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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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ist gefällig und graziös, sowie es in diesem Potpourri überhaupt nicht an ein¬
zelnen Schönheiten fehlt. Wie wenig Beruf aber Meyerbeer zur komischen Oper
hat, das wird im dritten Acte klar, wo der Dichter den Sergeant Gritzenko-
Tscheremetieff in wirklich komische Situationen versetzt. Das ist so ungenügend, -
so plump behandelt, wie wir es selbst von Meyerbeer nicht erwartet hätten. Da
ist anch keine Spur von wahrhaftigen Humor.

In dem großen Finale im zweiten Acte, das als Glanzpunkt der Oper, als
Meyerbeersches Nonplusultra betrachtet werden kann, ist die Verschlingung der
drei Märsche in der That mit erstaunlicher Virtuosität ausgeführt. Wir begreifen
wie das Musiker von Fach, die jeder überwundenen Schwierigkeit, jeder merk¬
würdigen Combination, jedem technischen Kunststück nachfolgen können, in Ver¬
wunderung setzen und vielleicht auch zur Bewunderung hinreißen kauu. Auf den
gewöhnlichen Zuhörer ist die Wirkung auch großartig, aber man fühlt sich eher
erdrückt, als erhoben, und mit dem letzten Klänge ist die Wirkung anch vorbei,
wie wenn beim Bouquet des Feuerwerks die letzte Rakete erlischt. Wir wollen
anch nicht in Abrede stellen, daß der französische Musiker, der von den Forderungen
eines ächten Kunstwerks absehn kann, mit großem Respect vor Meyerbeers Meister¬
schaft aus dieser Oper geht--und wir geben gern zu, daß wir von diesem
Standpunkt aus dem Maestro nicht gerecht genug sind -- wir beabsichtigen,
unsern Eindruck zu schildern und wir sind entfernt, eine Fachkritik schreiben zu
wollen. So gestehn wir auch in dem Flötenallegro in l) cor nichts als ein Kunst-
stückchen sehen zu können, das eine Jenny Lind verzeihlich macheu mag -- nud
das immer eine amüsante Spielerei bleibt. Zum Schluß soll noch bemerkt sein/
daß sich Meyerbeer als Regisseur und Theaterdirector gewiß ebenso viel Verdienst
bei Aufführung der neuen Oper erworben hat, denn als Musiker. Man kann
sich nichts vollkommener Aneinauderklappendes denken, als die schwierige Dar¬
stellung dieser Oper. Meyerbeer hat die vorhandenen Kräfte wie eine Zitrone
bis auf deu letzten Tropfen ausgedrückt und das ist sein Verdienst allein, da er
jedes Detail selbst überwacht. Er hat zwanzig bis dreißig Gencralrepctitivnen ver¬
anstaltet, während sonst drei das höchste ist, was dem Compositeur gestattet wird.




Politische Broschüren.
Der russisch-türkische Krieg in Europa und Asien bis auf den gegenwär¬
tigen Standpunkt, mit einer Uebersicht- und zwei Detailkartc" des Kriegs¬
schauplatzes in Europa und Asien, i. Aufl. Wien, Sommer. Leipzig, Hühner. --
Die religiöse Seite der orientalischen Frage, vom Grasen Ficquelmont,
Wien, M-mz. --
Deutsche Antwort aus die orientalische Frage, Heidelberg, Akademische Arsenik.

Die erste der genannten Broschüren beschäftigt sich fast ausschließlich mit den


ist gefällig und graziös, sowie es in diesem Potpourri überhaupt nicht an ein¬
zelnen Schönheiten fehlt. Wie wenig Beruf aber Meyerbeer zur komischen Oper
hat, das wird im dritten Acte klar, wo der Dichter den Sergeant Gritzenko-
Tscheremetieff in wirklich komische Situationen versetzt. Das ist so ungenügend, -
so plump behandelt, wie wir es selbst von Meyerbeer nicht erwartet hätten. Da
ist anch keine Spur von wahrhaftigen Humor.

In dem großen Finale im zweiten Acte, das als Glanzpunkt der Oper, als
Meyerbeersches Nonplusultra betrachtet werden kann, ist die Verschlingung der
drei Märsche in der That mit erstaunlicher Virtuosität ausgeführt. Wir begreifen
wie das Musiker von Fach, die jeder überwundenen Schwierigkeit, jeder merk¬
würdigen Combination, jedem technischen Kunststück nachfolgen können, in Ver¬
wunderung setzen und vielleicht auch zur Bewunderung hinreißen kauu. Auf den
gewöhnlichen Zuhörer ist die Wirkung auch großartig, aber man fühlt sich eher
erdrückt, als erhoben, und mit dem letzten Klänge ist die Wirkung anch vorbei,
wie wenn beim Bouquet des Feuerwerks die letzte Rakete erlischt. Wir wollen
anch nicht in Abrede stellen, daß der französische Musiker, der von den Forderungen
eines ächten Kunstwerks absehn kann, mit großem Respect vor Meyerbeers Meister¬
schaft aus dieser Oper geht—und wir geben gern zu, daß wir von diesem
Standpunkt aus dem Maestro nicht gerecht genug sind — wir beabsichtigen,
unsern Eindruck zu schildern und wir sind entfernt, eine Fachkritik schreiben zu
wollen. So gestehn wir auch in dem Flötenallegro in l) cor nichts als ein Kunst-
stückchen sehen zu können, das eine Jenny Lind verzeihlich macheu mag — nud
das immer eine amüsante Spielerei bleibt. Zum Schluß soll noch bemerkt sein/
daß sich Meyerbeer als Regisseur und Theaterdirector gewiß ebenso viel Verdienst
bei Aufführung der neuen Oper erworben hat, denn als Musiker. Man kann
sich nichts vollkommener Aneinauderklappendes denken, als die schwierige Dar¬
stellung dieser Oper. Meyerbeer hat die vorhandenen Kräfte wie eine Zitrone
bis auf deu letzten Tropfen ausgedrückt und das ist sein Verdienst allein, da er
jedes Detail selbst überwacht. Er hat zwanzig bis dreißig Gencralrepctitivnen ver¬
anstaltet, während sonst drei das höchste ist, was dem Compositeur gestattet wird.




Politische Broschüren.
Der russisch-türkische Krieg in Europa und Asien bis auf den gegenwär¬
tigen Standpunkt, mit einer Uebersicht- und zwei Detailkartc» des Kriegs¬
schauplatzes in Europa und Asien, i. Aufl. Wien, Sommer. Leipzig, Hühner. —
Die religiöse Seite der orientalischen Frage, vom Grasen Ficquelmont,
Wien, M-mz. —
Deutsche Antwort aus die orientalische Frage, Heidelberg, Akademische Arsenik.

Die erste der genannten Broschüren beschäftigt sich fast ausschließlich mit den


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[0029] ist gefällig und graziös, sowie es in diesem Potpourri überhaupt nicht an ein¬ zelnen Schönheiten fehlt. Wie wenig Beruf aber Meyerbeer zur komischen Oper hat, das wird im dritten Acte klar, wo der Dichter den Sergeant Gritzenko- Tscheremetieff in wirklich komische Situationen versetzt. Das ist so ungenügend, - so plump behandelt, wie wir es selbst von Meyerbeer nicht erwartet hätten. Da ist anch keine Spur von wahrhaftigen Humor. In dem großen Finale im zweiten Acte, das als Glanzpunkt der Oper, als Meyerbeersches Nonplusultra betrachtet werden kann, ist die Verschlingung der drei Märsche in der That mit erstaunlicher Virtuosität ausgeführt. Wir begreifen wie das Musiker von Fach, die jeder überwundenen Schwierigkeit, jeder merk¬ würdigen Combination, jedem technischen Kunststück nachfolgen können, in Ver¬ wunderung setzen und vielleicht auch zur Bewunderung hinreißen kauu. Auf den gewöhnlichen Zuhörer ist die Wirkung auch großartig, aber man fühlt sich eher erdrückt, als erhoben, und mit dem letzten Klänge ist die Wirkung anch vorbei, wie wenn beim Bouquet des Feuerwerks die letzte Rakete erlischt. Wir wollen anch nicht in Abrede stellen, daß der französische Musiker, der von den Forderungen eines ächten Kunstwerks absehn kann, mit großem Respect vor Meyerbeers Meister¬ schaft aus dieser Oper geht—und wir geben gern zu, daß wir von diesem Standpunkt aus dem Maestro nicht gerecht genug sind — wir beabsichtigen, unsern Eindruck zu schildern und wir sind entfernt, eine Fachkritik schreiben zu wollen. So gestehn wir auch in dem Flötenallegro in l) cor nichts als ein Kunst- stückchen sehen zu können, das eine Jenny Lind verzeihlich macheu mag — nud das immer eine amüsante Spielerei bleibt. Zum Schluß soll noch bemerkt sein/ daß sich Meyerbeer als Regisseur und Theaterdirector gewiß ebenso viel Verdienst bei Aufführung der neuen Oper erworben hat, denn als Musiker. Man kann sich nichts vollkommener Aneinauderklappendes denken, als die schwierige Dar¬ stellung dieser Oper. Meyerbeer hat die vorhandenen Kräfte wie eine Zitrone bis auf deu letzten Tropfen ausgedrückt und das ist sein Verdienst allein, da er jedes Detail selbst überwacht. Er hat zwanzig bis dreißig Gencralrepctitivnen ver¬ anstaltet, während sonst drei das höchste ist, was dem Compositeur gestattet wird. Politische Broschüren. Der russisch-türkische Krieg in Europa und Asien bis auf den gegenwär¬ tigen Standpunkt, mit einer Uebersicht- und zwei Detailkartc» des Kriegs¬ schauplatzes in Europa und Asien, i. Aufl. Wien, Sommer. Leipzig, Hühner. — Die religiöse Seite der orientalischen Frage, vom Grasen Ficquelmont, Wien, M-mz. — Deutsche Antwort aus die orientalische Frage, Heidelberg, Akademische Arsenik. Die erste der genannten Broschüren beschäftigt sich fast ausschließlich mit den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/28>, abgerufen am 23.07.2024.