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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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ist so zu sagen in sein Fleisch und Blut übergegangen; eine Kraft, welche ruht,
wenn das Volk ruhig ist und expansiv wird, wenn es in Bewegung geraes. Der
Nüsse, in welchem die Gesetze seines Landes das Gefühl einer bevorzugten Stellung
unter den Völkern, welche nicht gleich ihm anf dem Wege des Heils wandeln,
unaufhörlich rege erhalten, gibt sich diesem Gefühle mit um so größerer Begeisterung
hin, als das Thun und Treiben seines Alltagslebens durchaus nicht -geeignet ist,
ihn von dieser Gemüthsrichtung abzulenken. Er lebt in einer vollständigen
Absonderung; ihn umgibt kein bewegtes gesellschaftliches Leben, welches sei¬
nen Geist beschäftigen könnte; er führt ein ruhiges, einfaches, eintöniges
und dabei arbeitsames Leben; aber seine Arbeit bewegt sich täglich in demselben
Kreise und führt ihn um nichts weiter. Seine Religion gewährt ihm einerseits
die Gewißheit seines Seelenheils, während sie zugleich andererseits Grund zum
Stolze für ihn wird. Sein Cultus ist der einzige Gegenstand, der sein Gemüth
zu erregen im Staude ist. Wie sollte Kiese Erregung nicht seine Einbildungskraft
in Flammen setzen?. Und wenn noch überdies die Erregung sich an die Erinnerung
des Natioualruhmcs knüpft; wenn seine wiederholt erfochtenen Siege über den
Feind seines Glaubens ihm als das Ergebniß einer Sendung erscheinen, welche
er zu vollführen habe, und wenn er steht, wie dieser Feind sich seit langer Zeit
rüstet, um wieder zu den Waffen zu greifen: glaubt man, daß ein solches Volk
erst auf einen Befehl warte, um z" fühlen?"

Nach dieser durchaus treffenden Auseinandersetzung erwartet man doch un-
bedingt, daß der Verfasser einen allgemeinen Kreuzzug gegen Rußland predigen
wird. Denn dieser nationale Koloß, von einem mächtigen ErobernngSdrange be¬
seelt, würde für ganz Europa verderblich werden, wenn es ihm gelänge, sich
dnrch die homogenen Elemente in Griechenland zu verstärken und eine Position
zu.gewinnen, die in der ganzen Welt nicht ihres gleichen hat. Die neuesten Ent¬
hüllungen haben uus gezeigt, was für Opfer der Kaiser zu bringen bereit ist,
um diese Stellung wirklich einzunehmen. Er hat den Engländer" sogar ZlegYPten
und Candia angeboten, wenn sie ihn ans dieser Seite gewähren lassen. -- Unter
diesen Umstände" ist man'also nicht wenig überrascht, daß Herr v. Ficqnelmont
plötzlich zu dem Resultate kommt, das schwarze Meer solle für den Krieg ge¬
schlossen sein, aber der Handelsflagge aller Nationen ohne Unterschied offen stehen.
Nußland sei dnrch seine Lage gegen einen Krieg ziemlich gesichert, aber nicht gegen
eine friedliche Concurrenz; die Engländer hätten-also ein Verbrechen an der
ganzen Menschheit begangen, daß sie es zum Kriege kommen lassen. -- Wenn
Herr Elihu Burne oder ein anderer Quäker dergleichen Orakel ausspräche, so
würde man sich darüber nicht verwundern. Was sich aber ein wirklicher Staatsmann
dabei denkt, ist schwer zu begreifen. Rußland schickt seine Armeen in die Donau-
fürstenthümer, es spricht in den geheimen Verhandlungen über die Eventualität
eiuer Besetzung Konstantinopels. Wie soll mau diesem Unternehmen dnrch fried-


ist so zu sagen in sein Fleisch und Blut übergegangen; eine Kraft, welche ruht,
wenn das Volk ruhig ist und expansiv wird, wenn es in Bewegung geraes. Der
Nüsse, in welchem die Gesetze seines Landes das Gefühl einer bevorzugten Stellung
unter den Völkern, welche nicht gleich ihm anf dem Wege des Heils wandeln,
unaufhörlich rege erhalten, gibt sich diesem Gefühle mit um so größerer Begeisterung
hin, als das Thun und Treiben seines Alltagslebens durchaus nicht -geeignet ist,
ihn von dieser Gemüthsrichtung abzulenken. Er lebt in einer vollständigen
Absonderung; ihn umgibt kein bewegtes gesellschaftliches Leben, welches sei¬
nen Geist beschäftigen könnte; er führt ein ruhiges, einfaches, eintöniges
und dabei arbeitsames Leben; aber seine Arbeit bewegt sich täglich in demselben
Kreise und führt ihn um nichts weiter. Seine Religion gewährt ihm einerseits
die Gewißheit seines Seelenheils, während sie zugleich andererseits Grund zum
Stolze für ihn wird. Sein Cultus ist der einzige Gegenstand, der sein Gemüth
zu erregen im Staude ist. Wie sollte Kiese Erregung nicht seine Einbildungskraft
in Flammen setzen?. Und wenn noch überdies die Erregung sich an die Erinnerung
des Natioualruhmcs knüpft; wenn seine wiederholt erfochtenen Siege über den
Feind seines Glaubens ihm als das Ergebniß einer Sendung erscheinen, welche
er zu vollführen habe, und wenn er steht, wie dieser Feind sich seit langer Zeit
rüstet, um wieder zu den Waffen zu greifen: glaubt man, daß ein solches Volk
erst auf einen Befehl warte, um z» fühlen?"

Nach dieser durchaus treffenden Auseinandersetzung erwartet man doch un-
bedingt, daß der Verfasser einen allgemeinen Kreuzzug gegen Rußland predigen
wird. Denn dieser nationale Koloß, von einem mächtigen ErobernngSdrange be¬
seelt, würde für ganz Europa verderblich werden, wenn es ihm gelänge, sich
dnrch die homogenen Elemente in Griechenland zu verstärken und eine Position
zu.gewinnen, die in der ganzen Welt nicht ihres gleichen hat. Die neuesten Ent¬
hüllungen haben uus gezeigt, was für Opfer der Kaiser zu bringen bereit ist,
um diese Stellung wirklich einzunehmen. Er hat den Engländer» sogar ZlegYPten
und Candia angeboten, wenn sie ihn ans dieser Seite gewähren lassen. — Unter
diesen Umstände» ist man'also nicht wenig überrascht, daß Herr v. Ficqnelmont
plötzlich zu dem Resultate kommt, das schwarze Meer solle für den Krieg ge¬
schlossen sein, aber der Handelsflagge aller Nationen ohne Unterschied offen stehen.
Nußland sei dnrch seine Lage gegen einen Krieg ziemlich gesichert, aber nicht gegen
eine friedliche Concurrenz; die Engländer hätten-also ein Verbrechen an der
ganzen Menschheit begangen, daß sie es zum Kriege kommen lassen. — Wenn
Herr Elihu Burne oder ein anderer Quäker dergleichen Orakel ausspräche, so
würde man sich darüber nicht verwundern. Was sich aber ein wirklicher Staatsmann
dabei denkt, ist schwer zu begreifen. Rußland schickt seine Armeen in die Donau-
fürstenthümer, es spricht in den geheimen Verhandlungen über die Eventualität
eiuer Besetzung Konstantinopels. Wie soll mau diesem Unternehmen dnrch fried-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/31>, abgerufen am 22.12.2024.