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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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ans dem Hause entfernen. Dieser Befehl wurde bis vor kurzem noch buchstäblich
ausgeführt, jetzt aber räumt mau nur noch die Plätze der Pciirs hinter den
Schranken und die Diplomatengalerie, die sich noch'innerhalb des Saales be¬
finden. Sowie der Sprecher die Galerien hat räumen lassen, dreht einer der
Schriftführer eine Zweiminntensandnhr um, "in den in andern Theilen des Ge¬
bäudes zerstreuten Mitgliedern Zeit z" gebe", sich einzufinden. Um sie zusammen¬
zurufen, setzt ein electrischer Strom die in jedem Zimmer aufgehängten Klingeln
in Bewegung, welche einen ganz eigenthümlichen Ton von sich geben. Die Ab¬
wesenden eilen herbei und sowie die Sanduhr abgelaufen ist, werden die außer"
Thüren geschlossen und niemand darf aus oder ein, Der Sprecher befiehlt dann
"die Ja rechts, die Nein links!" und die erster" gehen zu einer Thür hinter dem
Prästdeutenstuhl hinaus, während die andern den Gangway hinauf den Saal durch
eine kleine Thür an der linken Seitenwand des Saales verlassen. Der Sprecher
schickt dann zwei Zähler an jede Thür und einer derselben berichtet, daß das
Hans geräumt ist. Nun treten die Mitglieder eines nach dem audern wieder
ein -- die Jasagenden durch die Haupthür, die zu den Schranke" führt, die
Neinsagendcn z" der hinter dem Prästdentenstuhl befindlichen Thür, jedes Mit¬
glied geht zwischen den beiden Zählern hindurch, welche sie zählen, während ein
Schriftführer mit einer Mitgliederliste in der Hand die Namen der Abstimmenden
anstreicht. Sind alle Mitglieder wieder im Saale und ans ihren Plätze", so ver¬
gleichen die Zähler ihre Zahlen und treten, wen" sie richtig sind, mit- den ge¬
wöhnliche" drei Verbengunge" an die Tafel. Hier meldet' der erste Zähler mit
lauter Stimme "die Jasageude" rechts so und so viel, die Neinsagendcn links so
und so viel," der Sprecher wiederholt die Zahlen und damit ist die Abstimmung
vollendet. Der anscheinend sehr umständliche Proceß danert nie länger als fünf
oder sectis Minuten und ein Irrthum ist kaum möglich, da drei Personen ans je¬
der Seite das Zählen besorgen; höchstens verläuft sich einmal ein Mitglied ans
die falsche Seite.

Für das Zusammenhalten der Majoritäten hat der Einpeitscher jeder Partei
zu sorgen. Dies ist ein Mitglied von sehr großer parlamentarischer Erfahrung,
bedeutender Menschenkenntniß und großem Tacte, dem zur Bearbeitung der jun¬
gen Mitglieder noch zwei Adjutanten zur Seite stehen. Er und. seine Gehilfen
müssen zu allen Zeiten wissen, wo die Mitglieder ihrer Partei, wen" es zu einer
Abstimmung kommt, zu finden sind und sie haben dafür zu sorgen, daß in allen
nöthige" Fällen die erforderliche Zahl vorhanden ist. Auf der ministeriellen Seite
bekleidet dies Amt stets ein Secretär des Schatzes, gegenwärtig Mr. Hayter.

Die eigentliche Glanzzeit des Parlaments dauert von Februar bis Pfingsten.
Um diese Zeit sind die wichtigsten ministeriellen Maßregel" zur zweiten Lesung ge¬
langt. Die großen Angriffe der Opposition find vorüber und der Kampf ver¬
längert sich nicht mehr bis einige Stunden nach Mitternacht. Endlich kommt der


ans dem Hause entfernen. Dieser Befehl wurde bis vor kurzem noch buchstäblich
ausgeführt, jetzt aber räumt mau nur noch die Plätze der Pciirs hinter den
Schranken und die Diplomatengalerie, die sich noch'innerhalb des Saales be¬
finden. Sowie der Sprecher die Galerien hat räumen lassen, dreht einer der
Schriftführer eine Zweiminntensandnhr um, »in den in andern Theilen des Ge¬
bäudes zerstreuten Mitgliedern Zeit z» gebe», sich einzufinden. Um sie zusammen¬
zurufen, setzt ein electrischer Strom die in jedem Zimmer aufgehängten Klingeln
in Bewegung, welche einen ganz eigenthümlichen Ton von sich geben. Die Ab¬
wesenden eilen herbei und sowie die Sanduhr abgelaufen ist, werden die außer»
Thüren geschlossen und niemand darf aus oder ein, Der Sprecher befiehlt dann
„die Ja rechts, die Nein links!" und die erster» gehen zu einer Thür hinter dem
Prästdeutenstuhl hinaus, während die andern den Gangway hinauf den Saal durch
eine kleine Thür an der linken Seitenwand des Saales verlassen. Der Sprecher
schickt dann zwei Zähler an jede Thür und einer derselben berichtet, daß das
Hans geräumt ist. Nun treten die Mitglieder eines nach dem audern wieder
ein — die Jasagenden durch die Haupthür, die zu den Schranke» führt, die
Neinsagendcn z» der hinter dem Prästdentenstuhl befindlichen Thür, jedes Mit¬
glied geht zwischen den beiden Zählern hindurch, welche sie zählen, während ein
Schriftführer mit einer Mitgliederliste in der Hand die Namen der Abstimmenden
anstreicht. Sind alle Mitglieder wieder im Saale und ans ihren Plätze», so ver¬
gleichen die Zähler ihre Zahlen und treten, wen» sie richtig sind, mit- den ge¬
wöhnliche» drei Verbengunge» an die Tafel. Hier meldet' der erste Zähler mit
lauter Stimme „die Jasageude» rechts so und so viel, die Neinsagendcn links so
und so viel," der Sprecher wiederholt die Zahlen und damit ist die Abstimmung
vollendet. Der anscheinend sehr umständliche Proceß danert nie länger als fünf
oder sectis Minuten und ein Irrthum ist kaum möglich, da drei Personen ans je¬
der Seite das Zählen besorgen; höchstens verläuft sich einmal ein Mitglied ans
die falsche Seite.

Für das Zusammenhalten der Majoritäten hat der Einpeitscher jeder Partei
zu sorgen. Dies ist ein Mitglied von sehr großer parlamentarischer Erfahrung,
bedeutender Menschenkenntniß und großem Tacte, dem zur Bearbeitung der jun¬
gen Mitglieder noch zwei Adjutanten zur Seite stehen. Er und. seine Gehilfen
müssen zu allen Zeiten wissen, wo die Mitglieder ihrer Partei, wen» es zu einer
Abstimmung kommt, zu finden sind und sie haben dafür zu sorgen, daß in allen
nöthige» Fällen die erforderliche Zahl vorhanden ist. Auf der ministeriellen Seite
bekleidet dies Amt stets ein Secretär des Schatzes, gegenwärtig Mr. Hayter.

Die eigentliche Glanzzeit des Parlaments dauert von Februar bis Pfingsten.
Um diese Zeit sind die wichtigsten ministeriellen Maßregel» zur zweiten Lesung ge¬
langt. Die großen Angriffe der Opposition find vorüber und der Kampf ver¬
längert sich nicht mehr bis einige Stunden nach Mitternacht. Endlich kommt der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/17>, abgerufen am 23.07.2024.