Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der. Sein Austreten zu Stambul, bei der Rückkehr dahin, war das eines
Dictators. Man hat von Seiten seiner diplomatischen Kollegen ihm diese
Haltung vielfach verdacht; der Großherr aber hat es ihm Dank gewußt, daß
er, in einer Zeit des Schwankens und wo die türkische Politik vor allem um
feste Stützpunkte verlegen war, seinem Ministerium einen solchen geboten hat.
In dieser Hinsicht wirkte seine hiesige Anwesenheit wie eine moralische Basis. --


Weiter spricht sich unser Correspondent über die allgemeinen Verhältnisse aus; crins diese '
Beiuerknngcu glauben wir unsern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen. --

Wenn der verstorbene preußische General Karl von Clausewitz in dem
bedeutungsvollsten seiner vielbewunderten Werke ("vom Kriege", drei Bände.
Berlin, Dümmler) den Ausspruch thut: der Krieg sei eine Fortsetzung
der Politik mit andern Mitteln, so hat er damit den präcisen Ausdruck
für ein Verhältniß gefunden, welches vor ihm ohne Zweifel schon längst und
auf das klarste begriffen war. Indem ein Staat internationale Fragen der
Entscheidung der Waffen überantwortet, Hort er damit keineswegs auf, denselben
allgemeinen, politischen Zielen zuzustreben, deren Erreichung er vordem für wün¬
schenswert!) oder nothwendig erachtet hat. Wäre es anders, so würden die
beklagenswerthen Konsequenzen, welche der Krieg allemal mit sich führt, von
noch weit destructiverer Art sein. Er ließe die Staaten vor dem Friedens¬
schlüsse mit ihrer eignen Vergangenheit zerfallen, ohne System, ohne Anhalt,
ohne Programm für die Zukunft.

Was Frankreich und England anlangt, fo sind sie ohne Zweifel noch weit
mehr als andere Mächte'es an ihrer Stelle sein dürsten, auf die strenge Bei-.
beHaltung ihrer seither innegehaltenen Politik hingewiesen, und zwar darum,
weil es weit ernstere'Bedenken hat, einen großen Staat aus der eingeschla¬
genen Bahn in eine andere überzuführen, als einen kleinen. Dieser Umstand
aber gibt die Möglichkeit in die Hand, den Weg, welchen beide Mächte dem¬
nächst nehmen werden, zu ermitteln, d. h. ihre Kriegspolitik^ gegenüber Ru߬
land, den allgemeinen Umrissen nach, zu bestimmen.

Als England im Jahre 1793 den großen Krieg gegen Frankreich eröffnete,
welcher erst nach länger als zwanzig Jahren enden sollte, geschah es unter
Umstünden, welche die ganze Kraftzusammennahme des Landes erforderten; und
andrerseits befand sich Frankreich, Großbritannien und den alliirten deutschen
Mächten gegenüber, in ganz der nämlichen Lage. Gegner, deren Gebiete un¬
mittelbar aneinandergrenzen, oder von denen die Küsten des einen im Seh¬
bereich der Küsten des andern liegen, engagiren sich niemals zu einem ernsten
Kampfe, ohne daß beiderseits die Existenz auf dem Spiele steht, also auch die
aufgewendeten Mittel dem ganzen Werthe des Einsatzes mindestens annähernd
entsprächen.

Dagegen waltet in dem gegenwärtigen Kriege der Westmachte wider Nuß-


der. Sein Austreten zu Stambul, bei der Rückkehr dahin, war das eines
Dictators. Man hat von Seiten seiner diplomatischen Kollegen ihm diese
Haltung vielfach verdacht; der Großherr aber hat es ihm Dank gewußt, daß
er, in einer Zeit des Schwankens und wo die türkische Politik vor allem um
feste Stützpunkte verlegen war, seinem Ministerium einen solchen geboten hat.
In dieser Hinsicht wirkte seine hiesige Anwesenheit wie eine moralische Basis. —


Weiter spricht sich unser Correspondent über die allgemeinen Verhältnisse aus; crins diese '
Beiuerknngcu glauben wir unsern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen. —

Wenn der verstorbene preußische General Karl von Clausewitz in dem
bedeutungsvollsten seiner vielbewunderten Werke („vom Kriege", drei Bände.
Berlin, Dümmler) den Ausspruch thut: der Krieg sei eine Fortsetzung
der Politik mit andern Mitteln, so hat er damit den präcisen Ausdruck
für ein Verhältniß gefunden, welches vor ihm ohne Zweifel schon längst und
auf das klarste begriffen war. Indem ein Staat internationale Fragen der
Entscheidung der Waffen überantwortet, Hort er damit keineswegs auf, denselben
allgemeinen, politischen Zielen zuzustreben, deren Erreichung er vordem für wün¬
schenswert!) oder nothwendig erachtet hat. Wäre es anders, so würden die
beklagenswerthen Konsequenzen, welche der Krieg allemal mit sich führt, von
noch weit destructiverer Art sein. Er ließe die Staaten vor dem Friedens¬
schlüsse mit ihrer eignen Vergangenheit zerfallen, ohne System, ohne Anhalt,
ohne Programm für die Zukunft.

Was Frankreich und England anlangt, fo sind sie ohne Zweifel noch weit
mehr als andere Mächte'es an ihrer Stelle sein dürsten, auf die strenge Bei-.
beHaltung ihrer seither innegehaltenen Politik hingewiesen, und zwar darum,
weil es weit ernstere'Bedenken hat, einen großen Staat aus der eingeschla¬
genen Bahn in eine andere überzuführen, als einen kleinen. Dieser Umstand
aber gibt die Möglichkeit in die Hand, den Weg, welchen beide Mächte dem¬
nächst nehmen werden, zu ermitteln, d. h. ihre Kriegspolitik^ gegenüber Ru߬
land, den allgemeinen Umrissen nach, zu bestimmen.

Als England im Jahre 1793 den großen Krieg gegen Frankreich eröffnete,
welcher erst nach länger als zwanzig Jahren enden sollte, geschah es unter
Umstünden, welche die ganze Kraftzusammennahme des Landes erforderten; und
andrerseits befand sich Frankreich, Großbritannien und den alliirten deutschen
Mächten gegenüber, in ganz der nämlichen Lage. Gegner, deren Gebiete un¬
mittelbar aneinandergrenzen, oder von denen die Küsten des einen im Seh¬
bereich der Küsten des andern liegen, engagiren sich niemals zu einem ernsten
Kampfe, ohne daß beiderseits die Existenz auf dem Spiele steht, also auch die
aufgewendeten Mittel dem ganzen Werthe des Einsatzes mindestens annähernd
entsprächen.

Dagegen waltet in dem gegenwärtigen Kriege der Westmachte wider Nuß-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98094"/>
          <p xml:id="ID_982" prev="#ID_981"> der.  Sein Austreten zu Stambul, bei der Rückkehr dahin, war das eines<lb/>
Dictators.  Man hat von Seiten seiner diplomatischen Kollegen ihm diese<lb/>
Haltung vielfach verdacht; der Großherr aber hat es ihm Dank gewußt, daß<lb/>
er, in einer Zeit des Schwankens und wo die türkische Politik vor allem um<lb/>
feste Stützpunkte verlegen war, seinem Ministerium einen solchen geboten hat.<lb/>
In dieser Hinsicht wirkte seine hiesige Anwesenheit wie eine moralische Basis. &#x2014;</p><lb/>
          <quote> Weiter spricht sich unser Correspondent über die allgemeinen Verhältnisse aus; crins diese '<lb/>
Beiuerknngcu glauben wir unsern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen. &#x2014;</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_983"> Wenn der verstorbene preußische General Karl von Clausewitz in dem<lb/>
bedeutungsvollsten seiner vielbewunderten Werke (&#x201E;vom Kriege", drei Bände.<lb/>
Berlin, Dümmler) den Ausspruch thut: der Krieg sei eine Fortsetzung<lb/>
der Politik mit andern Mitteln, so hat er damit den präcisen Ausdruck<lb/>
für ein Verhältniß gefunden, welches vor ihm ohne Zweifel schon längst und<lb/>
auf das klarste begriffen war. Indem ein Staat internationale Fragen der<lb/>
Entscheidung der Waffen überantwortet, Hort er damit keineswegs auf, denselben<lb/>
allgemeinen, politischen Zielen zuzustreben, deren Erreichung er vordem für wün¬<lb/>
schenswert!) oder nothwendig erachtet hat. Wäre es anders, so würden die<lb/>
beklagenswerthen Konsequenzen, welche der Krieg allemal mit sich führt, von<lb/>
noch weit destructiverer Art sein. Er ließe die Staaten vor dem Friedens¬<lb/>
schlüsse mit ihrer eignen Vergangenheit zerfallen, ohne System, ohne Anhalt,<lb/>
ohne Programm für die Zukunft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_984"> Was Frankreich und England anlangt, fo sind sie ohne Zweifel noch weit<lb/>
mehr als andere Mächte'es an ihrer Stelle sein dürsten, auf die strenge Bei-.<lb/>
beHaltung ihrer seither innegehaltenen Politik hingewiesen, und zwar darum,<lb/>
weil es weit ernstere'Bedenken hat, einen großen Staat aus der eingeschla¬<lb/>
genen Bahn in eine andere überzuführen, als einen kleinen. Dieser Umstand<lb/>
aber gibt die Möglichkeit in die Hand, den Weg, welchen beide Mächte dem¬<lb/>
nächst nehmen werden, zu ermitteln, d. h. ihre Kriegspolitik^ gegenüber Ru߬<lb/>
land, den allgemeinen Umrissen nach, zu bestimmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_985"> Als England im Jahre 1793 den großen Krieg gegen Frankreich eröffnete,<lb/>
welcher erst nach länger als zwanzig Jahren enden sollte, geschah es unter<lb/>
Umstünden, welche die ganze Kraftzusammennahme des Landes erforderten; und<lb/>
andrerseits befand sich Frankreich, Großbritannien und den alliirten deutschen<lb/>
Mächten gegenüber, in ganz der nämlichen Lage. Gegner, deren Gebiete un¬<lb/>
mittelbar aneinandergrenzen, oder von denen die Küsten des einen im Seh¬<lb/>
bereich der Küsten des andern liegen, engagiren sich niemals zu einem ernsten<lb/>
Kampfe, ohne daß beiderseits die Existenz auf dem Spiele steht, also auch die<lb/>
aufgewendeten Mittel dem ganzen Werthe des Einsatzes mindestens annähernd<lb/>
entsprächen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_986" next="#ID_987"> Dagegen waltet in dem gegenwärtigen Kriege der Westmachte wider Nuß-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0314] der. Sein Austreten zu Stambul, bei der Rückkehr dahin, war das eines Dictators. Man hat von Seiten seiner diplomatischen Kollegen ihm diese Haltung vielfach verdacht; der Großherr aber hat es ihm Dank gewußt, daß er, in einer Zeit des Schwankens und wo die türkische Politik vor allem um feste Stützpunkte verlegen war, seinem Ministerium einen solchen geboten hat. In dieser Hinsicht wirkte seine hiesige Anwesenheit wie eine moralische Basis. — Weiter spricht sich unser Correspondent über die allgemeinen Verhältnisse aus; crins diese ' Beiuerknngcu glauben wir unsern Lesern nicht vorenthalten zu dürfen. — Wenn der verstorbene preußische General Karl von Clausewitz in dem bedeutungsvollsten seiner vielbewunderten Werke („vom Kriege", drei Bände. Berlin, Dümmler) den Ausspruch thut: der Krieg sei eine Fortsetzung der Politik mit andern Mitteln, so hat er damit den präcisen Ausdruck für ein Verhältniß gefunden, welches vor ihm ohne Zweifel schon längst und auf das klarste begriffen war. Indem ein Staat internationale Fragen der Entscheidung der Waffen überantwortet, Hort er damit keineswegs auf, denselben allgemeinen, politischen Zielen zuzustreben, deren Erreichung er vordem für wün¬ schenswert!) oder nothwendig erachtet hat. Wäre es anders, so würden die beklagenswerthen Konsequenzen, welche der Krieg allemal mit sich führt, von noch weit destructiverer Art sein. Er ließe die Staaten vor dem Friedens¬ schlüsse mit ihrer eignen Vergangenheit zerfallen, ohne System, ohne Anhalt, ohne Programm für die Zukunft. Was Frankreich und England anlangt, fo sind sie ohne Zweifel noch weit mehr als andere Mächte'es an ihrer Stelle sein dürsten, auf die strenge Bei-. beHaltung ihrer seither innegehaltenen Politik hingewiesen, und zwar darum, weil es weit ernstere'Bedenken hat, einen großen Staat aus der eingeschla¬ genen Bahn in eine andere überzuführen, als einen kleinen. Dieser Umstand aber gibt die Möglichkeit in die Hand, den Weg, welchen beide Mächte dem¬ nächst nehmen werden, zu ermitteln, d. h. ihre Kriegspolitik^ gegenüber Ru߬ land, den allgemeinen Umrissen nach, zu bestimmen. Als England im Jahre 1793 den großen Krieg gegen Frankreich eröffnete, welcher erst nach länger als zwanzig Jahren enden sollte, geschah es unter Umstünden, welche die ganze Kraftzusammennahme des Landes erforderten; und andrerseits befand sich Frankreich, Großbritannien und den alliirten deutschen Mächten gegenüber, in ganz der nämlichen Lage. Gegner, deren Gebiete un¬ mittelbar aneinandergrenzen, oder von denen die Küsten des einen im Seh¬ bereich der Küsten des andern liegen, engagiren sich niemals zu einem ernsten Kampfe, ohne daß beiderseits die Existenz auf dem Spiele steht, also auch die aufgewendeten Mittel dem ganzen Werthe des Einsatzes mindestens annähernd entsprächen. Dagegen waltet in dem gegenwärtigen Kriege der Westmachte wider Nuß-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/313>, abgerufen am 22.12.2024.