Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mühe den Staub abschütteln muß, ehe man zu den eigentlich historischen Ge¬
stalten vordringt. Als Ergänzung dieser pragmatischen Methode siud^ naive Ge¬
schichtschreiber wie Washington Irving von unendlichem Werth. In keinem Buch
verleugnet Irving den wahren Dichter. Derselbe Zauber der Darstellung, der
seine Skizzen zu einem der Lieblingsbücher des englischen Publicums gemachthat,
verbreitet sich auch über seiue historischen Werke. Mit dem geringsten Aufwand,
.ja mit einer seltenen Einfachheit weiß er der Phantasie des Lesers ein vollständig
klares Bild zu geben. Seine Kunst besteht darin, in den Quellen diejenigen
Seiten aufzufinden, die jenen vorliegend sinnlichen Charakter tragen, und sie dann
harmonisch zu verschmelzen. Was die andern Schriftsteller durch Raisonnement
zu erreichen suchen, deutet er nur durch die Gruppirung der Thatsachen an. Aus
Analyse, auf politische Auseinandersetzungen u. dergl. läßt er sich fast gar uicht
ein; er begnügt sich damit zu erzählen, aber er erzählt mit einer Sicherheit und
einer Schnellkraft der Phantasie, daß er seines Erfolgs bei jedem Publicum gewiß
ist. -- Der gegenwärtige Band, der eine Fortsetzung vom "Leben Mahomeds"
ist, umfaßt die eigentlich emporstrebende Zeit des Kalifenthnms; er schließt mit
den Vorbereitungen zum Einfall in Spanien. --


Deutsche Geschichtsbibliothek oder Darstellungen aus der Welt¬
geschichte für Leser aller Stände. Unter Mitwirkung verschiedener Ge¬
lehrten herausgegeben von O. Klopp. 1. Band. Hannover, Ninnpler. --

Der Zweck, den sich der Herausgeber dieser Sammlung gestellt hat, stimmt
ungefähr mit der Richtung Washington Jrvings überein. Er geht darauf aus,
einfach zu erzählen, den Stoff abgelöst von der damit verbundenen Reflexion so
einfach als möglich zur Anschauung zu bringen. Der Erfolg kann freilich bei der
großen Reihe kleiner Artikel nicht überall der gleiche sein, aber wenigstens ist die
Methode überall festgehalten und das Meiste ist als gelungen zu bezeichnen. Der
größere Theil der Skizzen dieses -I. Bandes bezieht sich ans das Mittelalter., So
namentlich die Geschichte des ersten Kreuzzuges, die sich durch alle sechs Hefte
hindurchzieht und noch , eine weitere Fortsetzung in Aussicht stellt; ferner einzelne
Sittenschilderungen: der europäische Sklaveuhaudel des Mittelalters, der Donnerstag
(ein mythologisches Fragment), die Victnalienbrüder, die Gottesurtheile, Züge aus
dem bürgerlichen Leben des Mittelalters u. s! w. Aber einzelne Aufsätze gehe"
auch auf die neue Zeit em, z. B. die Türken vor Wien -1683, ein Besuch Peter
des Großen beim König Friedrich Wilhelm s.,'Wallensteins Tod zu Eger u. s. w.
Diese bunte Reichhaltigkeit des Materials ist dem Zweck eines unterhaltenden
Lesebuchs durchaus entsprechend und der Anklang, den das Unternehmen bis jetzt
gefunden hat, scheint auch zu beweisen, daß der Verfasser seiue Aufgabe richtig
verstanden hat. --


Mühe den Staub abschütteln muß, ehe man zu den eigentlich historischen Ge¬
stalten vordringt. Als Ergänzung dieser pragmatischen Methode siud^ naive Ge¬
schichtschreiber wie Washington Irving von unendlichem Werth. In keinem Buch
verleugnet Irving den wahren Dichter. Derselbe Zauber der Darstellung, der
seine Skizzen zu einem der Lieblingsbücher des englischen Publicums gemachthat,
verbreitet sich auch über seiue historischen Werke. Mit dem geringsten Aufwand,
.ja mit einer seltenen Einfachheit weiß er der Phantasie des Lesers ein vollständig
klares Bild zu geben. Seine Kunst besteht darin, in den Quellen diejenigen
Seiten aufzufinden, die jenen vorliegend sinnlichen Charakter tragen, und sie dann
harmonisch zu verschmelzen. Was die andern Schriftsteller durch Raisonnement
zu erreichen suchen, deutet er nur durch die Gruppirung der Thatsachen an. Aus
Analyse, auf politische Auseinandersetzungen u. dergl. läßt er sich fast gar uicht
ein; er begnügt sich damit zu erzählen, aber er erzählt mit einer Sicherheit und
einer Schnellkraft der Phantasie, daß er seines Erfolgs bei jedem Publicum gewiß
ist. — Der gegenwärtige Band, der eine Fortsetzung vom „Leben Mahomeds"
ist, umfaßt die eigentlich emporstrebende Zeit des Kalifenthnms; er schließt mit
den Vorbereitungen zum Einfall in Spanien. —


Deutsche Geschichtsbibliothek oder Darstellungen aus der Welt¬
geschichte für Leser aller Stände. Unter Mitwirkung verschiedener Ge¬
lehrten herausgegeben von O. Klopp. 1. Band. Hannover, Ninnpler. —

Der Zweck, den sich der Herausgeber dieser Sammlung gestellt hat, stimmt
ungefähr mit der Richtung Washington Jrvings überein. Er geht darauf aus,
einfach zu erzählen, den Stoff abgelöst von der damit verbundenen Reflexion so
einfach als möglich zur Anschauung zu bringen. Der Erfolg kann freilich bei der
großen Reihe kleiner Artikel nicht überall der gleiche sein, aber wenigstens ist die
Methode überall festgehalten und das Meiste ist als gelungen zu bezeichnen. Der
größere Theil der Skizzen dieses -I. Bandes bezieht sich ans das Mittelalter., So
namentlich die Geschichte des ersten Kreuzzuges, die sich durch alle sechs Hefte
hindurchzieht und noch , eine weitere Fortsetzung in Aussicht stellt; ferner einzelne
Sittenschilderungen: der europäische Sklaveuhaudel des Mittelalters, der Donnerstag
(ein mythologisches Fragment), die Victnalienbrüder, die Gottesurtheile, Züge aus
dem bürgerlichen Leben des Mittelalters u. s! w. Aber einzelne Aufsätze gehe»
auch auf die neue Zeit em, z. B. die Türken vor Wien -1683, ein Besuch Peter
des Großen beim König Friedrich Wilhelm s.,'Wallensteins Tod zu Eger u. s. w.
Diese bunte Reichhaltigkeit des Materials ist dem Zweck eines unterhaltenden
Lesebuchs durchaus entsprechend und der Anklang, den das Unternehmen bis jetzt
gefunden hat, scheint auch zu beweisen, daß der Verfasser seiue Aufgabe richtig
verstanden hat. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97963"/>
            <p xml:id="ID_571" prev="#ID_570"> Mühe den Staub abschütteln muß, ehe man zu den eigentlich historischen Ge¬<lb/>
stalten vordringt. Als Ergänzung dieser pragmatischen Methode siud^ naive Ge¬<lb/>
schichtschreiber wie Washington Irving von unendlichem Werth. In keinem Buch<lb/>
verleugnet Irving den wahren Dichter. Derselbe Zauber der Darstellung, der<lb/>
seine Skizzen zu einem der Lieblingsbücher des englischen Publicums gemachthat,<lb/>
verbreitet sich auch über seiue historischen Werke. Mit dem geringsten Aufwand,<lb/>
.ja mit einer seltenen Einfachheit weiß er der Phantasie des Lesers ein vollständig<lb/>
klares Bild zu geben. Seine Kunst besteht darin, in den Quellen diejenigen<lb/>
Seiten aufzufinden, die jenen vorliegend sinnlichen Charakter tragen, und sie dann<lb/>
harmonisch zu verschmelzen. Was die andern Schriftsteller durch Raisonnement<lb/>
zu erreichen suchen, deutet er nur durch die Gruppirung der Thatsachen an. Aus<lb/>
Analyse, auf politische Auseinandersetzungen u. dergl. läßt er sich fast gar uicht<lb/>
ein; er begnügt sich damit zu erzählen, aber er erzählt mit einer Sicherheit und<lb/>
einer Schnellkraft der Phantasie, daß er seines Erfolgs bei jedem Publicum gewiß<lb/>
ist. &#x2014; Der gegenwärtige Band, der eine Fortsetzung vom &#x201E;Leben Mahomeds"<lb/>
ist, umfaßt die eigentlich emporstrebende Zeit des Kalifenthnms; er schließt mit<lb/>
den Vorbereitungen zum Einfall in Spanien. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Deutsche Geschichtsbibliothek oder Darstellungen aus der Welt¬<lb/>
geschichte für Leser aller Stände. Unter Mitwirkung verschiedener Ge¬<lb/>
lehrten herausgegeben von O. Klopp. 1. Band. Hannover, Ninnpler. &#x2014;</head><lb/>
            <p xml:id="ID_572"> Der Zweck, den sich der Herausgeber dieser Sammlung gestellt hat, stimmt<lb/>
ungefähr mit der Richtung Washington Jrvings überein. Er geht darauf aus,<lb/>
einfach zu erzählen, den Stoff abgelöst von der damit verbundenen Reflexion so<lb/>
einfach als möglich zur Anschauung zu bringen. Der Erfolg kann freilich bei der<lb/>
großen Reihe kleiner Artikel nicht überall der gleiche sein, aber wenigstens ist die<lb/>
Methode überall festgehalten und das Meiste ist als gelungen zu bezeichnen. Der<lb/>
größere Theil der Skizzen dieses -I. Bandes bezieht sich ans das Mittelalter., So<lb/>
namentlich die Geschichte des ersten Kreuzzuges, die sich durch alle sechs Hefte<lb/>
hindurchzieht und noch , eine weitere Fortsetzung in Aussicht stellt; ferner einzelne<lb/>
Sittenschilderungen: der europäische Sklaveuhaudel des Mittelalters, der Donnerstag<lb/>
(ein mythologisches Fragment), die Victnalienbrüder, die Gottesurtheile, Züge aus<lb/>
dem bürgerlichen Leben des Mittelalters u. s! w. Aber einzelne Aufsätze gehe»<lb/>
auch auf die neue Zeit em, z. B. die Türken vor Wien -1683, ein Besuch Peter<lb/>
des Großen beim König Friedrich Wilhelm s.,'Wallensteins Tod zu Eger u. s. w.<lb/>
Diese bunte Reichhaltigkeit des Materials ist dem Zweck eines unterhaltenden<lb/>
Lesebuchs durchaus entsprechend und der Anklang, den das Unternehmen bis jetzt<lb/>
gefunden hat, scheint auch zu beweisen, daß der Verfasser seiue Aufgabe richtig<lb/>
verstanden hat. &#x2014;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0183] Mühe den Staub abschütteln muß, ehe man zu den eigentlich historischen Ge¬ stalten vordringt. Als Ergänzung dieser pragmatischen Methode siud^ naive Ge¬ schichtschreiber wie Washington Irving von unendlichem Werth. In keinem Buch verleugnet Irving den wahren Dichter. Derselbe Zauber der Darstellung, der seine Skizzen zu einem der Lieblingsbücher des englischen Publicums gemachthat, verbreitet sich auch über seiue historischen Werke. Mit dem geringsten Aufwand, .ja mit einer seltenen Einfachheit weiß er der Phantasie des Lesers ein vollständig klares Bild zu geben. Seine Kunst besteht darin, in den Quellen diejenigen Seiten aufzufinden, die jenen vorliegend sinnlichen Charakter tragen, und sie dann harmonisch zu verschmelzen. Was die andern Schriftsteller durch Raisonnement zu erreichen suchen, deutet er nur durch die Gruppirung der Thatsachen an. Aus Analyse, auf politische Auseinandersetzungen u. dergl. läßt er sich fast gar uicht ein; er begnügt sich damit zu erzählen, aber er erzählt mit einer Sicherheit und einer Schnellkraft der Phantasie, daß er seines Erfolgs bei jedem Publicum gewiß ist. — Der gegenwärtige Band, der eine Fortsetzung vom „Leben Mahomeds" ist, umfaßt die eigentlich emporstrebende Zeit des Kalifenthnms; er schließt mit den Vorbereitungen zum Einfall in Spanien. — Deutsche Geschichtsbibliothek oder Darstellungen aus der Welt¬ geschichte für Leser aller Stände. Unter Mitwirkung verschiedener Ge¬ lehrten herausgegeben von O. Klopp. 1. Band. Hannover, Ninnpler. — Der Zweck, den sich der Herausgeber dieser Sammlung gestellt hat, stimmt ungefähr mit der Richtung Washington Jrvings überein. Er geht darauf aus, einfach zu erzählen, den Stoff abgelöst von der damit verbundenen Reflexion so einfach als möglich zur Anschauung zu bringen. Der Erfolg kann freilich bei der großen Reihe kleiner Artikel nicht überall der gleiche sein, aber wenigstens ist die Methode überall festgehalten und das Meiste ist als gelungen zu bezeichnen. Der größere Theil der Skizzen dieses -I. Bandes bezieht sich ans das Mittelalter., So namentlich die Geschichte des ersten Kreuzzuges, die sich durch alle sechs Hefte hindurchzieht und noch , eine weitere Fortsetzung in Aussicht stellt; ferner einzelne Sittenschilderungen: der europäische Sklaveuhaudel des Mittelalters, der Donnerstag (ein mythologisches Fragment), die Victnalienbrüder, die Gottesurtheile, Züge aus dem bürgerlichen Leben des Mittelalters u. s! w. Aber einzelne Aufsätze gehe» auch auf die neue Zeit em, z. B. die Türken vor Wien -1683, ein Besuch Peter des Großen beim König Friedrich Wilhelm s.,'Wallensteins Tod zu Eger u. s. w. Diese bunte Reichhaltigkeit des Materials ist dem Zweck eines unterhaltenden Lesebuchs durchaus entsprechend und der Anklang, den das Unternehmen bis jetzt gefunden hat, scheint auch zu beweisen, daß der Verfasser seiue Aufgabe richtig verstanden hat. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/182
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/182>, abgerufen am 22.12.2024.