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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Kriegsschauplatz an der Donau ein französischer Feldherr und ans dem in Asien
ein englischer den Oberbefehl sichren werde, wurde schon erörtert. Muthmaßlich
dürften dieselben unabhängig zueinander gestellt, wesentlich nur ans gegenseitige
Korrespondenzen angewiesen werden und in letzter Instanz unter dem Befehl der
Kriegsministerien von London und Paris stehen, die wiederum in Hinsicht auf den
elektrischen Telegraphen als elwe einzige berathende Behörde zu betrachten sind.
Es wird diese letztere angehen, die Abänderungen zu treffen, welche in dem ein¬
mal festgestellten Plane später nothwendig werden dürften. Auch wird man in
dieser Hinsicht den beiden Feldherrn selbst den gehörigen Spielraum lassen.

Was hier vor allem zu erörtern ist, das sind die Hauptlineamente des bereits
festgestellten Entwurfes, weil dieselben unter allen Umständen auch sür die Ab¬
änderungen maßgebend und Grundlage sein werden. Ich frage daher vor allen
Dingen: wie steht es um die eigentlichen Stratageme des Feldzuges? Welches ist
das militärische Resultat, auf welches man lossteuert, und auf welchem Wege
gedenkt man dasselbe zu erreichen?

Vergegenwärtigen wir uns zu dem Ende zunächst die Lage der Dinge ans
dem Kriegsschauplatz, wo die Entscheidung zu erwarten steht, d. h. an der Donau!
Die nächste Wirkung, welche die Passage dieses Stromes seitens der Russen
hervorgebracht hat, ist die, daß dadurch die türkische Vertheidigungsstellung auf
seinem rechten Ufer, mit der Fronte gegen Norden, zum Fall gebracht worden ist,
und die daselbst gelegenen Festungen das Einzige sein dürften, was sich noch
halten läßt. Nur eine große siegreiche Schlacht vermöchte dies zu redressiren,
aber auch nur dann, wenn der Feind durch dieselbe 'gezwungen würde, die
Dobrudscha zu räumen und auf das linke Stromufer zurückzugehen. >Ju jedem
andern Falle wird die türkische Defensive sich auf die Vertheidigung der Balkan¬
linie verwiesen sehen, d. h. sie wird die" Donanfestuugeu gleich einer stetigen
Avantgarde vor sich behalten und mit ihrem Gros bei Schumla oder auf der
Straße von Varna über Pravadi nach jenem Orte Stellung nehmen.

Eine solche Situation ist immerhin für eine längere Dauer haltbar; es wird
den Nüssen obliegen, ehe sie einen entscheidenden Schlag gegen die türkische
Hauptmasse wagen, zunächst Silistria, vielleicht anch Nustschnck einzuschließen,
worüber eine Anzahl Tage, (möglicherweise Wochen) vergehen kann; aber bedroht
bleibt die Lage bei dem allen dennoch, und bei allem Selbstvertrauen, welches
Omer Pascha hegen mag, wird er dem Wunsche gleichwol nicht den Ausdruck
versagen können, sich so schnell als möglich von Englands und Frankreichs Streit¬
kräften unterstützt zu'sehen.'

Bei der ersten Ueberschau der Verhältnisse will es scheinen, als ob die ver¬
bündeten Mächte, England und Frankreich, unmöglich zaudern dürften, einem
solchen Verlangen ans das schnellste zu entsprechen. Im Kriege kommt alles
so sehr auf die gleichzeitige Kraftentwicklung, .aus die einheitliche Action an, daß


Kriegsschauplatz an der Donau ein französischer Feldherr und ans dem in Asien
ein englischer den Oberbefehl sichren werde, wurde schon erörtert. Muthmaßlich
dürften dieselben unabhängig zueinander gestellt, wesentlich nur ans gegenseitige
Korrespondenzen angewiesen werden und in letzter Instanz unter dem Befehl der
Kriegsministerien von London und Paris stehen, die wiederum in Hinsicht auf den
elektrischen Telegraphen als elwe einzige berathende Behörde zu betrachten sind.
Es wird diese letztere angehen, die Abänderungen zu treffen, welche in dem ein¬
mal festgestellten Plane später nothwendig werden dürften. Auch wird man in
dieser Hinsicht den beiden Feldherrn selbst den gehörigen Spielraum lassen.

Was hier vor allem zu erörtern ist, das sind die Hauptlineamente des bereits
festgestellten Entwurfes, weil dieselben unter allen Umständen auch sür die Ab¬
änderungen maßgebend und Grundlage sein werden. Ich frage daher vor allen
Dingen: wie steht es um die eigentlichen Stratageme des Feldzuges? Welches ist
das militärische Resultat, auf welches man lossteuert, und auf welchem Wege
gedenkt man dasselbe zu erreichen?

Vergegenwärtigen wir uns zu dem Ende zunächst die Lage der Dinge ans
dem Kriegsschauplatz, wo die Entscheidung zu erwarten steht, d. h. an der Donau!
Die nächste Wirkung, welche die Passage dieses Stromes seitens der Russen
hervorgebracht hat, ist die, daß dadurch die türkische Vertheidigungsstellung auf
seinem rechten Ufer, mit der Fronte gegen Norden, zum Fall gebracht worden ist,
und die daselbst gelegenen Festungen das Einzige sein dürften, was sich noch
halten läßt. Nur eine große siegreiche Schlacht vermöchte dies zu redressiren,
aber auch nur dann, wenn der Feind durch dieselbe 'gezwungen würde, die
Dobrudscha zu räumen und auf das linke Stromufer zurückzugehen. >Ju jedem
andern Falle wird die türkische Defensive sich auf die Vertheidigung der Balkan¬
linie verwiesen sehen, d. h. sie wird die" Donanfestuugeu gleich einer stetigen
Avantgarde vor sich behalten und mit ihrem Gros bei Schumla oder auf der
Straße von Varna über Pravadi nach jenem Orte Stellung nehmen.

Eine solche Situation ist immerhin für eine längere Dauer haltbar; es wird
den Nüssen obliegen, ehe sie einen entscheidenden Schlag gegen die türkische
Hauptmasse wagen, zunächst Silistria, vielleicht anch Nustschnck einzuschließen,
worüber eine Anzahl Tage, (möglicherweise Wochen) vergehen kann; aber bedroht
bleibt die Lage bei dem allen dennoch, und bei allem Selbstvertrauen, welches
Omer Pascha hegen mag, wird er dem Wunsche gleichwol nicht den Ausdruck
versagen können, sich so schnell als möglich von Englands und Frankreichs Streit¬
kräften unterstützt zu'sehen.'

Bei der ersten Ueberschau der Verhältnisse will es scheinen, als ob die ver¬
bündeten Mächte, England und Frankreich, unmöglich zaudern dürften, einem
solchen Verlangen ans das schnellste zu entsprechen. Im Kriege kommt alles
so sehr auf die gleichzeitige Kraftentwicklung, .aus die einheitliche Action an, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/189>, abgerufen am 23.07.2024.