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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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sodann hier Stellung nehmen. Die Frontlinie wird dadurch nicht nur um den
vollen Betrag der Donanbiegnngen, d. h. um das Vierfache, soudern auch um
die Ausdehnung der Kara-Su-Seen abgekürzt.

Wenn ich irgend Zweifel auch gegen den Erfolg dieses Planes hegen kann,
so beruhen dieselben darauf, daß man russischerscits nicht mehr Zeit haben wird,
die Brückenköpfe auf dem diesseitigen Ufer der Uebergangsstellen und die sonstigen
Jugeuieurarbeiten längs der fraglichen Linie von Bvghaskoj (Czernawoda) nach
Kustendsche auszuführen.




Ruck- und Vorschau der deutschen Politik bei Ans¬
pruch des orientalischen Krieges.

Keine Thatsache scheint mir sür die Zukunft Deutschlands bedeutungsvoller
zu sein, als die, daß die beiden großen Staaten, in denen seine innere Kraft
und sein Einfluß nach außen sich im überwiegenden Maße repräsentirt siudeu,
Preußen nämlich und Oestreich, an den ostwärtigen Grenzmarken ihr Entstehen
fanden, und, bei fortschreitender Entwicklung, nicht weniger über letztere
hinaus als westwärts in die bereits bestehende kleine deutsche Staatenwelt ein-
griffeu. Die deutsche Machtsphäre ist dadurch im Laufe der Zeiten um weite
Gebiete vergrößert, der deutscheu Nationalität ein ausgedehnterer Boden gewonnen,
endlich der deutschen politischen Zukunft, namentlich ostwärts, ein Feld eröffnet
worden, dessen Ausbeute würdig ist, die Thätigkeit eines großen Volkes in An¬
spruch zu nehmen.

Indeß ist nicht zu leugnen, daß von beiden deutschen Großmächten, von
Preußen uicht minder wie von Oestreich, noch größere Resultate nach dieser
Richtung hin hätten erzielt werden können. Man darf nicht vergessen, daß
Preußen zu Ausgang des letzten Jahrhunderts im Herzen Polens eine Stellung
eingenommen hatte, die sich gegenwärtig in Rußlands Händen befindet, und daß
Oestreich seinerseits, keinen Erwerb auszuweisen hat, der das allgemeine deutsche
Interesse für jenen preußischen Verlust zu entschädigen vermöchte.

Es bedarf nnr eines flüchtigen Einblicks in die Geschichte Mitteleuropas
während der jüngsten hundertundfunfzig Jahre, um sich davon zu überzeugen, daß
Deutschland in dieser Zeit nach Osten hin thatsächlich nicht so viel an Gebiet
gewonnen.hat, als es an Aussichten für seine spätere Zukunft in ebenderselben
Zeit verlor. Daß dies geschehen konnte, lag in einem verhängnisvollen Irrthum
begründet, dem Preußens wie Oestreichs Politik in Bezug ans die neue Stel¬
lung beider Staaten zu'der im Osten sich formirenden Großmacht, mit einem
Worte, in Hinsicht aus Rußland, verfiel.


sodann hier Stellung nehmen. Die Frontlinie wird dadurch nicht nur um den
vollen Betrag der Donanbiegnngen, d. h. um das Vierfache, soudern auch um
die Ausdehnung der Kara-Su-Seen abgekürzt.

Wenn ich irgend Zweifel auch gegen den Erfolg dieses Planes hegen kann,
so beruhen dieselben darauf, daß man russischerscits nicht mehr Zeit haben wird,
die Brückenköpfe auf dem diesseitigen Ufer der Uebergangsstellen und die sonstigen
Jugeuieurarbeiten längs der fraglichen Linie von Bvghaskoj (Czernawoda) nach
Kustendsche auszuführen.




Ruck- und Vorschau der deutschen Politik bei Ans¬
pruch des orientalischen Krieges.

Keine Thatsache scheint mir sür die Zukunft Deutschlands bedeutungsvoller
zu sein, als die, daß die beiden großen Staaten, in denen seine innere Kraft
und sein Einfluß nach außen sich im überwiegenden Maße repräsentirt siudeu,
Preußen nämlich und Oestreich, an den ostwärtigen Grenzmarken ihr Entstehen
fanden, und, bei fortschreitender Entwicklung, nicht weniger über letztere
hinaus als westwärts in die bereits bestehende kleine deutsche Staatenwelt ein-
griffeu. Die deutsche Machtsphäre ist dadurch im Laufe der Zeiten um weite
Gebiete vergrößert, der deutscheu Nationalität ein ausgedehnterer Boden gewonnen,
endlich der deutschen politischen Zukunft, namentlich ostwärts, ein Feld eröffnet
worden, dessen Ausbeute würdig ist, die Thätigkeit eines großen Volkes in An¬
spruch zu nehmen.

Indeß ist nicht zu leugnen, daß von beiden deutschen Großmächten, von
Preußen uicht minder wie von Oestreich, noch größere Resultate nach dieser
Richtung hin hätten erzielt werden können. Man darf nicht vergessen, daß
Preußen zu Ausgang des letzten Jahrhunderts im Herzen Polens eine Stellung
eingenommen hatte, die sich gegenwärtig in Rußlands Händen befindet, und daß
Oestreich seinerseits, keinen Erwerb auszuweisen hat, der das allgemeine deutsche
Interesse für jenen preußischen Verlust zu entschädigen vermöchte.

Es bedarf nnr eines flüchtigen Einblicks in die Geschichte Mitteleuropas
während der jüngsten hundertundfunfzig Jahre, um sich davon zu überzeugen, daß
Deutschland in dieser Zeit nach Osten hin thatsächlich nicht so viel an Gebiet
gewonnen.hat, als es an Aussichten für seine spätere Zukunft in ebenderselben
Zeit verlor. Daß dies geschehen konnte, lag in einem verhängnisvollen Irrthum
begründet, dem Preußens wie Oestreichs Politik in Bezug ans die neue Stel¬
lung beider Staaten zu'der im Osten sich formirenden Großmacht, mit einem
Worte, in Hinsicht aus Rußland, verfiel.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/139>, abgerufen am 23.07.2024.