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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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nicht mit dem Vollgefühl jener ruhigen Würde auftreten, die allein das Be¬
wußtsein einer starken und gesicherten Macht gewährt, und wenn seine Diplomatie
sich in allen schwierigen Zeiten zugleich herausfordernd und zaghaft gezeigt hat, so
lag das nicht blos in den zufälligen Persönlichkeiten, sondern es lag wenigstens
zum Theil in dem Wesen des Staats. Eine große entscheidende Rolle konnte
Preußen nur dann spielen, wenn diese beiden Seiten seiner Thätigkeit, die mili¬
tärische und die diplomatische, in einer Hand richten, d. h. wenn der König zu¬
gleich ein großer Feldherr nud ein großer Staatsmann war. Das ist ein Glück,
welches die Geschichte nicht zweimal im Laufe eines Jahrhunderts zu gewähren
pflegt und das uns. seit Friedrich dem Großen nicht zu Theil geworden ist.

Nun ist es höchst charakteristisch, wie unmittelbar nach dem Tode des Königs
seine bisheri-gen Diener (die Herzberg, die Braunschweig u. s. w.) die Politik in
seiner Weise fortzusetzen strebten, zum Theil nicht ohne Geschick, wenn anch mit
mehr Routine als Inspiration. Aber auf der> andern Seite waren sie nicht blos
streng monarchisch, sondern ans Dienen gewöhnt. Als also der Zauber des Er¬
folges von ihren Unternehmungen zu schwinden begann, bei dem neue" König
sich anderweitige Einflüsse geltend machten und nun ein Conflict der Ideen und
Bestrebungen eintrat, da wußten sie weder ihren Willen geltend zu machen, noch,
wie es in einem echt monarchischen Staat der Fall ist, sich zurückzuziehen. Sie
waren daran gewöhnt, blind zu gehorchen, warum sollten sie nicht auch dem neuen
Willen diene", wenn auch ihre bisherige Routine ihnen sagte, daß en ein unrich¬
tig geleiteter war? So kam denn in die Leitung der Geschäfte eine Unsicherheit,
ein halbes Wollen, ein Hemmen des einen durch den andern, daß an eine ein¬
heitliche Verfolgung eiues Zieles nicht zu denken war.
'

Dies hat nnn der Verfasser sehr schön auseinandergesetzt. Er hat von König
Friedrich Wilhelm II., einem wohlgesinnten nud geistvollen Manu, der wohl fähig
war, eine glückliche Idee zu erfassen, dem aber die erste Negententugend fehlte, die
einzige, die den Erfolg verbürgt, nämlich die Beharrlichkeit in den Vorsätzen und
die Klarheit in deu Entschlüsse", ein anziehendes und lehrreiches Bild entworfen.
Jetzt wurde Preußen ein Spielball der Diplomatie, es schwankte rathlos hin und
her, nud sobald die feste und sichere Hand fehlte, welche alle diplomatischen-Be¬
wegungen aus einen bestimmten Zweck hinführte, wurden seine Diplomaten die
schlechtesten der ganzen Welt; denn ihnen fehlte die Tradition und der feste In¬
halt eines mächtigen naturwüchsige" Staats, und es fehlte ihnen ebenso der
Herrschcrwille, der die abenteuerlichen Irrfahrten eiues Staats, der sich erst künst¬
lich Bahn brechen will, zu meistern versteht.

So war es in den Jahren -1787--93, so ist es heute wieder. Auch heute
ist wieder die preußische Diplomatie der Spott aller Welt geworden, und es ist
fast ein Wunder zu nennen, daßPrenßen ans allen diesen abenteuerlichen, unklaren
und unsichern Lelleitäten noch überhaupt seine Existenz gerettet hat. Da nun


nicht mit dem Vollgefühl jener ruhigen Würde auftreten, die allein das Be¬
wußtsein einer starken und gesicherten Macht gewährt, und wenn seine Diplomatie
sich in allen schwierigen Zeiten zugleich herausfordernd und zaghaft gezeigt hat, so
lag das nicht blos in den zufälligen Persönlichkeiten, sondern es lag wenigstens
zum Theil in dem Wesen des Staats. Eine große entscheidende Rolle konnte
Preußen nur dann spielen, wenn diese beiden Seiten seiner Thätigkeit, die mili¬
tärische und die diplomatische, in einer Hand richten, d. h. wenn der König zu¬
gleich ein großer Feldherr nud ein großer Staatsmann war. Das ist ein Glück,
welches die Geschichte nicht zweimal im Laufe eines Jahrhunderts zu gewähren
pflegt und das uns. seit Friedrich dem Großen nicht zu Theil geworden ist.

Nun ist es höchst charakteristisch, wie unmittelbar nach dem Tode des Königs
seine bisheri-gen Diener (die Herzberg, die Braunschweig u. s. w.) die Politik in
seiner Weise fortzusetzen strebten, zum Theil nicht ohne Geschick, wenn anch mit
mehr Routine als Inspiration. Aber auf der> andern Seite waren sie nicht blos
streng monarchisch, sondern ans Dienen gewöhnt. Als also der Zauber des Er¬
folges von ihren Unternehmungen zu schwinden begann, bei dem neue» König
sich anderweitige Einflüsse geltend machten und nun ein Conflict der Ideen und
Bestrebungen eintrat, da wußten sie weder ihren Willen geltend zu machen, noch,
wie es in einem echt monarchischen Staat der Fall ist, sich zurückzuziehen. Sie
waren daran gewöhnt, blind zu gehorchen, warum sollten sie nicht auch dem neuen
Willen diene», wenn auch ihre bisherige Routine ihnen sagte, daß en ein unrich¬
tig geleiteter war? So kam denn in die Leitung der Geschäfte eine Unsicherheit,
ein halbes Wollen, ein Hemmen des einen durch den andern, daß an eine ein¬
heitliche Verfolgung eiues Zieles nicht zu denken war.
'

Dies hat nnn der Verfasser sehr schön auseinandergesetzt. Er hat von König
Friedrich Wilhelm II., einem wohlgesinnten nud geistvollen Manu, der wohl fähig
war, eine glückliche Idee zu erfassen, dem aber die erste Negententugend fehlte, die
einzige, die den Erfolg verbürgt, nämlich die Beharrlichkeit in den Vorsätzen und
die Klarheit in deu Entschlüsse», ein anziehendes und lehrreiches Bild entworfen.
Jetzt wurde Preußen ein Spielball der Diplomatie, es schwankte rathlos hin und
her, nud sobald die feste und sichere Hand fehlte, welche alle diplomatischen-Be¬
wegungen aus einen bestimmten Zweck hinführte, wurden seine Diplomaten die
schlechtesten der ganzen Welt; denn ihnen fehlte die Tradition und der feste In¬
halt eines mächtigen naturwüchsige» Staats, und es fehlte ihnen ebenso der
Herrschcrwille, der die abenteuerlichen Irrfahrten eiues Staats, der sich erst künst¬
lich Bahn brechen will, zu meistern versteht.

So war es in den Jahren -1787—93, so ist es heute wieder. Auch heute
ist wieder die preußische Diplomatie der Spott aller Welt geworden, und es ist
fast ein Wunder zu nennen, daßPrenßen ans allen diesen abenteuerlichen, unklaren
und unsichern Lelleitäten noch überhaupt seine Existenz gerettet hat. Da nun


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[0173] nicht mit dem Vollgefühl jener ruhigen Würde auftreten, die allein das Be¬ wußtsein einer starken und gesicherten Macht gewährt, und wenn seine Diplomatie sich in allen schwierigen Zeiten zugleich herausfordernd und zaghaft gezeigt hat, so lag das nicht blos in den zufälligen Persönlichkeiten, sondern es lag wenigstens zum Theil in dem Wesen des Staats. Eine große entscheidende Rolle konnte Preußen nur dann spielen, wenn diese beiden Seiten seiner Thätigkeit, die mili¬ tärische und die diplomatische, in einer Hand richten, d. h. wenn der König zu¬ gleich ein großer Feldherr nud ein großer Staatsmann war. Das ist ein Glück, welches die Geschichte nicht zweimal im Laufe eines Jahrhunderts zu gewähren pflegt und das uns. seit Friedrich dem Großen nicht zu Theil geworden ist. Nun ist es höchst charakteristisch, wie unmittelbar nach dem Tode des Königs seine bisheri-gen Diener (die Herzberg, die Braunschweig u. s. w.) die Politik in seiner Weise fortzusetzen strebten, zum Theil nicht ohne Geschick, wenn anch mit mehr Routine als Inspiration. Aber auf der> andern Seite waren sie nicht blos streng monarchisch, sondern ans Dienen gewöhnt. Als also der Zauber des Er¬ folges von ihren Unternehmungen zu schwinden begann, bei dem neue» König sich anderweitige Einflüsse geltend machten und nun ein Conflict der Ideen und Bestrebungen eintrat, da wußten sie weder ihren Willen geltend zu machen, noch, wie es in einem echt monarchischen Staat der Fall ist, sich zurückzuziehen. Sie waren daran gewöhnt, blind zu gehorchen, warum sollten sie nicht auch dem neuen Willen diene», wenn auch ihre bisherige Routine ihnen sagte, daß en ein unrich¬ tig geleiteter war? So kam denn in die Leitung der Geschäfte eine Unsicherheit, ein halbes Wollen, ein Hemmen des einen durch den andern, daß an eine ein¬ heitliche Verfolgung eiues Zieles nicht zu denken war. ' Dies hat nnn der Verfasser sehr schön auseinandergesetzt. Er hat von König Friedrich Wilhelm II., einem wohlgesinnten nud geistvollen Manu, der wohl fähig war, eine glückliche Idee zu erfassen, dem aber die erste Negententugend fehlte, die einzige, die den Erfolg verbürgt, nämlich die Beharrlichkeit in den Vorsätzen und die Klarheit in deu Entschlüsse», ein anziehendes und lehrreiches Bild entworfen. Jetzt wurde Preußen ein Spielball der Diplomatie, es schwankte rathlos hin und her, nud sobald die feste und sichere Hand fehlte, welche alle diplomatischen-Be¬ wegungen aus einen bestimmten Zweck hinführte, wurden seine Diplomaten die schlechtesten der ganzen Welt; denn ihnen fehlte die Tradition und der feste In¬ halt eines mächtigen naturwüchsige» Staats, und es fehlte ihnen ebenso der Herrschcrwille, der die abenteuerlichen Irrfahrten eiues Staats, der sich erst künst¬ lich Bahn brechen will, zu meistern versteht. So war es in den Jahren -1787—93, so ist es heute wieder. Auch heute ist wieder die preußische Diplomatie der Spott aller Welt geworden, und es ist fast ein Wunder zu nennen, daßPrenßen ans allen diesen abenteuerlichen, unklaren und unsichern Lelleitäten noch überhaupt seine Existenz gerettet hat. Da nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/172>, abgerufen am 22.12.2024.