Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.Gebilden wirken zu lasst", beschreibt seine Stimmung in der letzten Scene Nachdem diese beiden vollkommenen Wesen eine halbe Stunde sich gegen¬ In demselben Jahre erschienen die Indianer in England, ein Stück, In der-Sonnenjungfrau (1789) ist Guru nach Peru versetzt; sie heißt Gebilden wirken zu lasst», beschreibt seine Stimmung in der letzten Scene Nachdem diese beiden vollkommenen Wesen eine halbe Stunde sich gegen¬ In demselben Jahre erschienen die Indianer in England, ein Stück, In der-Sonnenjungfrau (1789) ist Guru nach Peru versetzt; sie heißt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0333" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98113"/> <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> Gebilden wirken zu lasst», beschreibt seine Stimmung in der letzten Scene<lb/> «nicht rauh und nicht sanft, nicht fest und nicht weich, sondern zwischen alle<lb/> diesem schwankend."</p><lb/> <p xml:id="ID_1046"> Nachdem diese beiden vollkommenen Wesen eine halbe Stunde sich gegen¬<lb/> übergestanden, werden endlich die Kinder herbeigerufen, um die Rührung zu<lb/> vollenden. Dieser Stimme der Natur kann der edle Menschenfeind nicht<lb/> widerstehen, er schließt die Wiedergefundene verzeihend in seine Arme. — Zum<lb/> Ueberfluß hat Kotzebue später noch ein Nachspiel hinzugefügt: „die edle Lüge."<lb/> Der edle Mairan fühlt in der neuen Ehe, daß seine Gattin noch immer von<lb/> einem gewissen Schuldbewußtsein niedergedrückt wird. Um ihr dieses zu erleich--<lb/> tern, stellt er sich so, als sei er ihr auch untreu gewesen. Die edle Lüge wird<lb/> entdeckt und die Tugend geht nun in völlige Verklärung über. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1047"> In demselben Jahre erschienen die Indianer in England, ein Stück,<lb/> in welchem sich die Stimme der Natur von einer andern Seite her vernehmen<lb/> ließ. Diesmal ist es die berühmte Guru, das Kind der Unschuld und der<lb/> Natur, die jedem fremden Herrn, der ihr gefällt, um den Hals fällt, ihn küßt<lb/> und ihm erklärt, sie wolle ihn heirathen; die fortwährend hin- und herhüpst,<lb/> sich vor den Spiegel stellt und Grimassen schneidet und übrigens von der Tu¬<lb/> gend ziemlich hohe Begriffe hat. Dieses närrische Aeffchen, dessen Heirathslust<lb/> sich zuletzt auf sämmtliche Hunde und Katzen erstreckt, ist geborne Prinzessin<lb/> von Mysore. Es ist wol der sonderbarste Einfall, den je ein Dichter gehabt<lb/> hat, die conventionelle europäische Sittlichkeit durch das Braminenthum wider¬<lb/> legen zu wollen; denn die sämmtlichen Söhne und Neffen Bramas, die dies<lb/> himmlische Wesen begleiten, sind auf eine ähnliche Weise von Unschuld und<lb/> Natur durchdrungen. Diese freche Verleugnung der angebornen weiblichen<lb/> Scham würde in Asten wenigstens ebenso großes Staunen erregen, als in Europa.</p><lb/> <p xml:id="ID_1048" next="#ID_1049"> In der-Sonnenjungfrau (1789) ist Guru nach Peru versetzt; sie heißt<lb/> „Kora" und gehört zu einem Orden von Vestalen, den das tugendhafte, fromme<lb/> Volk der Peruaner eingerichtet hat. Sonst pflegt bei einem solchen Orden<lb/> den keuschen Jungfrauen in der frühesten Zeit eingeprägt zu werden, daß<lb/> Keuschheit ihre Hauptpflicht ist und'daß'es kein größeres Verbrechen gibt, als<lb/> Umgang mit Männern. Kora scheint'aber eine solche Erziehung nicht genossen<lb/> zu haben; sie erzählt in der liebenswürdigsten Unschuld der Oberpriesterin, daß<lb/> sie Mutter ist, und geräth in das größte Erstaunen, als die würdige Matrone<lb/> darüber in Wuth ausbricht. Freilich wird- das mütterliche Ansehen dieser Prie¬<lb/> sterin dadurch etwas abgestumpft, daß sie kurz vorher mit einer ganzen Reihe klei¬<lb/> ner Bibis, Lulus und Tutus, d. h'. kleiner Papagaien schön thut, ihnen schnalzt und<lb/> klatscht u. s. w. Uebrigens wimmelt der Orden von kleinen Gurlis. Da ist z. B.<lb/> eine Amazilli und eitle.Jtali (warum nicht Mimili), die der ersten Mannsperson,<lb/> die ihnen entgegenkommt, sofort um den Hals springen, ihnen die Backen strei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0333]
Gebilden wirken zu lasst», beschreibt seine Stimmung in der letzten Scene
«nicht rauh und nicht sanft, nicht fest und nicht weich, sondern zwischen alle
diesem schwankend."
Nachdem diese beiden vollkommenen Wesen eine halbe Stunde sich gegen¬
übergestanden, werden endlich die Kinder herbeigerufen, um die Rührung zu
vollenden. Dieser Stimme der Natur kann der edle Menschenfeind nicht
widerstehen, er schließt die Wiedergefundene verzeihend in seine Arme. — Zum
Ueberfluß hat Kotzebue später noch ein Nachspiel hinzugefügt: „die edle Lüge."
Der edle Mairan fühlt in der neuen Ehe, daß seine Gattin noch immer von
einem gewissen Schuldbewußtsein niedergedrückt wird. Um ihr dieses zu erleich--
tern, stellt er sich so, als sei er ihr auch untreu gewesen. Die edle Lüge wird
entdeckt und die Tugend geht nun in völlige Verklärung über. —
In demselben Jahre erschienen die Indianer in England, ein Stück,
in welchem sich die Stimme der Natur von einer andern Seite her vernehmen
ließ. Diesmal ist es die berühmte Guru, das Kind der Unschuld und der
Natur, die jedem fremden Herrn, der ihr gefällt, um den Hals fällt, ihn küßt
und ihm erklärt, sie wolle ihn heirathen; die fortwährend hin- und herhüpst,
sich vor den Spiegel stellt und Grimassen schneidet und übrigens von der Tu¬
gend ziemlich hohe Begriffe hat. Dieses närrische Aeffchen, dessen Heirathslust
sich zuletzt auf sämmtliche Hunde und Katzen erstreckt, ist geborne Prinzessin
von Mysore. Es ist wol der sonderbarste Einfall, den je ein Dichter gehabt
hat, die conventionelle europäische Sittlichkeit durch das Braminenthum wider¬
legen zu wollen; denn die sämmtlichen Söhne und Neffen Bramas, die dies
himmlische Wesen begleiten, sind auf eine ähnliche Weise von Unschuld und
Natur durchdrungen. Diese freche Verleugnung der angebornen weiblichen
Scham würde in Asten wenigstens ebenso großes Staunen erregen, als in Europa.
In der-Sonnenjungfrau (1789) ist Guru nach Peru versetzt; sie heißt
„Kora" und gehört zu einem Orden von Vestalen, den das tugendhafte, fromme
Volk der Peruaner eingerichtet hat. Sonst pflegt bei einem solchen Orden
den keuschen Jungfrauen in der frühesten Zeit eingeprägt zu werden, daß
Keuschheit ihre Hauptpflicht ist und'daß'es kein größeres Verbrechen gibt, als
Umgang mit Männern. Kora scheint'aber eine solche Erziehung nicht genossen
zu haben; sie erzählt in der liebenswürdigsten Unschuld der Oberpriesterin, daß
sie Mutter ist, und geräth in das größte Erstaunen, als die würdige Matrone
darüber in Wuth ausbricht. Freilich wird- das mütterliche Ansehen dieser Prie¬
sterin dadurch etwas abgestumpft, daß sie kurz vorher mit einer ganzen Reihe klei¬
ner Bibis, Lulus und Tutus, d. h'. kleiner Papagaien schön thut, ihnen schnalzt und
klatscht u. s. w. Uebrigens wimmelt der Orden von kleinen Gurlis. Da ist z. B.
eine Amazilli und eitle.Jtali (warum nicht Mimili), die der ersten Mannsperson,
die ihnen entgegenkommt, sofort um den Hals springen, ihnen die Backen strei-
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