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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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maßen geschwächt, daß er fortan aus Deutschland keinen weitern Einfluß zu üben
vermöchte. Mehr noch: die römisch-katholische Kirche müßte durch das Hinüber¬
ziehen Polens aus dem Staatsverbande eines ausschließlich griechisch-katholischen
Reiches in den eines gemischt evangelisch-katholischen ihre Politik wesentlich ge¬
fördert sehen. Ganz unberechenbar groß wäre aber der Gewinn Englands,
welches, so lange es seinen Hauptbedarf an Getreide aus Rußland, d. h. von
einem Staate entnehmen mußte, dessen Tarif die Verhinderung der fremden
Einfuhr als Zweck unterliegt, nicht nnr unendliche Verluste in der Handelsbilanz
erlitt, sondern sich auch in einer unleugbaren Abhängigkeit vom Reiche des
Selbstherrschers befand, wogegen es, sobald Polen in Preußens Händen ist, der
Zufuhr von Riga und Odessa her uicht mehr bedürfen wird.

Jetzt also ist der Moment gekommen, wo Preußen, wenn es den Traditionen
der glorreichsten Periode seiner Vergangenheit getreu bleiben will, einen großen
entscheidenden Schritt wagen, sich offen der westlichen Kriegsallianz anschließen
und den Anfall Polens an seine östlichen Provinzen tractatmäßig im voraus
feststelle muß. Der Gewinn solches Kampfes, das kann nicht genug wiederholt
werden, wäre des Blutes werth, welches darin vergossen werden möchte.^)




Neue Schriften über Kunst
Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren. Kunstgeschichtliche
Briefe von Wolfgang Müller von Königswinter. Leipzig, Rudolph
Weigel. -- -

Dieses lesenswerthe Buch enthält eine ausführliche Darstellung der künstle¬
rischen Thätigkeit, welche seit der ersten Begründung der Düsseldorfer Schule
durch Schadow in der verwandten Richtung entwickelt worden ist. Von der zahl¬
losen Menge der mehr oder minder bedeutenden Künstler, die wenigstens eine be¬
stimmte Periode ihrer Entwicklung in Düsseldorf erlebt haben, ist vielleicht der
größere Theil in den Kreis der Betrachtung gezogen worden/ mit Angabe der
einzelnen Gemälde und mit motivirter Beurtheilung derselben. Wenn einerseits
dadurch in das Buch etwas Unruhiges und Unstetes kommt, weil bei der über¬
triebene" Masse von Material eine klare und kunstmäßige Vertheiluug von Licht
und Schatten uicht gut möglich war, so war es doch uach der ganzen Tendenz
des Verfassers unmöglich, eine durchgreifende Beschränkung des Stoffs vorzuneh¬
men. So wird man das Buch denn vorzugsweise als eine Vorarbeit für eigent¬
lich historische Darstellungen betrachten müssen. -- Es ist vorauszusehen, daß sich



Anm. der Red. -- Ueber die Zweckmäßigkeit preussischer Erwerbungen in Polen
theilen wir nicht ganz die Ansicht des verehrten Einsenders; wir behalten, uns vor, darauf
zurückznkvnimcn.

maßen geschwächt, daß er fortan aus Deutschland keinen weitern Einfluß zu üben
vermöchte. Mehr noch: die römisch-katholische Kirche müßte durch das Hinüber¬
ziehen Polens aus dem Staatsverbande eines ausschließlich griechisch-katholischen
Reiches in den eines gemischt evangelisch-katholischen ihre Politik wesentlich ge¬
fördert sehen. Ganz unberechenbar groß wäre aber der Gewinn Englands,
welches, so lange es seinen Hauptbedarf an Getreide aus Rußland, d. h. von
einem Staate entnehmen mußte, dessen Tarif die Verhinderung der fremden
Einfuhr als Zweck unterliegt, nicht nnr unendliche Verluste in der Handelsbilanz
erlitt, sondern sich auch in einer unleugbaren Abhängigkeit vom Reiche des
Selbstherrschers befand, wogegen es, sobald Polen in Preußens Händen ist, der
Zufuhr von Riga und Odessa her uicht mehr bedürfen wird.

Jetzt also ist der Moment gekommen, wo Preußen, wenn es den Traditionen
der glorreichsten Periode seiner Vergangenheit getreu bleiben will, einen großen
entscheidenden Schritt wagen, sich offen der westlichen Kriegsallianz anschließen
und den Anfall Polens an seine östlichen Provinzen tractatmäßig im voraus
feststelle muß. Der Gewinn solches Kampfes, das kann nicht genug wiederholt
werden, wäre des Blutes werth, welches darin vergossen werden möchte.^)




Neue Schriften über Kunst
Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren. Kunstgeschichtliche
Briefe von Wolfgang Müller von Königswinter. Leipzig, Rudolph
Weigel. — -

Dieses lesenswerthe Buch enthält eine ausführliche Darstellung der künstle¬
rischen Thätigkeit, welche seit der ersten Begründung der Düsseldorfer Schule
durch Schadow in der verwandten Richtung entwickelt worden ist. Von der zahl¬
losen Menge der mehr oder minder bedeutenden Künstler, die wenigstens eine be¬
stimmte Periode ihrer Entwicklung in Düsseldorf erlebt haben, ist vielleicht der
größere Theil in den Kreis der Betrachtung gezogen worden/ mit Angabe der
einzelnen Gemälde und mit motivirter Beurtheilung derselben. Wenn einerseits
dadurch in das Buch etwas Unruhiges und Unstetes kommt, weil bei der über¬
triebene» Masse von Material eine klare und kunstmäßige Vertheiluug von Licht
und Schatten uicht gut möglich war, so war es doch uach der ganzen Tendenz
des Verfassers unmöglich, eine durchgreifende Beschränkung des Stoffs vorzuneh¬
men. So wird man das Buch denn vorzugsweise als eine Vorarbeit für eigent¬
lich historische Darstellungen betrachten müssen. — Es ist vorauszusehen, daß sich



Anm. der Red. — Ueber die Zweckmäßigkeit preussischer Erwerbungen in Polen
theilen wir nicht ganz die Ansicht des verehrten Einsenders; wir behalten, uns vor, darauf
zurückznkvnimcn.
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[0144] maßen geschwächt, daß er fortan aus Deutschland keinen weitern Einfluß zu üben vermöchte. Mehr noch: die römisch-katholische Kirche müßte durch das Hinüber¬ ziehen Polens aus dem Staatsverbande eines ausschließlich griechisch-katholischen Reiches in den eines gemischt evangelisch-katholischen ihre Politik wesentlich ge¬ fördert sehen. Ganz unberechenbar groß wäre aber der Gewinn Englands, welches, so lange es seinen Hauptbedarf an Getreide aus Rußland, d. h. von einem Staate entnehmen mußte, dessen Tarif die Verhinderung der fremden Einfuhr als Zweck unterliegt, nicht nnr unendliche Verluste in der Handelsbilanz erlitt, sondern sich auch in einer unleugbaren Abhängigkeit vom Reiche des Selbstherrschers befand, wogegen es, sobald Polen in Preußens Händen ist, der Zufuhr von Riga und Odessa her uicht mehr bedürfen wird. Jetzt also ist der Moment gekommen, wo Preußen, wenn es den Traditionen der glorreichsten Periode seiner Vergangenheit getreu bleiben will, einen großen entscheidenden Schritt wagen, sich offen der westlichen Kriegsallianz anschließen und den Anfall Polens an seine östlichen Provinzen tractatmäßig im voraus feststelle muß. Der Gewinn solches Kampfes, das kann nicht genug wiederholt werden, wäre des Blutes werth, welches darin vergossen werden möchte.^) Neue Schriften über Kunst Düsseldorfer Künstler aus den letzten fünfundzwanzig Jahren. Kunstgeschichtliche Briefe von Wolfgang Müller von Königswinter. Leipzig, Rudolph Weigel. — - Dieses lesenswerthe Buch enthält eine ausführliche Darstellung der künstle¬ rischen Thätigkeit, welche seit der ersten Begründung der Düsseldorfer Schule durch Schadow in der verwandten Richtung entwickelt worden ist. Von der zahl¬ losen Menge der mehr oder minder bedeutenden Künstler, die wenigstens eine be¬ stimmte Periode ihrer Entwicklung in Düsseldorf erlebt haben, ist vielleicht der größere Theil in den Kreis der Betrachtung gezogen worden/ mit Angabe der einzelnen Gemälde und mit motivirter Beurtheilung derselben. Wenn einerseits dadurch in das Buch etwas Unruhiges und Unstetes kommt, weil bei der über¬ triebene» Masse von Material eine klare und kunstmäßige Vertheiluug von Licht und Schatten uicht gut möglich war, so war es doch uach der ganzen Tendenz des Verfassers unmöglich, eine durchgreifende Beschränkung des Stoffs vorzuneh¬ men. So wird man das Buch denn vorzugsweise als eine Vorarbeit für eigent¬ lich historische Darstellungen betrachten müssen. — Es ist vorauszusehen, daß sich Anm. der Red. — Ueber die Zweckmäßigkeit preussischer Erwerbungen in Polen theilen wir nicht ganz die Ansicht des verehrten Einsenders; wir behalten, uns vor, darauf zurückznkvnimcn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/143>, abgerufen am 23.07.2024.