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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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zu werden pflegen oder die Familie am runden Tisch zum Frühstück sich ver¬
sammelt? Sie liegt in die eine Ecke des Divans gedrückt, der übrigens von
deutscher Phantasie gemeiniglich anders ausgemalt wird, als es in der That ist,
die Füße hinaufgezogen oder auf eine Fußbank gesetzt, und über den ganzen
Körper bis dicht unter das Kinn eine seidene Steppdecke gebreitet, die über den
Tisch vor dem Divan hinüberreicht und in solcher Weise ein Kohlenbecken ein¬
deckt, welches unmittelbar unter dem besagten Tisch 'seinen Posten hat. Tritt ein
anderes Familienmitglied hinzu, so nimmt es entweder in ähnlicher Weise auf
dem Divan Platz, oder rückt eiuen Stuhl in den Bereich der Steppdecke, mit
welcher der Ober- und Unterkörper alsdann völlig eingehüllt werden. Man wird
mir glauben, wenn ich die Versicherung gebe, daß man unter solcher Hülle ganz
behaglich sitzt.

Mit den Kohlenbecken, hier Mangal genannt, wird ein nicht unerheblicher
Luxus getrieben. Nach einem alten Gesetz, wie ich hörte, sollte nur der Sultan
deren von massivem Silber haben. Nach und nach ist diese Luxusvorschrift oder
Beschränkung in Vergessenheit gekommen und. heutzutage hat jeder angesehene und
wohlhabende armenische oder griechische Banquier das, was vordem nur dem Be¬
herrscher der Gläubigen zustand.

Kommt man in diesen Tagen, d. h. wenn Schnee liegt und das Thermo¬
meter unter Null steht, zu einem Pascha, so wird man ihn unter allen Umständen
ebenfalls in einer Divanecke, aber im Unterschiede von der oben gedachten grie¬
chischen Dame, mit untergeschlagenen Füßen sitzend finden. Um seine Schultern
hängt ein langer Pelz, welcher, weit ausgebreitet, nicht die Spitze des Fußes'
hervorsehen läßt. Der Tschibuck wird behutsam, die Hand unter dem Pelzbesatz,
gehalten; dicht am Divan aber steht das Mangal, gemeiniglich ans einer Schale
mit Kohlen bestehend, welche in einem weiten Aufsatz von spiegelblank gescheuerten
Messing steht, welcher wiederum mit seinen vier verzierten Füßen ans einen gro¬
ßen, am Boden stehenden Teller gestellt ist. Unmittelbar aus der Schale nimmt
der Diener die kleinen glühenden Kohlen, mit denen er den Tschibuck seines Herrn
anzündet.

So wenig sind Stubenöfen hier gekannt, daß, wo sie ausnahmsweise ange¬
bracht sind, die Schornsteine nichtsdestoweniger fehlen und in Ermangelung der¬
selben hohe eiserne Röhren zu den Fenstern hinausgeleitet sind. Natürlich kommen
große, massive Kachelofen, Wie man sie bei uns hat, fast nirgends vor. Da¬
gegen werden französische Kamine mehr und mehr Mode. E.s ist dies ein ganz
neuerdings in den Orient übertragener Comfort, der aber dem Geschmack desselben
durchaus entspricht. Vor den Kaminen fehlen die provisorischen, für den Winter
und nur für diese Zeit errichteten Divane nie. Dahinter stehen die Tische, die
Stühle, die sonstigen Meubles, damit die Nähe der aus den Polstern Ausruhenden
am Feuer eine möglichst unmittelbare sei. Alle Tschibucks und die kleinen, par-
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zu werden pflegen oder die Familie am runden Tisch zum Frühstück sich ver¬
sammelt? Sie liegt in die eine Ecke des Divans gedrückt, der übrigens von
deutscher Phantasie gemeiniglich anders ausgemalt wird, als es in der That ist,
die Füße hinaufgezogen oder auf eine Fußbank gesetzt, und über den ganzen
Körper bis dicht unter das Kinn eine seidene Steppdecke gebreitet, die über den
Tisch vor dem Divan hinüberreicht und in solcher Weise ein Kohlenbecken ein¬
deckt, welches unmittelbar unter dem besagten Tisch 'seinen Posten hat. Tritt ein
anderes Familienmitglied hinzu, so nimmt es entweder in ähnlicher Weise auf
dem Divan Platz, oder rückt eiuen Stuhl in den Bereich der Steppdecke, mit
welcher der Ober- und Unterkörper alsdann völlig eingehüllt werden. Man wird
mir glauben, wenn ich die Versicherung gebe, daß man unter solcher Hülle ganz
behaglich sitzt.

Mit den Kohlenbecken, hier Mangal genannt, wird ein nicht unerheblicher
Luxus getrieben. Nach einem alten Gesetz, wie ich hörte, sollte nur der Sultan
deren von massivem Silber haben. Nach und nach ist diese Luxusvorschrift oder
Beschränkung in Vergessenheit gekommen und. heutzutage hat jeder angesehene und
wohlhabende armenische oder griechische Banquier das, was vordem nur dem Be¬
herrscher der Gläubigen zustand.

Kommt man in diesen Tagen, d. h. wenn Schnee liegt und das Thermo¬
meter unter Null steht, zu einem Pascha, so wird man ihn unter allen Umständen
ebenfalls in einer Divanecke, aber im Unterschiede von der oben gedachten grie¬
chischen Dame, mit untergeschlagenen Füßen sitzend finden. Um seine Schultern
hängt ein langer Pelz, welcher, weit ausgebreitet, nicht die Spitze des Fußes'
hervorsehen läßt. Der Tschibuck wird behutsam, die Hand unter dem Pelzbesatz,
gehalten; dicht am Divan aber steht das Mangal, gemeiniglich ans einer Schale
mit Kohlen bestehend, welche in einem weiten Aufsatz von spiegelblank gescheuerten
Messing steht, welcher wiederum mit seinen vier verzierten Füßen ans einen gro¬
ßen, am Boden stehenden Teller gestellt ist. Unmittelbar aus der Schale nimmt
der Diener die kleinen glühenden Kohlen, mit denen er den Tschibuck seines Herrn
anzündet.

So wenig sind Stubenöfen hier gekannt, daß, wo sie ausnahmsweise ange¬
bracht sind, die Schornsteine nichtsdestoweniger fehlen und in Ermangelung der¬
selben hohe eiserne Röhren zu den Fenstern hinausgeleitet sind. Natürlich kommen
große, massive Kachelofen, Wie man sie bei uns hat, fast nirgends vor. Da¬
gegen werden französische Kamine mehr und mehr Mode. E.s ist dies ein ganz
neuerdings in den Orient übertragener Comfort, der aber dem Geschmack desselben
durchaus entspricht. Vor den Kaminen fehlen die provisorischen, für den Winter
und nur für diese Zeit errichteten Divane nie. Dahinter stehen die Tische, die
Stühle, die sonstigen Meubles, damit die Nähe der aus den Polstern Ausruhenden
am Feuer eine möglichst unmittelbare sei. Alle Tschibucks und die kleinen, par-
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[0299] zu werden pflegen oder die Familie am runden Tisch zum Frühstück sich ver¬ sammelt? Sie liegt in die eine Ecke des Divans gedrückt, der übrigens von deutscher Phantasie gemeiniglich anders ausgemalt wird, als es in der That ist, die Füße hinaufgezogen oder auf eine Fußbank gesetzt, und über den ganzen Körper bis dicht unter das Kinn eine seidene Steppdecke gebreitet, die über den Tisch vor dem Divan hinüberreicht und in solcher Weise ein Kohlenbecken ein¬ deckt, welches unmittelbar unter dem besagten Tisch 'seinen Posten hat. Tritt ein anderes Familienmitglied hinzu, so nimmt es entweder in ähnlicher Weise auf dem Divan Platz, oder rückt eiuen Stuhl in den Bereich der Steppdecke, mit welcher der Ober- und Unterkörper alsdann völlig eingehüllt werden. Man wird mir glauben, wenn ich die Versicherung gebe, daß man unter solcher Hülle ganz behaglich sitzt. Mit den Kohlenbecken, hier Mangal genannt, wird ein nicht unerheblicher Luxus getrieben. Nach einem alten Gesetz, wie ich hörte, sollte nur der Sultan deren von massivem Silber haben. Nach und nach ist diese Luxusvorschrift oder Beschränkung in Vergessenheit gekommen und. heutzutage hat jeder angesehene und wohlhabende armenische oder griechische Banquier das, was vordem nur dem Be¬ herrscher der Gläubigen zustand. Kommt man in diesen Tagen, d. h. wenn Schnee liegt und das Thermo¬ meter unter Null steht, zu einem Pascha, so wird man ihn unter allen Umständen ebenfalls in einer Divanecke, aber im Unterschiede von der oben gedachten grie¬ chischen Dame, mit untergeschlagenen Füßen sitzend finden. Um seine Schultern hängt ein langer Pelz, welcher, weit ausgebreitet, nicht die Spitze des Fußes' hervorsehen läßt. Der Tschibuck wird behutsam, die Hand unter dem Pelzbesatz, gehalten; dicht am Divan aber steht das Mangal, gemeiniglich ans einer Schale mit Kohlen bestehend, welche in einem weiten Aufsatz von spiegelblank gescheuerten Messing steht, welcher wiederum mit seinen vier verzierten Füßen ans einen gro¬ ßen, am Boden stehenden Teller gestellt ist. Unmittelbar aus der Schale nimmt der Diener die kleinen glühenden Kohlen, mit denen er den Tschibuck seines Herrn anzündet. So wenig sind Stubenöfen hier gekannt, daß, wo sie ausnahmsweise ange¬ bracht sind, die Schornsteine nichtsdestoweniger fehlen und in Ermangelung der¬ selben hohe eiserne Röhren zu den Fenstern hinausgeleitet sind. Natürlich kommen große, massive Kachelofen, Wie man sie bei uns hat, fast nirgends vor. Da¬ gegen werden französische Kamine mehr und mehr Mode. E.s ist dies ein ganz neuerdings in den Orient übertragener Comfort, der aber dem Geschmack desselben durchaus entspricht. Vor den Kaminen fehlen die provisorischen, für den Winter und nur für diese Zeit errichteten Divane nie. Dahinter stehen die Tische, die Stühle, die sonstigen Meubles, damit die Nähe der aus den Polstern Ausruhenden am Feuer eine möglichst unmittelbare sei. Alle Tschibucks und die kleinen, par- '"'''''' 37"^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/298>, abgerufen am 23.07.2024.