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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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von spanischem Geiste und von spanischer Sitte in seine Bewohner übergegangen,
als daß es sich ohne große Opfer und Schmerzen dem Verlornen Mutterlande
wieder anschließen könnte.

Am östlichen Hange des Portillon führt ein bequemer Pfad in vielfachen
Windungen an den Quellen der Bürde im prachtvollsten Tannenwalde nieder.
Durch die Lichtungen des Waldes sehen wir dann und wann die Wiesenplateaux
des Superbaquvres schon in Dämmerung gehüllt, oder die Gletscher von Larboust
und Asto noch glühend im letzten Abendstrahle.

Die Schatten wachsen je tiefer wir hinabsteigen -- leise rauschen die Bäume,
leise murmelt die Bürde, die jetzt im ebenen Bette durch köstlich duftende Wiesen
zieht. Die Vögel schweigen, aber Unken und Grillen halten ein trauliches Zwie"
gespräch und die weiße Nachtphaläne schwebt über den Blumen. Bald hören
wir den Fall der Cascade von Vergss, sehen ihre weißen Schleier im Sternen¬
licht flimmern, werden von ihrem Schaum bespritzt und erreichen nach kurzer Zeit
den Ausgang des Thales und die Häuser von Manuel. Und von unwidersteh¬
licher Sehnsucht gestachelt vergessen unsere Pferdchen des Tages Last und tragen
uns im Galop binnen wenigen Minuten in das geräuschvolle Leben der allLe
ach t>AM5, Luchons Hauptstraße, zurück.




Wochenbericht.
Aus Konstantinopel,

Konstantinopel liegt heute
nach einer Reihe sonnenheller Frühlingstage,' wiederum unter einem Himmel von
bleigrauen, tiefhängenden Wolken. In der letzten Nacht wüthete ein furchtbarer
Sturm, unter dessen Schlägen die Häuser hin- und herschwankten -- denn sie sind
mit wenigen Ausnahmen, namentlich außerhalb PeraS von Holz -- und die Schla¬
fenden wie von einem Erdbeben sich erweckt fühlten. Nach den Berichten vom
Bosporus zu- urtheilen, muß der Orkan auf dem Pontus unermeßliche Verwüstun¬
gen angerichtet haben.

Das erste Donnerdröhnen des Weltsturmes läßt dagegen immer noch auf sich
warten. Inzwischen, unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Befehle zur Er¬
öffnung der Feindseligkeiten an die beiden Flotten, die bis dahin ans der Rhede
von" Varna und Baltschik ankerten, bereits ergangen sind. Es war die Dampf¬
fregatte Fury, welche von hier aus die Ordres zu überbringen hatte. Nach Er¬
ledigung ihres Auftrages begab sich dieses Schiff nach Odessa, ,um die Mittheilung
vom Beginn des Krieges an den dortigen russischen Commandirenden zu über¬
machen, war indeß nicht im Stande in den Hafen einzulaufen, da mehre Batterien
bei ihrer Annäherung, sofort auf den Steamer, der die Parlamentärflagge aufge¬
hißt hatte, zu feuern begannen. Sie werden bei Ankunft meines Briefes bereits
Genaueres über das hier umlaufende Gerücht wissen, wonach die vereinigten Ge-


von spanischem Geiste und von spanischer Sitte in seine Bewohner übergegangen,
als daß es sich ohne große Opfer und Schmerzen dem Verlornen Mutterlande
wieder anschließen könnte.

Am östlichen Hange des Portillon führt ein bequemer Pfad in vielfachen
Windungen an den Quellen der Bürde im prachtvollsten Tannenwalde nieder.
Durch die Lichtungen des Waldes sehen wir dann und wann die Wiesenplateaux
des Superbaquvres schon in Dämmerung gehüllt, oder die Gletscher von Larboust
und Asto noch glühend im letzten Abendstrahle.

Die Schatten wachsen je tiefer wir hinabsteigen — leise rauschen die Bäume,
leise murmelt die Bürde, die jetzt im ebenen Bette durch köstlich duftende Wiesen
zieht. Die Vögel schweigen, aber Unken und Grillen halten ein trauliches Zwie«
gespräch und die weiße Nachtphaläne schwebt über den Blumen. Bald hören
wir den Fall der Cascade von Vergss, sehen ihre weißen Schleier im Sternen¬
licht flimmern, werden von ihrem Schaum bespritzt und erreichen nach kurzer Zeit
den Ausgang des Thales und die Häuser von Manuel. Und von unwidersteh¬
licher Sehnsucht gestachelt vergessen unsere Pferdchen des Tages Last und tragen
uns im Galop binnen wenigen Minuten in das geräuschvolle Leben der allLe
ach t>AM5, Luchons Hauptstraße, zurück.




Wochenbericht.
Aus Konstantinopel,

Konstantinopel liegt heute
nach einer Reihe sonnenheller Frühlingstage,' wiederum unter einem Himmel von
bleigrauen, tiefhängenden Wolken. In der letzten Nacht wüthete ein furchtbarer
Sturm, unter dessen Schlägen die Häuser hin- und herschwankten — denn sie sind
mit wenigen Ausnahmen, namentlich außerhalb PeraS von Holz — und die Schla¬
fenden wie von einem Erdbeben sich erweckt fühlten. Nach den Berichten vom
Bosporus zu- urtheilen, muß der Orkan auf dem Pontus unermeßliche Verwüstun¬
gen angerichtet haben.

Das erste Donnerdröhnen des Weltsturmes läßt dagegen immer noch auf sich
warten. Inzwischen, unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Befehle zur Er¬
öffnung der Feindseligkeiten an die beiden Flotten, die bis dahin ans der Rhede
von" Varna und Baltschik ankerten, bereits ergangen sind. Es war die Dampf¬
fregatte Fury, welche von hier aus die Ordres zu überbringen hatte. Nach Er¬
ledigung ihres Auftrages begab sich dieses Schiff nach Odessa, ,um die Mittheilung
vom Beginn des Krieges an den dortigen russischen Commandirenden zu über¬
machen, war indeß nicht im Stande in den Hafen einzulaufen, da mehre Batterien
bei ihrer Annäherung, sofort auf den Steamer, der die Parlamentärflagge aufge¬
hißt hatte, zu feuern begannen. Sie werden bei Ankunft meines Briefes bereits
Genaueres über das hier umlaufende Gerücht wissen, wonach die vereinigten Ge-


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[0199] von spanischem Geiste und von spanischer Sitte in seine Bewohner übergegangen, als daß es sich ohne große Opfer und Schmerzen dem Verlornen Mutterlande wieder anschließen könnte. Am östlichen Hange des Portillon führt ein bequemer Pfad in vielfachen Windungen an den Quellen der Bürde im prachtvollsten Tannenwalde nieder. Durch die Lichtungen des Waldes sehen wir dann und wann die Wiesenplateaux des Superbaquvres schon in Dämmerung gehüllt, oder die Gletscher von Larboust und Asto noch glühend im letzten Abendstrahle. Die Schatten wachsen je tiefer wir hinabsteigen — leise rauschen die Bäume, leise murmelt die Bürde, die jetzt im ebenen Bette durch köstlich duftende Wiesen zieht. Die Vögel schweigen, aber Unken und Grillen halten ein trauliches Zwie« gespräch und die weiße Nachtphaläne schwebt über den Blumen. Bald hören wir den Fall der Cascade von Vergss, sehen ihre weißen Schleier im Sternen¬ licht flimmern, werden von ihrem Schaum bespritzt und erreichen nach kurzer Zeit den Ausgang des Thales und die Häuser von Manuel. Und von unwidersteh¬ licher Sehnsucht gestachelt vergessen unsere Pferdchen des Tages Last und tragen uns im Galop binnen wenigen Minuten in das geräuschvolle Leben der allLe ach t>AM5, Luchons Hauptstraße, zurück. Wochenbericht. Aus Konstantinopel, Konstantinopel liegt heute nach einer Reihe sonnenheller Frühlingstage,' wiederum unter einem Himmel von bleigrauen, tiefhängenden Wolken. In der letzten Nacht wüthete ein furchtbarer Sturm, unter dessen Schlägen die Häuser hin- und herschwankten — denn sie sind mit wenigen Ausnahmen, namentlich außerhalb PeraS von Holz — und die Schla¬ fenden wie von einem Erdbeben sich erweckt fühlten. Nach den Berichten vom Bosporus zu- urtheilen, muß der Orkan auf dem Pontus unermeßliche Verwüstun¬ gen angerichtet haben. Das erste Donnerdröhnen des Weltsturmes läßt dagegen immer noch auf sich warten. Inzwischen, unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Befehle zur Er¬ öffnung der Feindseligkeiten an die beiden Flotten, die bis dahin ans der Rhede von" Varna und Baltschik ankerten, bereits ergangen sind. Es war die Dampf¬ fregatte Fury, welche von hier aus die Ordres zu überbringen hatte. Nach Er¬ ledigung ihres Auftrages begab sich dieses Schiff nach Odessa, ,um die Mittheilung vom Beginn des Krieges an den dortigen russischen Commandirenden zu über¬ machen, war indeß nicht im Stande in den Hafen einzulaufen, da mehre Batterien bei ihrer Annäherung, sofort auf den Steamer, der die Parlamentärflagge aufge¬ hißt hatte, zu feuern begannen. Sie werden bei Ankunft meines Briefes bereits Genaueres über das hier umlaufende Gerücht wissen, wonach die vereinigten Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/198>, abgerufen am 23.07.2024.