Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wünschen Küste errichteten und mit heroischen Muth bis auf den letzten Mann
gegen den türkischen Sturm vertheidigten; im Hintergrunde zur Rechten steigen
die Gebäude BalaklavaS amphitheatralisch an, eines kleinen von arnautischen
Griechen,, bewohnten Fleckens, die Katharina II. für die Dienste, welche sie ihr
im Türkenkriege geleistet hatten, hier ansiedelte. Sie nähren sich von der
Fischerei. Die commercielle Bedeutung des Platzes ist längst vernichtet; es
war sogar eine Zeitlang den Schiffen verboten, in diesen Hafen einzulaufen,
angeblich, weil er ein zu geeigneter Schlupfwinkel für Seeräuber wäre; jetzt
ist er wenigstens, bei Seegcfahr den Schiffen geöffnet, die sich in ihn retten
können. Wenn das heutige Sebastopol ein so bedeutender Handelsplatz wäre,
wie seine Vorgängerinnen, das hemklevtische Chersonesos zur Zeit der Griechen
und Cherson zur Zeit der Byzantiner, so würde sich die freie Benutzung des
Hafens von Balaklava bald als ein dringendes Bedürfniß herausstellen; denn
da'die von Osten kommenden Schiffe zur Umsegelung des Caps Fanary und
zur Fahrt nach der Rhede von Sebastopol verschiedener Winde bedürfen, würde
ihnen Balaklava, welches auf dem Landwege quer über die Halbinsel-nur eine
starke Meile von Sebastopol entfernt ist, häufig ein erwünschter Landungsplatz sein.

Während die steile Südküste der Halbinsel nur an diesem einen Punkte
den Schiffen zugänglich ist, hat die Natur an dem terassenförmig abfallenden
Nordrande verschwenderisch eine Reihe der schönsten und sichersten Buchten ge¬
bildet, von denen fast jede einmal im Lauf der Zeiten ein reges Leben geschaut
hat. Gleich östlich vMl Cap Fanary, das sich nur wenig über den Meeres¬
spiegel erhebt, öffnet sich die weite Bucht von Fanary; sie theilt sich im Innern
in drei gesonderte Buchten, von denen die westliche so weit in das Land ein¬
schneidet, daß sie die Spitze Fanary fast zur Insel macht. Hier lag die älteste
griechische Ansiedelung, das alte Chersonesos, daß schon im ersten Jahrhundert,
vor unsrer Zeitrechnung ganz verlassen und zerstört war und von dem die
Reisenden des vorigen Jahrhunderts nur unbedeutende Spuren entdecken
konnten. Obgleich die östlichem Buchten einladender sind, wählten die ersten
hellenischen Ankömmlinge sür ihre Ansiedelung die westlichste Spitze, vermuthlich,
weil sie sich hier bei der geringen Breite der Halbinsel am leichtesten gegen die
Angriffe der barbarischen Einwohner vertheidigen konnten. Die nächste kleine
Bucht führt den Namen der runden; zwischen ihr und der folgenden, der
Streletzkaja (oder Bucht der Schützen)^ die wiederum tief in das Land ein¬
schneidet, lagen die Weinberge der Chersonesiter; denn der felsige, für den
Ackerbau meist ungeeignete Boden der, Halbinsel hatte die alten Griechen schon
früh .veranlaßt,-an geeigneten Punkten die Cultur der Rebe zu versuchen, und
für Chersonesos war der Weinbau von solcher Bedeutung, daß, nach einer
alten in den Trümmern der Stadt gefundenen griechischen Inschrift zu schließen,
die Grenzregulirung der hierzu geeigneten Ländereien als ein besonders ver-


36*

wünschen Küste errichteten und mit heroischen Muth bis auf den letzten Mann
gegen den türkischen Sturm vertheidigten; im Hintergrunde zur Rechten steigen
die Gebäude BalaklavaS amphitheatralisch an, eines kleinen von arnautischen
Griechen,, bewohnten Fleckens, die Katharina II. für die Dienste, welche sie ihr
im Türkenkriege geleistet hatten, hier ansiedelte. Sie nähren sich von der
Fischerei. Die commercielle Bedeutung des Platzes ist längst vernichtet; es
war sogar eine Zeitlang den Schiffen verboten, in diesen Hafen einzulaufen,
angeblich, weil er ein zu geeigneter Schlupfwinkel für Seeräuber wäre; jetzt
ist er wenigstens, bei Seegcfahr den Schiffen geöffnet, die sich in ihn retten
können. Wenn das heutige Sebastopol ein so bedeutender Handelsplatz wäre,
wie seine Vorgängerinnen, das hemklevtische Chersonesos zur Zeit der Griechen
und Cherson zur Zeit der Byzantiner, so würde sich die freie Benutzung des
Hafens von Balaklava bald als ein dringendes Bedürfniß herausstellen; denn
da'die von Osten kommenden Schiffe zur Umsegelung des Caps Fanary und
zur Fahrt nach der Rhede von Sebastopol verschiedener Winde bedürfen, würde
ihnen Balaklava, welches auf dem Landwege quer über die Halbinsel-nur eine
starke Meile von Sebastopol entfernt ist, häufig ein erwünschter Landungsplatz sein.

Während die steile Südküste der Halbinsel nur an diesem einen Punkte
den Schiffen zugänglich ist, hat die Natur an dem terassenförmig abfallenden
Nordrande verschwenderisch eine Reihe der schönsten und sichersten Buchten ge¬
bildet, von denen fast jede einmal im Lauf der Zeiten ein reges Leben geschaut
hat. Gleich östlich vMl Cap Fanary, das sich nur wenig über den Meeres¬
spiegel erhebt, öffnet sich die weite Bucht von Fanary; sie theilt sich im Innern
in drei gesonderte Buchten, von denen die westliche so weit in das Land ein¬
schneidet, daß sie die Spitze Fanary fast zur Insel macht. Hier lag die älteste
griechische Ansiedelung, das alte Chersonesos, daß schon im ersten Jahrhundert,
vor unsrer Zeitrechnung ganz verlassen und zerstört war und von dem die
Reisenden des vorigen Jahrhunderts nur unbedeutende Spuren entdecken
konnten. Obgleich die östlichem Buchten einladender sind, wählten die ersten
hellenischen Ankömmlinge sür ihre Ansiedelung die westlichste Spitze, vermuthlich,
weil sie sich hier bei der geringen Breite der Halbinsel am leichtesten gegen die
Angriffe der barbarischen Einwohner vertheidigen konnten. Die nächste kleine
Bucht führt den Namen der runden; zwischen ihr und der folgenden, der
Streletzkaja (oder Bucht der Schützen)^ die wiederum tief in das Land ein¬
schneidet, lagen die Weinberge der Chersonesiter; denn der felsige, für den
Ackerbau meist ungeeignete Boden der, Halbinsel hatte die alten Griechen schon
früh .veranlaßt,-an geeigneten Punkten die Cultur der Rebe zu versuchen, und
für Chersonesos war der Weinbau von solcher Bedeutung, daß, nach einer
alten in den Trümmern der Stadt gefundenen griechischen Inschrift zu schließen,
die Grenzregulirung der hierzu geeigneten Ländereien als ein besonders ver-


36*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0291" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98071"/>
          <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> wünschen Küste errichteten und mit heroischen Muth bis auf den letzten Mann<lb/>
gegen den türkischen Sturm vertheidigten; im Hintergrunde zur Rechten steigen<lb/>
die Gebäude BalaklavaS amphitheatralisch an, eines kleinen von arnautischen<lb/>
Griechen,, bewohnten Fleckens, die Katharina II. für die Dienste, welche sie ihr<lb/>
im Türkenkriege geleistet hatten, hier ansiedelte. Sie nähren sich von der<lb/>
Fischerei. Die commercielle Bedeutung des Platzes ist längst vernichtet; es<lb/>
war sogar eine Zeitlang den Schiffen verboten, in diesen Hafen einzulaufen,<lb/>
angeblich, weil er ein zu geeigneter Schlupfwinkel für Seeräuber wäre; jetzt<lb/>
ist er wenigstens, bei Seegcfahr den Schiffen geöffnet, die sich in ihn retten<lb/>
können. Wenn das heutige Sebastopol ein so bedeutender Handelsplatz wäre,<lb/>
wie seine Vorgängerinnen, das hemklevtische Chersonesos zur Zeit der Griechen<lb/>
und Cherson zur Zeit der Byzantiner, so würde sich die freie Benutzung des<lb/>
Hafens von Balaklava bald als ein dringendes Bedürfniß herausstellen; denn<lb/>
da'die von Osten kommenden Schiffe zur Umsegelung des Caps Fanary und<lb/>
zur Fahrt nach der Rhede von Sebastopol verschiedener Winde bedürfen, würde<lb/>
ihnen Balaklava, welches auf dem Landwege quer über die Halbinsel-nur eine<lb/>
starke Meile von Sebastopol entfernt ist, häufig ein erwünschter Landungsplatz sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_905" next="#ID_906"> Während die steile Südküste der Halbinsel nur an diesem einen Punkte<lb/>
den Schiffen zugänglich ist, hat die Natur an dem terassenförmig abfallenden<lb/>
Nordrande verschwenderisch eine Reihe der schönsten und sichersten Buchten ge¬<lb/>
bildet, von denen fast jede einmal im Lauf der Zeiten ein reges Leben geschaut<lb/>
hat. Gleich östlich vMl Cap Fanary, das sich nur wenig über den Meeres¬<lb/>
spiegel erhebt, öffnet sich die weite Bucht von Fanary; sie theilt sich im Innern<lb/>
in drei gesonderte Buchten, von denen die westliche so weit in das Land ein¬<lb/>
schneidet, daß sie die Spitze Fanary fast zur Insel macht. Hier lag die älteste<lb/>
griechische Ansiedelung, das alte Chersonesos, daß schon im ersten Jahrhundert,<lb/>
vor unsrer Zeitrechnung ganz verlassen und zerstört war und von dem die<lb/>
Reisenden des vorigen Jahrhunderts nur unbedeutende Spuren entdecken<lb/>
konnten. Obgleich die östlichem Buchten einladender sind, wählten die ersten<lb/>
hellenischen Ankömmlinge sür ihre Ansiedelung die westlichste Spitze, vermuthlich,<lb/>
weil sie sich hier bei der geringen Breite der Halbinsel am leichtesten gegen die<lb/>
Angriffe der barbarischen Einwohner vertheidigen konnten. Die nächste kleine<lb/>
Bucht führt den Namen der runden; zwischen ihr und der folgenden, der<lb/>
Streletzkaja (oder Bucht der Schützen)^ die wiederum tief in das Land ein¬<lb/>
schneidet, lagen die Weinberge der Chersonesiter; denn der felsige, für den<lb/>
Ackerbau meist ungeeignete Boden der, Halbinsel hatte die alten Griechen schon<lb/>
früh .veranlaßt,-an geeigneten Punkten die Cultur der Rebe zu versuchen, und<lb/>
für Chersonesos war der Weinbau von solcher Bedeutung, daß, nach einer<lb/>
alten in den Trümmern der Stadt gefundenen griechischen Inschrift zu schließen,<lb/>
die Grenzregulirung der hierzu geeigneten Ländereien als ein besonders ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 36*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0291] wünschen Küste errichteten und mit heroischen Muth bis auf den letzten Mann gegen den türkischen Sturm vertheidigten; im Hintergrunde zur Rechten steigen die Gebäude BalaklavaS amphitheatralisch an, eines kleinen von arnautischen Griechen,, bewohnten Fleckens, die Katharina II. für die Dienste, welche sie ihr im Türkenkriege geleistet hatten, hier ansiedelte. Sie nähren sich von der Fischerei. Die commercielle Bedeutung des Platzes ist längst vernichtet; es war sogar eine Zeitlang den Schiffen verboten, in diesen Hafen einzulaufen, angeblich, weil er ein zu geeigneter Schlupfwinkel für Seeräuber wäre; jetzt ist er wenigstens, bei Seegcfahr den Schiffen geöffnet, die sich in ihn retten können. Wenn das heutige Sebastopol ein so bedeutender Handelsplatz wäre, wie seine Vorgängerinnen, das hemklevtische Chersonesos zur Zeit der Griechen und Cherson zur Zeit der Byzantiner, so würde sich die freie Benutzung des Hafens von Balaklava bald als ein dringendes Bedürfniß herausstellen; denn da'die von Osten kommenden Schiffe zur Umsegelung des Caps Fanary und zur Fahrt nach der Rhede von Sebastopol verschiedener Winde bedürfen, würde ihnen Balaklava, welches auf dem Landwege quer über die Halbinsel-nur eine starke Meile von Sebastopol entfernt ist, häufig ein erwünschter Landungsplatz sein. Während die steile Südküste der Halbinsel nur an diesem einen Punkte den Schiffen zugänglich ist, hat die Natur an dem terassenförmig abfallenden Nordrande verschwenderisch eine Reihe der schönsten und sichersten Buchten ge¬ bildet, von denen fast jede einmal im Lauf der Zeiten ein reges Leben geschaut hat. Gleich östlich vMl Cap Fanary, das sich nur wenig über den Meeres¬ spiegel erhebt, öffnet sich die weite Bucht von Fanary; sie theilt sich im Innern in drei gesonderte Buchten, von denen die westliche so weit in das Land ein¬ schneidet, daß sie die Spitze Fanary fast zur Insel macht. Hier lag die älteste griechische Ansiedelung, das alte Chersonesos, daß schon im ersten Jahrhundert, vor unsrer Zeitrechnung ganz verlassen und zerstört war und von dem die Reisenden des vorigen Jahrhunderts nur unbedeutende Spuren entdecken konnten. Obgleich die östlichem Buchten einladender sind, wählten die ersten hellenischen Ankömmlinge sür ihre Ansiedelung die westlichste Spitze, vermuthlich, weil sie sich hier bei der geringen Breite der Halbinsel am leichtesten gegen die Angriffe der barbarischen Einwohner vertheidigen konnten. Die nächste kleine Bucht führt den Namen der runden; zwischen ihr und der folgenden, der Streletzkaja (oder Bucht der Schützen)^ die wiederum tief in das Land ein¬ schneidet, lagen die Weinberge der Chersonesiter; denn der felsige, für den Ackerbau meist ungeeignete Boden der, Halbinsel hatte die alten Griechen schon früh .veranlaßt,-an geeigneten Punkten die Cultur der Rebe zu versuchen, und für Chersonesos war der Weinbau von solcher Bedeutung, daß, nach einer alten in den Trümmern der Stadt gefundenen griechischen Inschrift zu schließen, die Grenzregulirung der hierzu geeigneten Ländereien als ein besonders ver- 36*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/290
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/290>, abgerufen am 22.12.2024.