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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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S e b a se o p v l.

Von der südwestlichen Ecke der Krim erstreckt sich nach Westen gerichtet
eine Halbinsel in das Meer, die bis zur äußersten Spitze fast drei Meilen
lang und an den breitesten Stellen etwa -I ^ breit ist. Meeresbuchten,
die von Norden und von Süden in das Land einschneiden und den Isthmus
bis auf anderthalb Meilen verengern, und die Thalsenkungen, die als natür¬
liche Verlängerungen derselben sich in das Innere ziehen und sich hier ver¬
einigen, scheiden die Halbinsel, die wir den herakleotischen Chersones nennen
wollen, auch von der Landseite scharf ab, und geben ihr in physischer Hinsicht
eine Sonderstellung, welche nicht ohne Einfluß auf ihre historischen Schicksal?
geblieben ist. Auf dieser in die Mitte des schwarzen Meeres hineinragenden,
abgeschiedenen Landspitze hat schon im grauen Alterthum hellenische Cultur
eine Stätte gefunden; hier erhielt sich bis tief in das Mittelalter hinein christlich¬
byzantinisches Wesen, während im nahen taurischen Gebirg verrufene Räuber
hausten und unbändige Nomaden die krimschen Steppen durchzogen.

Die Halbinsel besteht aus einem nach Norden sich senkenden Plateau.
Ihr Nordrand ist von zahlreichen, parallelen, tief einschneidenden Meeresbuchten
zerrissen, die als trockne Klüfte in das Innere fortsetzend das Felsenterrain tief
durchfurchen. Die Landschaft ist steppenartig, eine dünne Schicht Pflanzenerde
bedeckt das Gestein; die Vegetation ist ärmlich, nur im östlichen Theile zeigen
sich einige Wäldchen, die äußersten Vorposten, welche das. taurische Wald¬
gebirge in die Steppe sendet: weiter westwärts sieht man außer den spärlichen
Baumgruppen, welche die vereinzelten Meierhöfe umgeben, nur wildes Ge¬
strüpp in Klüften und an steilen Gehängen. In der traurigen Einöde ent¬
springen nur zwei lebendige Quellen dem unfruchtbaren Gestein: die alten
Hellenen hatten sie sofort durch künstliche Wasserleitungen, deren Spuren noch
heute erkannt werden, mit ihrem großen Emporion in Verbindung gesetzt.

Die Küste, die sich von dem westlichsten Vorgebirge, dem Cap Fanary,
nach Südost wendet, ist durchaus unzugänglich und den Schiffern verderblich.


Grenzbvtc", II. lUöi. . .36
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Von der südwestlichen Ecke der Krim erstreckt sich nach Westen gerichtet
eine Halbinsel in das Meer, die bis zur äußersten Spitze fast drei Meilen
lang und an den breitesten Stellen etwa -I ^ breit ist. Meeresbuchten,
die von Norden und von Süden in das Land einschneiden und den Isthmus
bis auf anderthalb Meilen verengern, und die Thalsenkungen, die als natür¬
liche Verlängerungen derselben sich in das Innere ziehen und sich hier ver¬
einigen, scheiden die Halbinsel, die wir den herakleotischen Chersones nennen
wollen, auch von der Landseite scharf ab, und geben ihr in physischer Hinsicht
eine Sonderstellung, welche nicht ohne Einfluß auf ihre historischen Schicksal?
geblieben ist. Auf dieser in die Mitte des schwarzen Meeres hineinragenden,
abgeschiedenen Landspitze hat schon im grauen Alterthum hellenische Cultur
eine Stätte gefunden; hier erhielt sich bis tief in das Mittelalter hinein christlich¬
byzantinisches Wesen, während im nahen taurischen Gebirg verrufene Räuber
hausten und unbändige Nomaden die krimschen Steppen durchzogen.

Die Halbinsel besteht aus einem nach Norden sich senkenden Plateau.
Ihr Nordrand ist von zahlreichen, parallelen, tief einschneidenden Meeresbuchten
zerrissen, die als trockne Klüfte in das Innere fortsetzend das Felsenterrain tief
durchfurchen. Die Landschaft ist steppenartig, eine dünne Schicht Pflanzenerde
bedeckt das Gestein; die Vegetation ist ärmlich, nur im östlichen Theile zeigen
sich einige Wäldchen, die äußersten Vorposten, welche das. taurische Wald¬
gebirge in die Steppe sendet: weiter westwärts sieht man außer den spärlichen
Baumgruppen, welche die vereinzelten Meierhöfe umgeben, nur wildes Ge¬
strüpp in Klüften und an steilen Gehängen. In der traurigen Einöde ent¬
springen nur zwei lebendige Quellen dem unfruchtbaren Gestein: die alten
Hellenen hatten sie sofort durch künstliche Wasserleitungen, deren Spuren noch
heute erkannt werden, mit ihrem großen Emporion in Verbindung gesetzt.

Die Küste, die sich von dem westlichsten Vorgebirge, dem Cap Fanary,
nach Südost wendet, ist durchaus unzugänglich und den Schiffern verderblich.


Grenzbvtc», II. lUöi. . .36
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[0289] S e b a se o p v l. Von der südwestlichen Ecke der Krim erstreckt sich nach Westen gerichtet eine Halbinsel in das Meer, die bis zur äußersten Spitze fast drei Meilen lang und an den breitesten Stellen etwa -I ^ breit ist. Meeresbuchten, die von Norden und von Süden in das Land einschneiden und den Isthmus bis auf anderthalb Meilen verengern, und die Thalsenkungen, die als natür¬ liche Verlängerungen derselben sich in das Innere ziehen und sich hier ver¬ einigen, scheiden die Halbinsel, die wir den herakleotischen Chersones nennen wollen, auch von der Landseite scharf ab, und geben ihr in physischer Hinsicht eine Sonderstellung, welche nicht ohne Einfluß auf ihre historischen Schicksal? geblieben ist. Auf dieser in die Mitte des schwarzen Meeres hineinragenden, abgeschiedenen Landspitze hat schon im grauen Alterthum hellenische Cultur eine Stätte gefunden; hier erhielt sich bis tief in das Mittelalter hinein christlich¬ byzantinisches Wesen, während im nahen taurischen Gebirg verrufene Räuber hausten und unbändige Nomaden die krimschen Steppen durchzogen. Die Halbinsel besteht aus einem nach Norden sich senkenden Plateau. Ihr Nordrand ist von zahlreichen, parallelen, tief einschneidenden Meeresbuchten zerrissen, die als trockne Klüfte in das Innere fortsetzend das Felsenterrain tief durchfurchen. Die Landschaft ist steppenartig, eine dünne Schicht Pflanzenerde bedeckt das Gestein; die Vegetation ist ärmlich, nur im östlichen Theile zeigen sich einige Wäldchen, die äußersten Vorposten, welche das. taurische Wald¬ gebirge in die Steppe sendet: weiter westwärts sieht man außer den spärlichen Baumgruppen, welche die vereinzelten Meierhöfe umgeben, nur wildes Ge¬ strüpp in Klüften und an steilen Gehängen. In der traurigen Einöde ent¬ springen nur zwei lebendige Quellen dem unfruchtbaren Gestein: die alten Hellenen hatten sie sofort durch künstliche Wasserleitungen, deren Spuren noch heute erkannt werden, mit ihrem großen Emporion in Verbindung gesetzt. Die Küste, die sich von dem westlichsten Vorgebirge, dem Cap Fanary, nach Südost wendet, ist durchaus unzugänglich und den Schiffern verderblich. Grenzbvtc», II. lUöi. . .36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/288>, abgerufen am 23.07.2024.