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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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lauter Enthusiasten und Kennern der Kunst bestehen kann; es ist schon ein großes
Lob, wenn die Mode auf würdige und ernste Gegenstände, auf die Kunst sich
richtet. Allein ebensowenig kann die Verpflichtung daraus abgeleitet werden, den
Launen des Publicums zum Schaden der guten Sache nachzugeben. Die Concert-
directivn aber hat gegen das Publicum einen ganz besonders günstigen Stand.
Sie steht demselben vollkommen selbstständig gegenüber, sie sucht keinen Vortheil
von demselben, sie übernimmt sogar alle Gefahr und bietet ihm nur den Genuß, sie
hat volles Recht das uneigennützige Interesse sür die Kunst und Einsicht in
dieselbe sür sich in Anspruch zu nehmen, sie tritt nicht persönlich auf, sondern gilt
den meisten als eine wohlthätige Macht hinter den Wolken, die wie die unbe¬
kannten Götter der Athener verehrt wird, hat also auch kein persönliches Odium zu
fürchten. Um so entschiedener kann und muß sie austreten, wo es ein wahres In¬
teresse gilt. Auch hat sie einen mächtigen Beistand nicht nur in dem gebildeten
Theil, des Publicums, welchem ernstlich daran gelegen ist, gute Musik zu
hören, sondern auch in der allgemeinen Meinung desselben. Denn es ist ihm
hauptsächlich darum zu thun, für das classisch gebildete Publicum par exLeUenee
zu gelten und den guten Ton in der Musik anzugeben; um sich diesen Ruf zu
bewahren, wird es zu allem andern, das es um die Concerte erduldet, auch noch
einige Langeweile ertragen, wenn es nur überzeugt sein kann, daß sie wirklich
classisch ist. Die Direction darf daher sich nach allen Seiten hin gedeckt halten,
wenn sie durchgreifende Verbesserungen macht, und daß die wahre nachhaltige
gute Wirkung auf das Publicum nicht ausbleibt, das braucht nicht erst gesagt
zu werden.

Von den Jnstrumentalvirtnosen gilt so ziemlich, was von den Sängerinnen
gesagt wurde, nur ist es ein Vortheil, daß sie in der Neigung des Publicums
nicht hoch stehen. Die letzten Jahre haben dem Virtuosenthum einen starken Stoß
gegeben, es wird der Direction nicht schwer werden, dieses Unkraut die Kunst
nicht wieder überwuchern zu lassen, besonders darauf zu achten, daß sie nicht, als
bequeme Lückenbüßer bei augenblicklichen Verlegenheiten sich.wieder einschleichen.
Einer Rücksicht kann sich hier die Direction allerdings nicht entziehen, daß ver¬
diente Mitglieder des Orchesters den Anspruch machen dürfen, als Solospieler
sich vor ihrem Publicum geltend zu machen, und dieses wird sich hier um so lieber
billig zeigen, je strenger übrigens die Direction darauf hält, daß die Virtuosen,,
welche auftrete", dasselbe möglichst, mit Fvrcetouren für den Contrabaß, Triller-
und Octaven-Etuden ,für-eine Hand flüchtigen Gedanken für die Finger verscho¬
nen, und wenigstens Virtuosenthum im Ganzen und Großen zeigen. Die Vir¬
tuosen, die auch Musiker,und Künstler sind, und uns Meisterwerke der Kunst in
ihrer reinsten Vollendung genießen lassen, sind leider selten; ihnen wird ihr
Ehrenplatz stets mit Jnbel bereitet sein.

Der eigentliche Kern- und Ehrenpunkt des Abonnementconcertö ist, wie bemerkt,


lauter Enthusiasten und Kennern der Kunst bestehen kann; es ist schon ein großes
Lob, wenn die Mode auf würdige und ernste Gegenstände, auf die Kunst sich
richtet. Allein ebensowenig kann die Verpflichtung daraus abgeleitet werden, den
Launen des Publicums zum Schaden der guten Sache nachzugeben. Die Concert-
directivn aber hat gegen das Publicum einen ganz besonders günstigen Stand.
Sie steht demselben vollkommen selbstständig gegenüber, sie sucht keinen Vortheil
von demselben, sie übernimmt sogar alle Gefahr und bietet ihm nur den Genuß, sie
hat volles Recht das uneigennützige Interesse sür die Kunst und Einsicht in
dieselbe sür sich in Anspruch zu nehmen, sie tritt nicht persönlich auf, sondern gilt
den meisten als eine wohlthätige Macht hinter den Wolken, die wie die unbe¬
kannten Götter der Athener verehrt wird, hat also auch kein persönliches Odium zu
fürchten. Um so entschiedener kann und muß sie austreten, wo es ein wahres In¬
teresse gilt. Auch hat sie einen mächtigen Beistand nicht nur in dem gebildeten
Theil, des Publicums, welchem ernstlich daran gelegen ist, gute Musik zu
hören, sondern auch in der allgemeinen Meinung desselben. Denn es ist ihm
hauptsächlich darum zu thun, für das classisch gebildete Publicum par exLeUenee
zu gelten und den guten Ton in der Musik anzugeben; um sich diesen Ruf zu
bewahren, wird es zu allem andern, das es um die Concerte erduldet, auch noch
einige Langeweile ertragen, wenn es nur überzeugt sein kann, daß sie wirklich
classisch ist. Die Direction darf daher sich nach allen Seiten hin gedeckt halten,
wenn sie durchgreifende Verbesserungen macht, und daß die wahre nachhaltige
gute Wirkung auf das Publicum nicht ausbleibt, das braucht nicht erst gesagt
zu werden.

Von den Jnstrumentalvirtnosen gilt so ziemlich, was von den Sängerinnen
gesagt wurde, nur ist es ein Vortheil, daß sie in der Neigung des Publicums
nicht hoch stehen. Die letzten Jahre haben dem Virtuosenthum einen starken Stoß
gegeben, es wird der Direction nicht schwer werden, dieses Unkraut die Kunst
nicht wieder überwuchern zu lassen, besonders darauf zu achten, daß sie nicht, als
bequeme Lückenbüßer bei augenblicklichen Verlegenheiten sich.wieder einschleichen.
Einer Rücksicht kann sich hier die Direction allerdings nicht entziehen, daß ver¬
diente Mitglieder des Orchesters den Anspruch machen dürfen, als Solospieler
sich vor ihrem Publicum geltend zu machen, und dieses wird sich hier um so lieber
billig zeigen, je strenger übrigens die Direction darauf hält, daß die Virtuosen,,
welche auftrete», dasselbe möglichst, mit Fvrcetouren für den Contrabaß, Triller-
und Octaven-Etuden ,für-eine Hand flüchtigen Gedanken für die Finger verscho¬
nen, und wenigstens Virtuosenthum im Ganzen und Großen zeigen. Die Vir¬
tuosen, die auch Musiker,und Künstler sind, und uns Meisterwerke der Kunst in
ihrer reinsten Vollendung genießen lassen, sind leider selten; ihnen wird ihr
Ehrenplatz stets mit Jnbel bereitet sein.

Der eigentliche Kern- und Ehrenpunkt des Abonnementconcertö ist, wie bemerkt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/217>, abgerufen am 23.07.2024.