Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durchdringen, um endlich jene öffentliche Meinung aufzuregen, deren Gewalt sich
keine Regierung entzieht. Nur jetzt keine diplomatischen Finessen, keine höhere
Staatsweisheit! Alle anderen Fragen, die sich an jene große orientalische knüpfen,
sind vollkommen gleichgültig gegen die einzige: Rußland hat uns seit einem Men¬
schenalter ans dieselbe Weise geistig geknechtet, wie es Napoleon vorher physisch
gethan, und der Freiheitskampf Europas gegen das russische Uebergewicht ist ein
ebenso heiliger, ein ebenso nothwendiger, als der Freiheitskampf Europas gegen
Napoleon im Jahre -1813.

Als einen glänzenden Beitrag zur Erfüllung dieser Pflicht der Presse führen
wir eine soeben erschienene Broschüre an: >

Preußen und Nußland. Leipzig, Hirzel. --

Für jeden, der nicht vollständig blind ist, wird hier auf das schlagendste
nachgewiesen, daß Rußland von jeher der schlimmste Feind Preußens war und
es sein mußte, und daß jetzt oder nie der Augenblick gekommen ist, diesen Feind,
gegen den man sonst unter den schlimmsten Umständen allein auftreten müßte,
mit der Hilfe des gesammten Europa in seine Schranken zurückzuweisen. Und
mit vollem Herzen schließen wir uns auch der Ueberzeugung des Verfassers an,
daß derselbe Augenblick der geeignetste ist, mit jener unpreußischen und undeutschen
Partei reinen Tisch zu machen, die sich ans das handgreiflichste als eine russische
enthüllt hat. In dieser Beziehung freuen wir uns darüber, daß man dem Rund-
schauer der Kreuzzeitung die völlige Freiheit gelassen hat, ans der- preußischen
Tribüne jene Ideen dreist und cynisch auszusprechen, die freilich das'Erstannen
und die Empörung der Nachwelt erregen werden, die aber die Mitwelt noch
immer nicht hinlänglich kennt. Alle liberalen Zeitungen sollten sich die Pflicht
machen, die Rede des Herrn v. Gerlach so viel als möglich zu verbreiten, damit
das ganze Volk erfährt, was das für Männer sind, die bisher zum Theil seine,
Politik gemacht haben.

Noch ans einen Umstand wollen wir hinweisen, dessen ausführlichere Be¬
sprechung wir uns aber vorbehalten müssen. Voraussichtlich wird der Krieg, wenn
er einmal ausgebrochen ist, nicht eher aufhören, als bis ganz Europa eine ganz
neue Gestalt gewonnen hat. Es kann nicht fehlen, daß alle alten Ansprüche und
Hoffnungen bei dieser Gelegenheit von neuem wieder ans Licht treten. Hier
soll sich nun Deutschland vor alleu Dingen daran erinnern, daß noch eine schwere
Schuld und folglich eine schwere Pflicht auf ihm lastet, wir meinen Schleswig-Holstein.
Es wird noch im Laufe dieser Tage in Jena bei Frommann ein Erinnerungsblatt
für Deutschland erscheinen: "Schleswig-Holsteins Gegenwart im März 185i", aus
das wir gleich von vornherein unsere Leser aufmerksam machen. Mit Schaudern
wird Deutschland daraus erfahren, was die berühmte Pacistcation der deutschen
Mächte diesem unglücklichen Laude für ein Schicksal bereitet hat. Wir wollen
hier unsererseits, nur auf eine bestimmte Seite des Gegenstandes aufmerksam


13*

durchdringen, um endlich jene öffentliche Meinung aufzuregen, deren Gewalt sich
keine Regierung entzieht. Nur jetzt keine diplomatischen Finessen, keine höhere
Staatsweisheit! Alle anderen Fragen, die sich an jene große orientalische knüpfen,
sind vollkommen gleichgültig gegen die einzige: Rußland hat uns seit einem Men¬
schenalter ans dieselbe Weise geistig geknechtet, wie es Napoleon vorher physisch
gethan, und der Freiheitskampf Europas gegen das russische Uebergewicht ist ein
ebenso heiliger, ein ebenso nothwendiger, als der Freiheitskampf Europas gegen
Napoleon im Jahre -1813.

Als einen glänzenden Beitrag zur Erfüllung dieser Pflicht der Presse führen
wir eine soeben erschienene Broschüre an: >

Preußen und Nußland. Leipzig, Hirzel. —

Für jeden, der nicht vollständig blind ist, wird hier auf das schlagendste
nachgewiesen, daß Rußland von jeher der schlimmste Feind Preußens war und
es sein mußte, und daß jetzt oder nie der Augenblick gekommen ist, diesen Feind,
gegen den man sonst unter den schlimmsten Umständen allein auftreten müßte,
mit der Hilfe des gesammten Europa in seine Schranken zurückzuweisen. Und
mit vollem Herzen schließen wir uns auch der Ueberzeugung des Verfassers an,
daß derselbe Augenblick der geeignetste ist, mit jener unpreußischen und undeutschen
Partei reinen Tisch zu machen, die sich ans das handgreiflichste als eine russische
enthüllt hat. In dieser Beziehung freuen wir uns darüber, daß man dem Rund-
schauer der Kreuzzeitung die völlige Freiheit gelassen hat, ans der- preußischen
Tribüne jene Ideen dreist und cynisch auszusprechen, die freilich das'Erstannen
und die Empörung der Nachwelt erregen werden, die aber die Mitwelt noch
immer nicht hinlänglich kennt. Alle liberalen Zeitungen sollten sich die Pflicht
machen, die Rede des Herrn v. Gerlach so viel als möglich zu verbreiten, damit
das ganze Volk erfährt, was das für Männer sind, die bisher zum Theil seine,
Politik gemacht haben.

Noch ans einen Umstand wollen wir hinweisen, dessen ausführlichere Be¬
sprechung wir uns aber vorbehalten müssen. Voraussichtlich wird der Krieg, wenn
er einmal ausgebrochen ist, nicht eher aufhören, als bis ganz Europa eine ganz
neue Gestalt gewonnen hat. Es kann nicht fehlen, daß alle alten Ansprüche und
Hoffnungen bei dieser Gelegenheit von neuem wieder ans Licht treten. Hier
soll sich nun Deutschland vor alleu Dingen daran erinnern, daß noch eine schwere
Schuld und folglich eine schwere Pflicht auf ihm lastet, wir meinen Schleswig-Holstein.
Es wird noch im Laufe dieser Tage in Jena bei Frommann ein Erinnerungsblatt
für Deutschland erscheinen: „Schleswig-Holsteins Gegenwart im März 185i", aus
das wir gleich von vornherein unsere Leser aufmerksam machen. Mit Schaudern
wird Deutschland daraus erfahren, was die berühmte Pacistcation der deutschen
Mächte diesem unglücklichen Laude für ein Schicksal bereitet hat. Wir wollen
hier unsererseits, nur auf eine bestimmte Seite des Gegenstandes aufmerksam


13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97903"/>
          <p xml:id="ID_357" prev="#ID_356"> durchdringen, um endlich jene öffentliche Meinung aufzuregen, deren Gewalt sich<lb/>
keine Regierung entzieht. Nur jetzt keine diplomatischen Finessen, keine höhere<lb/>
Staatsweisheit! Alle anderen Fragen, die sich an jene große orientalische knüpfen,<lb/>
sind vollkommen gleichgültig gegen die einzige: Rußland hat uns seit einem Men¬<lb/>
schenalter ans dieselbe Weise geistig geknechtet, wie es Napoleon vorher physisch<lb/>
gethan, und der Freiheitskampf Europas gegen das russische Uebergewicht ist ein<lb/>
ebenso heiliger, ein ebenso nothwendiger, als der Freiheitskampf Europas gegen<lb/>
Napoleon im Jahre -1813.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_358"> Als einen glänzenden Beitrag zur Erfüllung dieser Pflicht der Presse führen<lb/>
wir eine soeben erschienene Broschüre an: &gt;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_359"> Preußen und Nußland.  Leipzig, Hirzel. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_360"> Für jeden, der nicht vollständig blind ist, wird hier auf das schlagendste<lb/>
nachgewiesen, daß Rußland von jeher der schlimmste Feind Preußens war und<lb/>
es sein mußte, und daß jetzt oder nie der Augenblick gekommen ist, diesen Feind,<lb/>
gegen den man sonst unter den schlimmsten Umständen allein auftreten müßte,<lb/>
mit der Hilfe des gesammten Europa in seine Schranken zurückzuweisen. Und<lb/>
mit vollem Herzen schließen wir uns auch der Ueberzeugung des Verfassers an,<lb/>
daß derselbe Augenblick der geeignetste ist, mit jener unpreußischen und undeutschen<lb/>
Partei reinen Tisch zu machen, die sich ans das handgreiflichste als eine russische<lb/>
enthüllt hat. In dieser Beziehung freuen wir uns darüber, daß man dem Rund-<lb/>
schauer der Kreuzzeitung die völlige Freiheit gelassen hat, ans der- preußischen<lb/>
Tribüne jene Ideen dreist und cynisch auszusprechen, die freilich das'Erstannen<lb/>
und die Empörung der Nachwelt erregen werden, die aber die Mitwelt noch<lb/>
immer nicht hinlänglich kennt. Alle liberalen Zeitungen sollten sich die Pflicht<lb/>
machen, die Rede des Herrn v. Gerlach so viel als möglich zu verbreiten, damit<lb/>
das ganze Volk erfährt, was das für Männer sind, die bisher zum Theil seine,<lb/>
Politik gemacht haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_361" next="#ID_362"> Noch ans einen Umstand wollen wir hinweisen, dessen ausführlichere Be¬<lb/>
sprechung wir uns aber vorbehalten müssen. Voraussichtlich wird der Krieg, wenn<lb/>
er einmal ausgebrochen ist, nicht eher aufhören, als bis ganz Europa eine ganz<lb/>
neue Gestalt gewonnen hat. Es kann nicht fehlen, daß alle alten Ansprüche und<lb/>
Hoffnungen bei dieser Gelegenheit von neuem wieder ans Licht treten. Hier<lb/>
soll sich nun Deutschland vor alleu Dingen daran erinnern, daß noch eine schwere<lb/>
Schuld und folglich eine schwere Pflicht auf ihm lastet, wir meinen Schleswig-Holstein.<lb/>
Es wird noch im Laufe dieser Tage in Jena bei Frommann ein Erinnerungsblatt<lb/>
für Deutschland erscheinen: &#x201E;Schleswig-Holsteins Gegenwart im März 185i", aus<lb/>
das wir gleich von vornherein unsere Leser aufmerksam machen. Mit Schaudern<lb/>
wird Deutschland daraus erfahren, was die berühmte Pacistcation der deutschen<lb/>
Mächte diesem unglücklichen Laude für ein Schicksal bereitet hat. Wir wollen<lb/>
hier unsererseits, nur auf eine bestimmte Seite des Gegenstandes aufmerksam</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 13*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0123] durchdringen, um endlich jene öffentliche Meinung aufzuregen, deren Gewalt sich keine Regierung entzieht. Nur jetzt keine diplomatischen Finessen, keine höhere Staatsweisheit! Alle anderen Fragen, die sich an jene große orientalische knüpfen, sind vollkommen gleichgültig gegen die einzige: Rußland hat uns seit einem Men¬ schenalter ans dieselbe Weise geistig geknechtet, wie es Napoleon vorher physisch gethan, und der Freiheitskampf Europas gegen das russische Uebergewicht ist ein ebenso heiliger, ein ebenso nothwendiger, als der Freiheitskampf Europas gegen Napoleon im Jahre -1813. Als einen glänzenden Beitrag zur Erfüllung dieser Pflicht der Presse führen wir eine soeben erschienene Broschüre an: > Preußen und Nußland. Leipzig, Hirzel. — Für jeden, der nicht vollständig blind ist, wird hier auf das schlagendste nachgewiesen, daß Rußland von jeher der schlimmste Feind Preußens war und es sein mußte, und daß jetzt oder nie der Augenblick gekommen ist, diesen Feind, gegen den man sonst unter den schlimmsten Umständen allein auftreten müßte, mit der Hilfe des gesammten Europa in seine Schranken zurückzuweisen. Und mit vollem Herzen schließen wir uns auch der Ueberzeugung des Verfassers an, daß derselbe Augenblick der geeignetste ist, mit jener unpreußischen und undeutschen Partei reinen Tisch zu machen, die sich ans das handgreiflichste als eine russische enthüllt hat. In dieser Beziehung freuen wir uns darüber, daß man dem Rund- schauer der Kreuzzeitung die völlige Freiheit gelassen hat, ans der- preußischen Tribüne jene Ideen dreist und cynisch auszusprechen, die freilich das'Erstannen und die Empörung der Nachwelt erregen werden, die aber die Mitwelt noch immer nicht hinlänglich kennt. Alle liberalen Zeitungen sollten sich die Pflicht machen, die Rede des Herrn v. Gerlach so viel als möglich zu verbreiten, damit das ganze Volk erfährt, was das für Männer sind, die bisher zum Theil seine, Politik gemacht haben. Noch ans einen Umstand wollen wir hinweisen, dessen ausführlichere Be¬ sprechung wir uns aber vorbehalten müssen. Voraussichtlich wird der Krieg, wenn er einmal ausgebrochen ist, nicht eher aufhören, als bis ganz Europa eine ganz neue Gestalt gewonnen hat. Es kann nicht fehlen, daß alle alten Ansprüche und Hoffnungen bei dieser Gelegenheit von neuem wieder ans Licht treten. Hier soll sich nun Deutschland vor alleu Dingen daran erinnern, daß noch eine schwere Schuld und folglich eine schwere Pflicht auf ihm lastet, wir meinen Schleswig-Holstein. Es wird noch im Laufe dieser Tage in Jena bei Frommann ein Erinnerungsblatt für Deutschland erscheinen: „Schleswig-Holsteins Gegenwart im März 185i", aus das wir gleich von vornherein unsere Leser aufmerksam machen. Mit Schaudern wird Deutschland daraus erfahren, was die berühmte Pacistcation der deutschen Mächte diesem unglücklichen Laude für ein Schicksal bereitet hat. Wir wollen hier unsererseits, nur auf eine bestimmte Seite des Gegenstandes aufmerksam 13*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/122
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/122>, abgerufen am 23.07.2024.