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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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zusprechen übrig. Da die buralistisch centralisirenden'Regierungen von der
Regiersucht ergriffen sind, alle Korporationen von Ständen, Provinzen, Ge¬
meinden zerstört oder in Marionetten verwandelt haben, so entsteht die Noth¬
wendigkeit der Vervielfältigung der Beamten, diese wächst mit der vermehrten
Anzahl der Gesetze, und da diese von interesselosen und mit dem innern Leben
des Staates unbekannten Miethlingen gemacht werden, so stockt die Ausführung,
man muß zurücktreten, erläutern, und so entsteht ein ewiger Kreistanz. (De¬
cember -1821). --

(>S. 33-1) -- Bei den Betrachtungen über Bildung ständischer Verfassung
in der preußischen Monarchie gehe ich von der Voraussetzung aus, und bin
von der Ueberzeugung innig durchdrungen, daß die Bewohner dieses Landes
verständige, geschäftsfähige, durch ein vorhergegangenes geschichtliches Leben
geprüfte, treue, tapfre, fromme und besonnene Menschen sind, daß ihre Mehr¬
zahl aus großen, mittlern und kleinern Grundeigenthümern besteht, deren Sitten
durch die Beschäftigung des Landlebens und die Mittelmäßigkeit ihres Vermögens
einfach und rein 'erhalten werden, daß endlich Unsittlichkeit, leichtsinnige Neu-
erungssucht, leidenschaftliches Jagen nach Genuß und Reichthum unter diesem Volk
nicht überwiegend und herrschend seien. Jene Tugenden der Treue, Besonnen¬
heit, Geduld im Leiden, Muth in Gefahren haben sich bewiesen und bewährt,
in den neuesten Zeiten insbesondere während der Besetzung des Landes durch
die Feinde im Jahre -1806, wo die Regierung gänzlich aufgelöst war, und
Städte, Provinzen durch ihre eignen Vorsteher, abgerissen vom Oberhaupte
des Staats, sich verwalteten, wo es grade die Mehrzahl der Staatsbeamten
war, die sich in die neue Ordnung der Dinge zu fügen und ihren Gehalt zu
retten eilte. --

(S. 324) -- Durch Bildung einer gut eingerichteten Repräsentativver-
fassung gewinnt der Regent eines treuen und gescheidten Volkes an Macht,
denn er eignet sich alle geistigen und physischen Kräfte desselben an, wird durch
diese erleuchtet und gestärkt, statt daß er gegenwärtig, wo er nur durch Beamte
herrscht, überall bei den Regierten auf Lauigkeit, oft auf Abneigung stößt,
und bei seinen Beamten nur wenig Unterstützung gegen die öffentliche Mei¬
nung findet, die gar zu geneigt sind, mit dieser auf seine Unkosten sich, zu ver¬
tragen. Selbstregieren "ist Nur das Loos sehr seltener Regenten; diese finden
aber auch bei einer Repräsentativverfassung in sich und in der Güte ihrer Ab¬
sichten Mittel, ihre Entschlüsse ins Leben zu bringen. Aber auch kräftige,
selbstständige Autokraten regierten nur in wenigen einzelnen Fällen nach selbst¬
eignen Ansichten, gewöhnlich nach denen ihrer Staatsbehörden, die sie sich zu
leiten begnügten, und nach Formen und Mariinen, die sie vorfanden.

(S. 323) -- Einer Versammlung, die auf das Rathgeber beschränkt ist,
fehlt es an Selbstständigkeit und an Würde; in ihrem Ansehen wird daher


zusprechen übrig. Da die buralistisch centralisirenden'Regierungen von der
Regiersucht ergriffen sind, alle Korporationen von Ständen, Provinzen, Ge¬
meinden zerstört oder in Marionetten verwandelt haben, so entsteht die Noth¬
wendigkeit der Vervielfältigung der Beamten, diese wächst mit der vermehrten
Anzahl der Gesetze, und da diese von interesselosen und mit dem innern Leben
des Staates unbekannten Miethlingen gemacht werden, so stockt die Ausführung,
man muß zurücktreten, erläutern, und so entsteht ein ewiger Kreistanz. (De¬
cember -1821). —

(>S. 33-1) — Bei den Betrachtungen über Bildung ständischer Verfassung
in der preußischen Monarchie gehe ich von der Voraussetzung aus, und bin
von der Ueberzeugung innig durchdrungen, daß die Bewohner dieses Landes
verständige, geschäftsfähige, durch ein vorhergegangenes geschichtliches Leben
geprüfte, treue, tapfre, fromme und besonnene Menschen sind, daß ihre Mehr¬
zahl aus großen, mittlern und kleinern Grundeigenthümern besteht, deren Sitten
durch die Beschäftigung des Landlebens und die Mittelmäßigkeit ihres Vermögens
einfach und rein 'erhalten werden, daß endlich Unsittlichkeit, leichtsinnige Neu-
erungssucht, leidenschaftliches Jagen nach Genuß und Reichthum unter diesem Volk
nicht überwiegend und herrschend seien. Jene Tugenden der Treue, Besonnen¬
heit, Geduld im Leiden, Muth in Gefahren haben sich bewiesen und bewährt,
in den neuesten Zeiten insbesondere während der Besetzung des Landes durch
die Feinde im Jahre -1806, wo die Regierung gänzlich aufgelöst war, und
Städte, Provinzen durch ihre eignen Vorsteher, abgerissen vom Oberhaupte
des Staats, sich verwalteten, wo es grade die Mehrzahl der Staatsbeamten
war, die sich in die neue Ordnung der Dinge zu fügen und ihren Gehalt zu
retten eilte. —

(S. 324) — Durch Bildung einer gut eingerichteten Repräsentativver-
fassung gewinnt der Regent eines treuen und gescheidten Volkes an Macht,
denn er eignet sich alle geistigen und physischen Kräfte desselben an, wird durch
diese erleuchtet und gestärkt, statt daß er gegenwärtig, wo er nur durch Beamte
herrscht, überall bei den Regierten auf Lauigkeit, oft auf Abneigung stößt,
und bei seinen Beamten nur wenig Unterstützung gegen die öffentliche Mei¬
nung findet, die gar zu geneigt sind, mit dieser auf seine Unkosten sich, zu ver¬
tragen. Selbstregieren "ist Nur das Loos sehr seltener Regenten; diese finden
aber auch bei einer Repräsentativverfassung in sich und in der Güte ihrer Ab¬
sichten Mittel, ihre Entschlüsse ins Leben zu bringen. Aber auch kräftige,
selbstständige Autokraten regierten nur in wenigen einzelnen Fällen nach selbst¬
eignen Ansichten, gewöhnlich nach denen ihrer Staatsbehörden, die sie sich zu
leiten begnügten, und nach Formen und Mariinen, die sie vorfanden.

(S. 323) — Einer Versammlung, die auf das Rathgeber beschränkt ist,
fehlt es an Selbstständigkeit und an Würde; in ihrem Ansehen wird daher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/252>, abgerufen am 23.07.2024.