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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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und Handeln entnehme, mehr infolge zufälligen Auffindens als eines klaren
Sonderns und Abwägens gewonnen.

Omer Pascha ist noch in anderer Hinsicht ehre glänzende Ausnahme unter
den türkischen Chefs: er ist uneigennützig, wie'kaum je ein anderer vor ihm in
ähnlicher Stellung. Sein Gehalt ist enorm und mag auf monatlich zehntausend
Thaler ansteigen. Dennoch versichert man auch von einer Seite her, die ihm
naheliegt, daß er seiner Freigebigkeit wegen nicht auskomme und mancherlei
Schulden habe. Niemals hörte man von einer Bedrückung, die er sich zu
Schulden kommen ließ; und was noch mehr sagen will: in den ihm unter¬
gebenen Ejalets waren die Paschas vorsichtiger und maßvoller in ihren Er¬
pressungen.

In seiner Lebensart ist der Generalissimus einfach. Er lebt mäßig und
nur guten Weinen scheint er mehr, als einem Muhamedaner geziemt, zugethan
zu sein. Sie wollen indeß nicht den Schluß daraus ziehen, daß dies seiner
Würde Eintrag thue. Es gibt wenige höhere muselmännische Beamte und
Militärs, die nicht trinken. In zu einer gewissen Tageszeit darf man be¬
haupten, daß die obere Schicht der muhamedanischen Societät sich in einem
süßen Rausche befindet. Soweit vergißt Omer Pascha sich nie, wie er sich
denn überhaupt kaum jemals in seiner Stellung etwas vergeben hat.




Literaturgeschichte.
Gotthold Ephraim Lessing als Theolog, dargestellt von Karl sah warz, Pro¬
fessor der Theologie zu Halle, ein Beitrag zur Geschichte der Theologie im
18. Jahrhundert. Halle, Pfeffer. --

Wir'haben diese Schrift, die nach der Erklärung des Verfassers zum Vor¬
läufer einer größeren Untersuchung bestimmt ist, welche sich mit der Geschichte der
deutschen Theologie seit dem vorigen Jahrhundert beschäftigt, mit großem Antheil
gelesen, und hoffen, daß sie einen segensreichen Einfluß auch auf diejenigen Kreise
haben wird, die sich mit der Literatur nur in ihren Mußestunden beschäftigen und
an die bei der Herausgabe dieses Buchs zunächst gedacht worden ist. Es ist
nämlich nicht das kleinste Verdienst desselben, daß es von einem Theologen her¬
rührt, einem Theologen, der von gerechter Pietät gegen den ethischen Inhalt wie
gegen die welthistorische Bedeutung des Christenthums erfüllt ist und der doch
mit edlem Freimuth und einer in den gegenwärtigen theologischen Kreisen unerhörten


und Handeln entnehme, mehr infolge zufälligen Auffindens als eines klaren
Sonderns und Abwägens gewonnen.

Omer Pascha ist noch in anderer Hinsicht ehre glänzende Ausnahme unter
den türkischen Chefs: er ist uneigennützig, wie'kaum je ein anderer vor ihm in
ähnlicher Stellung. Sein Gehalt ist enorm und mag auf monatlich zehntausend
Thaler ansteigen. Dennoch versichert man auch von einer Seite her, die ihm
naheliegt, daß er seiner Freigebigkeit wegen nicht auskomme und mancherlei
Schulden habe. Niemals hörte man von einer Bedrückung, die er sich zu
Schulden kommen ließ; und was noch mehr sagen will: in den ihm unter¬
gebenen Ejalets waren die Paschas vorsichtiger und maßvoller in ihren Er¬
pressungen.

In seiner Lebensart ist der Generalissimus einfach. Er lebt mäßig und
nur guten Weinen scheint er mehr, als einem Muhamedaner geziemt, zugethan
zu sein. Sie wollen indeß nicht den Schluß daraus ziehen, daß dies seiner
Würde Eintrag thue. Es gibt wenige höhere muselmännische Beamte und
Militärs, die nicht trinken. In zu einer gewissen Tageszeit darf man be¬
haupten, daß die obere Schicht der muhamedanischen Societät sich in einem
süßen Rausche befindet. Soweit vergißt Omer Pascha sich nie, wie er sich
denn überhaupt kaum jemals in seiner Stellung etwas vergeben hat.




Literaturgeschichte.
Gotthold Ephraim Lessing als Theolog, dargestellt von Karl sah warz, Pro¬
fessor der Theologie zu Halle, ein Beitrag zur Geschichte der Theologie im
18. Jahrhundert. Halle, Pfeffer. —

Wir'haben diese Schrift, die nach der Erklärung des Verfassers zum Vor¬
läufer einer größeren Untersuchung bestimmt ist, welche sich mit der Geschichte der
deutschen Theologie seit dem vorigen Jahrhundert beschäftigt, mit großem Antheil
gelesen, und hoffen, daß sie einen segensreichen Einfluß auch auf diejenigen Kreise
haben wird, die sich mit der Literatur nur in ihren Mußestunden beschäftigen und
an die bei der Herausgabe dieses Buchs zunächst gedacht worden ist. Es ist
nämlich nicht das kleinste Verdienst desselben, daß es von einem Theologen her¬
rührt, einem Theologen, der von gerechter Pietät gegen den ethischen Inhalt wie
gegen die welthistorische Bedeutung des Christenthums erfüllt ist und der doch
mit edlem Freimuth und einer in den gegenwärtigen theologischen Kreisen unerhörten


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[0270] und Handeln entnehme, mehr infolge zufälligen Auffindens als eines klaren Sonderns und Abwägens gewonnen. Omer Pascha ist noch in anderer Hinsicht ehre glänzende Ausnahme unter den türkischen Chefs: er ist uneigennützig, wie'kaum je ein anderer vor ihm in ähnlicher Stellung. Sein Gehalt ist enorm und mag auf monatlich zehntausend Thaler ansteigen. Dennoch versichert man auch von einer Seite her, die ihm naheliegt, daß er seiner Freigebigkeit wegen nicht auskomme und mancherlei Schulden habe. Niemals hörte man von einer Bedrückung, die er sich zu Schulden kommen ließ; und was noch mehr sagen will: in den ihm unter¬ gebenen Ejalets waren die Paschas vorsichtiger und maßvoller in ihren Er¬ pressungen. In seiner Lebensart ist der Generalissimus einfach. Er lebt mäßig und nur guten Weinen scheint er mehr, als einem Muhamedaner geziemt, zugethan zu sein. Sie wollen indeß nicht den Schluß daraus ziehen, daß dies seiner Würde Eintrag thue. Es gibt wenige höhere muselmännische Beamte und Militärs, die nicht trinken. In zu einer gewissen Tageszeit darf man be¬ haupten, daß die obere Schicht der muhamedanischen Societät sich in einem süßen Rausche befindet. Soweit vergißt Omer Pascha sich nie, wie er sich denn überhaupt kaum jemals in seiner Stellung etwas vergeben hat. Literaturgeschichte. Gotthold Ephraim Lessing als Theolog, dargestellt von Karl sah warz, Pro¬ fessor der Theologie zu Halle, ein Beitrag zur Geschichte der Theologie im 18. Jahrhundert. Halle, Pfeffer. — Wir'haben diese Schrift, die nach der Erklärung des Verfassers zum Vor¬ läufer einer größeren Untersuchung bestimmt ist, welche sich mit der Geschichte der deutschen Theologie seit dem vorigen Jahrhundert beschäftigt, mit großem Antheil gelesen, und hoffen, daß sie einen segensreichen Einfluß auch auf diejenigen Kreise haben wird, die sich mit der Literatur nur in ihren Mußestunden beschäftigen und an die bei der Herausgabe dieses Buchs zunächst gedacht worden ist. Es ist nämlich nicht das kleinste Verdienst desselben, daß es von einem Theologen her¬ rührt, einem Theologen, der von gerechter Pietät gegen den ethischen Inhalt wie gegen die welthistorische Bedeutung des Christenthums erfüllt ist und der doch mit edlem Freimuth und einer in den gegenwärtigen theologischen Kreisen unerhörten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/269>, abgerufen am 23.07.2024.