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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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ihres Gemahls: sie fällt in Ohnmacht, er entreißt ihr den Dolch. Es erfolgt
eine Scene des halben Wahnsinns, in der sie vergebens nach einer Waffe
sucht. Endlich gibt das Gebet und die Verzweiflung ihr Kraft. Sie springt
auf und rüttelt mit Gewalt an einem Schilde, über welchem Schwert und
Lanze aufgehängt sind. Das Schwert fällt herunter, sie will sich hineinstürzen.
Da fällt ihr unschuldiges Söhnlein ihr in die Arme. -Das Gefühl trium-
phirt, sie bleibt leben. Wieder eine große Scene hat sie im 3. Acte. Der
Räuber will sie zwingen, sich ihm zu ergeben, sonst soll ihr Sohn vor ihren
Augen sterben. Sie umklammert ihn mit Todesangst und spricht die merk¬
würdigen Worte:


"Fürchte nichts,' mein Sohn! -- Hörst Du nicht? -- es donnert -- ja es donnert
schon -- jetzt gleich wird ein Blitz herabfahren.' -- Gott! Gott ist uns nahe! Fürchte nichts!
Solchen Frevel duldet der Allmächtige nicht! -- Nein! nein! es donnert! -- es wird blitzen!
es muß blitzen!"

Bis dahin ist die Wirkung in der That glänzend, ähnlich wie in der
großen Scene der "Jungfrau von Orleans." Aber nun drängt sich der ratio¬
nalistische Kotzebue vor. Es blitzt nicht, und Johanna erklärt mit schwacher
Stimme ihrem Verführer: "Wohlan, ich folge Euch zum Altar." Glücklicher¬
weise wird inzwischen die Burg angegriffen, der Räuber will eben ihren Ge¬
mahl erschlagen, da stürzt Johanna in glänzender Rüstung mit gezücktem
Schwert und geschlossenem Visir mit lautem Schrei herzu, faßt ihr Schwert
mit beiden Händen und führt aus allen Kräften einen Streich auf des Räu¬
bers Haupt. Der Helm ist gespalten und fällt herab. Durch die Anstrengung
aller Kräfte erschöpft, vermag sie sich kaum zu halten, stützt sich auf ihr Schwert
und holt gewaltsam Athem u. s. w. DaS ist doch in der That die dankbarste
Rolle, die je in der Literatur geschrieben ist, und wenn die andern betheilig¬
ten Personen weniger Glanzpunkte haben, so fehlt es doch auch ihnen nicht
an kräftigen Effecten. Ritter aller Arten, Eremiten, Kinder, Edelfräulein als
Gärtnerin, unterirdische Verließe u. s. w. -- diese ganze Maschinerie wird
auf das wirksamste verwendet. --- Sehr interessant ist in diesem Stück auch
die Sprache. Sie strotzt von Sentenzen, die gleich Fangbällen von der einen
Person zur andern geworfen werden. Diese manierirten und doch trivialen
Sentenzen scheinen vorzugsweise dazu bestimmt zu sein, den Geist des Mittel¬
alters zu schildern.*)



*) So sagt z. B. ein Ritter , den man darüber tadelt, daß er, seine Burg nicht einmal
des Nachts verschließt:" "Mein Herz steht,.jedem Menschen offen, warum nicht auch meine Burg? -- Ein an¬
deres Gespräch zwischen einem jn,ngen Ritter wollen wir hier ganz ausschreiben: "Die wahre
Liebe kann der Pflicht entbehren. -- Wirst Du immer so denken? -- Immer so fühlen.
Wenn ich alt werde -- Die Liebe wird nicht alt. -- Oder häßlich ^ Dein Auge^ bleibt der
Abdruck Deiner Seele. -- Meine Armuth -- Dein Herz ist reich. -- Meine Niedrigkeit --

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ihres Gemahls: sie fällt in Ohnmacht, er entreißt ihr den Dolch. Es erfolgt
eine Scene des halben Wahnsinns, in der sie vergebens nach einer Waffe
sucht. Endlich gibt das Gebet und die Verzweiflung ihr Kraft. Sie springt
auf und rüttelt mit Gewalt an einem Schilde, über welchem Schwert und
Lanze aufgehängt sind. Das Schwert fällt herunter, sie will sich hineinstürzen.
Da fällt ihr unschuldiges Söhnlein ihr in die Arme. -Das Gefühl trium-
phirt, sie bleibt leben. Wieder eine große Scene hat sie im 3. Acte. Der
Räuber will sie zwingen, sich ihm zu ergeben, sonst soll ihr Sohn vor ihren
Augen sterben. Sie umklammert ihn mit Todesangst und spricht die merk¬
würdigen Worte:


„Fürchte nichts,' mein Sohn! — Hörst Du nicht? — es donnert — ja es donnert
schon — jetzt gleich wird ein Blitz herabfahren.' — Gott! Gott ist uns nahe! Fürchte nichts!
Solchen Frevel duldet der Allmächtige nicht! — Nein! nein! es donnert! — es wird blitzen!
es muß blitzen!"

Bis dahin ist die Wirkung in der That glänzend, ähnlich wie in der
großen Scene der „Jungfrau von Orleans." Aber nun drängt sich der ratio¬
nalistische Kotzebue vor. Es blitzt nicht, und Johanna erklärt mit schwacher
Stimme ihrem Verführer: „Wohlan, ich folge Euch zum Altar." Glücklicher¬
weise wird inzwischen die Burg angegriffen, der Räuber will eben ihren Ge¬
mahl erschlagen, da stürzt Johanna in glänzender Rüstung mit gezücktem
Schwert und geschlossenem Visir mit lautem Schrei herzu, faßt ihr Schwert
mit beiden Händen und führt aus allen Kräften einen Streich auf des Räu¬
bers Haupt. Der Helm ist gespalten und fällt herab. Durch die Anstrengung
aller Kräfte erschöpft, vermag sie sich kaum zu halten, stützt sich auf ihr Schwert
und holt gewaltsam Athem u. s. w. DaS ist doch in der That die dankbarste
Rolle, die je in der Literatur geschrieben ist, und wenn die andern betheilig¬
ten Personen weniger Glanzpunkte haben, so fehlt es doch auch ihnen nicht
an kräftigen Effecten. Ritter aller Arten, Eremiten, Kinder, Edelfräulein als
Gärtnerin, unterirdische Verließe u. s. w. — diese ganze Maschinerie wird
auf das wirksamste verwendet. -— Sehr interessant ist in diesem Stück auch
die Sprache. Sie strotzt von Sentenzen, die gleich Fangbällen von der einen
Person zur andern geworfen werden. Diese manierirten und doch trivialen
Sentenzen scheinen vorzugsweise dazu bestimmt zu sein, den Geist des Mittel¬
alters zu schildern.*)



*) So sagt z. B. ein Ritter , den man darüber tadelt, daß er, seine Burg nicht einmal
des Nachts verschließt:" „Mein Herz steht,.jedem Menschen offen, warum nicht auch meine Burg? — Ein an¬
deres Gespräch zwischen einem jn,ngen Ritter wollen wir hier ganz ausschreiben: „Die wahre
Liebe kann der Pflicht entbehren. — Wirst Du immer so denken? — Immer so fühlen.
Wenn ich alt werde — Die Liebe wird nicht alt. — Oder häßlich ^ Dein Auge^ bleibt der
Abdruck Deiner Seele. — Meine Armuth — Dein Herz ist reich. — Meine Niedrigkeit —
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[0344] «^'--^-'«-.-»> --H^--^...'-«^..-'r- « ihres Gemahls: sie fällt in Ohnmacht, er entreißt ihr den Dolch. Es erfolgt eine Scene des halben Wahnsinns, in der sie vergebens nach einer Waffe sucht. Endlich gibt das Gebet und die Verzweiflung ihr Kraft. Sie springt auf und rüttelt mit Gewalt an einem Schilde, über welchem Schwert und Lanze aufgehängt sind. Das Schwert fällt herunter, sie will sich hineinstürzen. Da fällt ihr unschuldiges Söhnlein ihr in die Arme. -Das Gefühl trium- phirt, sie bleibt leben. Wieder eine große Scene hat sie im 3. Acte. Der Räuber will sie zwingen, sich ihm zu ergeben, sonst soll ihr Sohn vor ihren Augen sterben. Sie umklammert ihn mit Todesangst und spricht die merk¬ würdigen Worte: „Fürchte nichts,' mein Sohn! — Hörst Du nicht? — es donnert — ja es donnert schon — jetzt gleich wird ein Blitz herabfahren.' — Gott! Gott ist uns nahe! Fürchte nichts! Solchen Frevel duldet der Allmächtige nicht! — Nein! nein! es donnert! — es wird blitzen! es muß blitzen!" Bis dahin ist die Wirkung in der That glänzend, ähnlich wie in der großen Scene der „Jungfrau von Orleans." Aber nun drängt sich der ratio¬ nalistische Kotzebue vor. Es blitzt nicht, und Johanna erklärt mit schwacher Stimme ihrem Verführer: „Wohlan, ich folge Euch zum Altar." Glücklicher¬ weise wird inzwischen die Burg angegriffen, der Räuber will eben ihren Ge¬ mahl erschlagen, da stürzt Johanna in glänzender Rüstung mit gezücktem Schwert und geschlossenem Visir mit lautem Schrei herzu, faßt ihr Schwert mit beiden Händen und führt aus allen Kräften einen Streich auf des Räu¬ bers Haupt. Der Helm ist gespalten und fällt herab. Durch die Anstrengung aller Kräfte erschöpft, vermag sie sich kaum zu halten, stützt sich auf ihr Schwert und holt gewaltsam Athem u. s. w. DaS ist doch in der That die dankbarste Rolle, die je in der Literatur geschrieben ist, und wenn die andern betheilig¬ ten Personen weniger Glanzpunkte haben, so fehlt es doch auch ihnen nicht an kräftigen Effecten. Ritter aller Arten, Eremiten, Kinder, Edelfräulein als Gärtnerin, unterirdische Verließe u. s. w. — diese ganze Maschinerie wird auf das wirksamste verwendet. -— Sehr interessant ist in diesem Stück auch die Sprache. Sie strotzt von Sentenzen, die gleich Fangbällen von der einen Person zur andern geworfen werden. Diese manierirten und doch trivialen Sentenzen scheinen vorzugsweise dazu bestimmt zu sein, den Geist des Mittel¬ alters zu schildern.*) *) So sagt z. B. ein Ritter , den man darüber tadelt, daß er, seine Burg nicht einmal des Nachts verschließt:" „Mein Herz steht,.jedem Menschen offen, warum nicht auch meine Burg? — Ein an¬ deres Gespräch zwischen einem jn,ngen Ritter wollen wir hier ganz ausschreiben: „Die wahre Liebe kann der Pflicht entbehren. — Wirst Du immer so denken? — Immer so fühlen. Wenn ich alt werde — Die Liebe wird nicht alt. — Oder häßlich ^ Dein Auge^ bleibt der Abdruck Deiner Seele. — Meine Armuth — Dein Herz ist reich. — Meine Niedrigkeit —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/343>, abgerufen am 23.07.2024.