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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Das Hauptverdienst aber besteht in den Anmerkungen. Ein sehr gelehrter Kenner
der Kunstgeschichte, hat der Verfasser es verstanden, oft bei den unscheinbarsten
Dokumenten uns eine Aussicht in das sociale und künstlerische Leben der Zeit zu
eröffnen, und es ist ihm das um so mehr gelungen, weil er mit Andacht und
Hingebung bei der Sache gewesen ist. Die künstlerischen Größen, die für uns
bisher immer etwas Schattenhaftes hatten, weil wir sie nur im Reich der Ideale
suchten, empfangen durch diese unmittelbare Beziehung auf das wirkliche Leben
Farbe und Physiognomie, und sie können dabei nur gewinnen. So offenbart sich
namentlich in dem Gemüth Michel Angelos neben der Stärke, die seinen hohen
Kunstleistungen entspricht, zugleich eine Weichheit und Tiefe, die man nach der
gewöhnlichen Tradition bei ihm gar nicht gesucht hätte. Außer Michel Angelo
nahmen unter den berühmteren Malern Leonardo da Vinci und Titian den größten
Raum ein. Einen seltsamen Abstich gegen diese Männer, die in dem Glanz und
der Fülle des Daseins schwelgten, macht der liebenswürdige und bescheidene
Correggio, dessen "heilige Nacht" eine der größten Zierden der Dresdner Galerie,
nach dem Kauscontract vom 14. Oct. an Alberto Pratonero für 208 Lire,
d. h. für 136--1i0 preuß. Thaler verkauft wurde. ' Also auch in jenem classi¬
schen Zeitalter der Kunst war es doch nicht blos die glänzende Situation der
Künstler, was ihre Werke zeitigte, wenn anch freilich Correggio nach dieser Seite
hin ziemlich allein steht. -- Ein großes Interesse haben die Briefe Titians
wegen seiner Beziehung zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des politischen und
literarischen Lebens. --


Deutscher Porträtkatalog von Drugulin. Leipzig. Drugulin. --

Die Erfindung der Photographie hat die Aufmerksamkeit des größern Publi-
cums auf die sinnliche Seite der historischen Persönlichkeiten gelenkt, und das
Interesse für Porträts historischer Persönlichkeiten hat dadurch eine neue Anregung
erhalten. Es wird dem größern Publicum also gewiß willkommen sein, eine
reichhaltige Nachweisung zu erhalten, wo gute Porträts zu finden sind. Das
wohlausgestattete Antiquarium von Drugnlin gibt in dem vorliegenden Verzeichnis)
3939 deutsche, 18Ä6 ausländische Porträts, die einen sehr bedeutenden Theil
der Geschichte umfassen und die theilweise auch künstlerisch von großem Werth
sind. Es wäre sehr wünschenswert!), wenn ähnliche Verzeichnisse von allen Seiten
herauskamen, um wenigstens eine ungefähre Uebersicht zu gewinnen. Der Heraus¬
geber verspricht eine fortlaufende Ergänzung. Wünschenswert!) und zweckmäßig
wäre nun auch ein Nachweis der gemalten Porträts, da die gegenwärtige Samm¬
lung nur Stiche umfaßt.




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Das Hauptverdienst aber besteht in den Anmerkungen. Ein sehr gelehrter Kenner
der Kunstgeschichte, hat der Verfasser es verstanden, oft bei den unscheinbarsten
Dokumenten uns eine Aussicht in das sociale und künstlerische Leben der Zeit zu
eröffnen, und es ist ihm das um so mehr gelungen, weil er mit Andacht und
Hingebung bei der Sache gewesen ist. Die künstlerischen Größen, die für uns
bisher immer etwas Schattenhaftes hatten, weil wir sie nur im Reich der Ideale
suchten, empfangen durch diese unmittelbare Beziehung auf das wirkliche Leben
Farbe und Physiognomie, und sie können dabei nur gewinnen. So offenbart sich
namentlich in dem Gemüth Michel Angelos neben der Stärke, die seinen hohen
Kunstleistungen entspricht, zugleich eine Weichheit und Tiefe, die man nach der
gewöhnlichen Tradition bei ihm gar nicht gesucht hätte. Außer Michel Angelo
nahmen unter den berühmteren Malern Leonardo da Vinci und Titian den größten
Raum ein. Einen seltsamen Abstich gegen diese Männer, die in dem Glanz und
der Fülle des Daseins schwelgten, macht der liebenswürdige und bescheidene
Correggio, dessen „heilige Nacht" eine der größten Zierden der Dresdner Galerie,
nach dem Kauscontract vom 14. Oct. an Alberto Pratonero für 208 Lire,
d. h. für 136—1i0 preuß. Thaler verkauft wurde. ' Also auch in jenem classi¬
schen Zeitalter der Kunst war es doch nicht blos die glänzende Situation der
Künstler, was ihre Werke zeitigte, wenn anch freilich Correggio nach dieser Seite
hin ziemlich allein steht. — Ein großes Interesse haben die Briefe Titians
wegen seiner Beziehung zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des politischen und
literarischen Lebens. —


Deutscher Porträtkatalog von Drugulin. Leipzig. Drugulin. —

Die Erfindung der Photographie hat die Aufmerksamkeit des größern Publi-
cums auf die sinnliche Seite der historischen Persönlichkeiten gelenkt, und das
Interesse für Porträts historischer Persönlichkeiten hat dadurch eine neue Anregung
erhalten. Es wird dem größern Publicum also gewiß willkommen sein, eine
reichhaltige Nachweisung zu erhalten, wo gute Porträts zu finden sind. Das
wohlausgestattete Antiquarium von Drugnlin gibt in dem vorliegenden Verzeichnis)
3939 deutsche, 18Ä6 ausländische Porträts, die einen sehr bedeutenden Theil
der Geschichte umfassen und die theilweise auch künstlerisch von großem Werth
sind. Es wäre sehr wünschenswert!), wenn ähnliche Verzeichnisse von allen Seiten
herauskamen, um wenigstens eine ungefähre Uebersicht zu gewinnen. Der Heraus¬
geber verspricht eine fortlaufende Ergänzung. Wünschenswert!) und zweckmäßig
wäre nun auch ein Nachweis der gemalten Porträts, da die gegenwärtige Samm¬
lung nur Stiche umfaßt.




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[0147] Das Hauptverdienst aber besteht in den Anmerkungen. Ein sehr gelehrter Kenner der Kunstgeschichte, hat der Verfasser es verstanden, oft bei den unscheinbarsten Dokumenten uns eine Aussicht in das sociale und künstlerische Leben der Zeit zu eröffnen, und es ist ihm das um so mehr gelungen, weil er mit Andacht und Hingebung bei der Sache gewesen ist. Die künstlerischen Größen, die für uns bisher immer etwas Schattenhaftes hatten, weil wir sie nur im Reich der Ideale suchten, empfangen durch diese unmittelbare Beziehung auf das wirkliche Leben Farbe und Physiognomie, und sie können dabei nur gewinnen. So offenbart sich namentlich in dem Gemüth Michel Angelos neben der Stärke, die seinen hohen Kunstleistungen entspricht, zugleich eine Weichheit und Tiefe, die man nach der gewöhnlichen Tradition bei ihm gar nicht gesucht hätte. Außer Michel Angelo nahmen unter den berühmteren Malern Leonardo da Vinci und Titian den größten Raum ein. Einen seltsamen Abstich gegen diese Männer, die in dem Glanz und der Fülle des Daseins schwelgten, macht der liebenswürdige und bescheidene Correggio, dessen „heilige Nacht" eine der größten Zierden der Dresdner Galerie, nach dem Kauscontract vom 14. Oct. an Alberto Pratonero für 208 Lire, d. h. für 136—1i0 preuß. Thaler verkauft wurde. ' Also auch in jenem classi¬ schen Zeitalter der Kunst war es doch nicht blos die glänzende Situation der Künstler, was ihre Werke zeitigte, wenn anch freilich Correggio nach dieser Seite hin ziemlich allein steht. — Ein großes Interesse haben die Briefe Titians wegen seiner Beziehung zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des politischen und literarischen Lebens. — Deutscher Porträtkatalog von Drugulin. Leipzig. Drugulin. — Die Erfindung der Photographie hat die Aufmerksamkeit des größern Publi- cums auf die sinnliche Seite der historischen Persönlichkeiten gelenkt, und das Interesse für Porträts historischer Persönlichkeiten hat dadurch eine neue Anregung erhalten. Es wird dem größern Publicum also gewiß willkommen sein, eine reichhaltige Nachweisung zu erhalten, wo gute Porträts zu finden sind. Das wohlausgestattete Antiquarium von Drugnlin gibt in dem vorliegenden Verzeichnis) 3939 deutsche, 18Ä6 ausländische Porträts, die einen sehr bedeutenden Theil der Geschichte umfassen und die theilweise auch künstlerisch von großem Werth sind. Es wäre sehr wünschenswert!), wenn ähnliche Verzeichnisse von allen Seiten herauskamen, um wenigstens eine ungefähre Uebersicht zu gewinnen. Der Heraus¬ geber verspricht eine fortlaufende Ergänzung. Wünschenswert!) und zweckmäßig wäre nun auch ein Nachweis der gemalten Porträts, da die gegenwärtige Samm¬ lung nur Stiche umfaßt. -18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/146>, abgerufen am 23.07.2024.