussprechen dürste: Sie würden mir erlauben, dieselbe demnächst genauer
und nach allen Seiten hin in Ihren Blättern zu beleuchten.

Kein Moment kann außerdem, von den politischen Constellationen und Machtconsequen-
zen des Kriegs gegen unsern gefürchteten und gehaßten Nachbar ganz abgesehen, für
Neugründung einer Marine geeigneter sein, als eben der gegenwärtige. Nachdem die
Einführung des.Dampfes als Bewcgungsprincip in der Kriegsflotte eine mannigfache
Umgestaltung ihres Materials veranlaßt und mehrfache neue Schiffsclassen entstehen ge¬
macht hat, mangelten dennoch bis noch vor kurzem alle gründlichen militärischen Erfah¬
rungen rücksichtlich deren relativen Werthes. Der nun eröffnete Krieg hat schon begon¬
nen, sie zu geben, und jede neue maritime Action wird sie vervollständigen. Wir
werden, nachdem dieses Jahr zu Ende gegangen, und mit ihm die russische Seemacht,
im Stande sein, für die unsrige ein Material zu schaffen, dessen Vortrefflichkeit von
den neuesten Erfahrungen im Seekriege getragen sein wird. Die Presse hat die Pflicht,
unablässig hierauf hinzuweisen; sie muß, wie vor kurzem noch, im Jahre 18i8, die
Hauptwortsührerin für die große Nationalangelegenheit werden; hoffen wir, daß wenn
sich die Wünsche des deutschen Volkes laut kundgethan, die preußische Regierung zu¬
nächst werkthätig vorangehen wird, um sie im großen Maßstabe zu rcalistrcn! —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/360>, abgerufen am 22.12.2024.