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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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eigneten Punkten dergestalt zu verstärken, daß dieses Asyl der russischen Flotte
vom Meer aus völlig unangreifbar wird, und es hat der russischen Regierung
wenigstens nicht an Zeit gefehlt, die erforderlichen Maßregeln zu treffen. Die
Kriegsschiffe Vauban und Retribution, die im verflossenen Monat sich der Rhede
Sebastopols näherten, scheinen über das, was sie gesehen haben, nicht sehr er¬
freut gewesen zu sein.

Die Alliirten werden daher ihr Augenmerk auf einen Angriff von der
Landseite richten müssen, wenn sie sich dieses Hafenplatzes bemächtigen wollen. Es
ist zwar anzunehmen, und einige allgemein gehaltene Zeitungsnotizen sprechen
auch davon, daß die Russen die bisher ganz offene Stadt auch nach der Land¬
seite hin mit Vertheidigungsanstalten versehen haben; aber die Natur des
Terrains begünstigt einen Angriff der Stadt von der Landseite ungemein, da
das Plateau des herakleotischen Chersones, wie bemerkt, sich von Süd nach
Nord abdacht und Sebastopol selbst auf einer nach der Bai abfallenden Terrasse
liegt. Die S'labt und die Südbucht werden daher überall von Höhen beherrscht,
welche einen Angriff sehr erleichtern. Dagegen ist die Ausschiffung von Truppen
aus dem herakleotischen Chersones selbst mit Schwierigkeiten verknüpft; sie ist
auf der Südküste ganz unmöglich; der Hafen von Balaklawa kann sehr leicht
vertheidigt werden; und von den zahlreichen Buchten der Nordküste somme
eigentlich nur die westlichste, die Bucht von Fanary in Betracht, da die Qua¬
rantänebucht von den Kanonen des Fort Alexander bestrichen wird und die
tiefe, aber schmale Schützenbucht (Strelitzkaja) durch Batterien hartnäckig ver¬
theidigt werden kann. Die Bucht von Fanary hat, ehe sie sich nach Süden
in drei Arme verzweigt, namentlich in ihrem östlichen Theil in ganz geringer Ent¬
fernung von der Küste noch eine Tiefe von 10 Faden, und hier dürste eine Truppen¬
landung nach Zerstörung der dort etwa errichteten Strandbatterien möglich sein.

Außerhalb des herakleotischen Chersones wäre in der Krim der Hafen
Jalta der Landungsplatz, der Sebastopol am nächsten liegt, Aber die von hier
über Sympheropol nach dem Kriegshafen führende Straße läuft eine Strecke
in einem Engpaß, der das tanrische Gebirge durchschneidet. Er ist neuerdings
stark befestigt und so leicht zu vertheidigen, daß ein-Vordringen aus diesem
Wege zu den Unmöglichkeiten gehört. Die unsichere Rhede von Koslof und
der treffliche, auch für Kriegsschiffe geeignete Hasen Theodosias sind weiter von
Sebastopol entfernt; jene auf geradem Wege ,etwa 10, dieser über 20 Meilen.
Beide Punkte bedurften sehr starke Vertheidigungsmittel, um eine Landung
feindlicher Truppen erheblich zu erschweren; aber sie besitzen sie nicht und kön¬
nen diesen Mangel im Moment auch nicht ersetzen. '

Sebastopol ist mit Nikolajew durch den Telegraphen verbunden. Die
Entfernung beider Punkte auf dem Landwege mag etwa S0 Meilen betragen.*)





*) Dciz" ein Holzschnitt auf der innern Seite des Umschlags.

eigneten Punkten dergestalt zu verstärken, daß dieses Asyl der russischen Flotte
vom Meer aus völlig unangreifbar wird, und es hat der russischen Regierung
wenigstens nicht an Zeit gefehlt, die erforderlichen Maßregeln zu treffen. Die
Kriegsschiffe Vauban und Retribution, die im verflossenen Monat sich der Rhede
Sebastopols näherten, scheinen über das, was sie gesehen haben, nicht sehr er¬
freut gewesen zu sein.

Die Alliirten werden daher ihr Augenmerk auf einen Angriff von der
Landseite richten müssen, wenn sie sich dieses Hafenplatzes bemächtigen wollen. Es
ist zwar anzunehmen, und einige allgemein gehaltene Zeitungsnotizen sprechen
auch davon, daß die Russen die bisher ganz offene Stadt auch nach der Land¬
seite hin mit Vertheidigungsanstalten versehen haben; aber die Natur des
Terrains begünstigt einen Angriff der Stadt von der Landseite ungemein, da
das Plateau des herakleotischen Chersones, wie bemerkt, sich von Süd nach
Nord abdacht und Sebastopol selbst auf einer nach der Bai abfallenden Terrasse
liegt. Die S'labt und die Südbucht werden daher überall von Höhen beherrscht,
welche einen Angriff sehr erleichtern. Dagegen ist die Ausschiffung von Truppen
aus dem herakleotischen Chersones selbst mit Schwierigkeiten verknüpft; sie ist
auf der Südküste ganz unmöglich; der Hafen von Balaklawa kann sehr leicht
vertheidigt werden; und von den zahlreichen Buchten der Nordküste somme
eigentlich nur die westlichste, die Bucht von Fanary in Betracht, da die Qua¬
rantänebucht von den Kanonen des Fort Alexander bestrichen wird und die
tiefe, aber schmale Schützenbucht (Strelitzkaja) durch Batterien hartnäckig ver¬
theidigt werden kann. Die Bucht von Fanary hat, ehe sie sich nach Süden
in drei Arme verzweigt, namentlich in ihrem östlichen Theil in ganz geringer Ent¬
fernung von der Küste noch eine Tiefe von 10 Faden, und hier dürste eine Truppen¬
landung nach Zerstörung der dort etwa errichteten Strandbatterien möglich sein.

Außerhalb des herakleotischen Chersones wäre in der Krim der Hafen
Jalta der Landungsplatz, der Sebastopol am nächsten liegt, Aber die von hier
über Sympheropol nach dem Kriegshafen führende Straße läuft eine Strecke
in einem Engpaß, der das tanrische Gebirge durchschneidet. Er ist neuerdings
stark befestigt und so leicht zu vertheidigen, daß ein-Vordringen aus diesem
Wege zu den Unmöglichkeiten gehört. Die unsichere Rhede von Koslof und
der treffliche, auch für Kriegsschiffe geeignete Hasen Theodosias sind weiter von
Sebastopol entfernt; jene auf geradem Wege ,etwa 10, dieser über 20 Meilen.
Beide Punkte bedurften sehr starke Vertheidigungsmittel, um eine Landung
feindlicher Truppen erheblich zu erschweren; aber sie besitzen sie nicht und kön¬
nen diesen Mangel im Moment auch nicht ersetzen. '

Sebastopol ist mit Nikolajew durch den Telegraphen verbunden. Die
Entfernung beider Punkte auf dem Landwege mag etwa S0 Meilen betragen.*)





*) Dciz» ein Holzschnitt auf der innern Seite des Umschlags.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/295>, abgerufen am 23.07.2024.