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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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landes den Brocken um das Doppelte. Die Natur wirkt nirgends mächtiger, als
wo sie Contraste hervorzurufen vermag; daher der Zauber jener Berge und Fel¬
sen, die sich aus bebautem Thal, aus üppiger Ebene erheben.

Wir sehen die Sonne sich bereits senken, als unsere Führer uns den kleinen
Palanga in der Ferne zeigten. Noch drei Viertelstunden und wir ritten in seine
Straßen ein. Nach einer weitem halbe" Stunde saßen wir beim dampfenden,
mit Pfeffer gewürzten Pillan im kleinen Zimmer eines Haus, welches als Aus¬
zeichnung vor manchen andern, die wir seither angetroffen, Fenster hatte.




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Der Winter ist dahin und es wird bald Frühling sein! Das kündigt der
seit einigen Tagen wärmere Sonnenschein an, daS frische Sprießen des Rasens
rings auf den Höhen und Bergen, die igne Luft nach all den Stürmen und
scharfen Windstößen .ans Nord, endlich der lachende, blane, wolkenlose Himmel,
der über Land und Meer in gleicher Reinheit sich ausbreitet. Freilich stehen die
Bäume noch blätterlos; aber in den nach Süden hin gewendeten Schluchten und
Thälern beginnt es bereits zu keimen, und Crocus und Schneeglöckchen und bunte
Primeln schauen zum Berwundern keck und groß schon aus dem hochgeschossenen
Grase hervor, und drüben hinter Skutari, am Bulgurlnberge ist die weite Wiese
blan gestickt von Millionen Veilchen! Das ist eine Regsamkeit in der Vegetation^
ein Sprossen und Knospen wie man es bei uns nicht kennt; und mit einer sol¬
chen Schnelligkeit geht die Entwicklung vor sich, daß ich mich nicht wundern
werde, wenn ich beim nächsten Ausflüge nach Bujukdere, an die südwärts ge¬
wendeten Ufer der Bai, welche in Hinsicht auf Frühreife im Pflanzenwuchs immer etwas
vor der hiesigen unmittelbaren Umgebung voraus haben, blühenden Jasmin und
die langen Forste entlang aufgeschossenen Jelängerjelieber vorfinde.

Die Bewohnerschaft von Pera ist ein vergnügungssüchtiges Völkchen. Die¬
ses Gemisch aus allen Nationalitäten mit starkem griechisch-armenischen Grundton,
w dessen Schoße die verschiedensten und entgegengesetztesten Interessen sich
kreuzen, empfindet sofort gemeinsam, wenn es sich darum handelt, diese oder jene
Gelegenheit im Sinne des Genusses auszubeuten. Heute, als am Sonntag, und
Zwar dem ersten warmen, sonnigen, den wir in diesem Jahre erlebten, war mehr
"is drei Viertel der Bewohnerschaft des Frantenqnartiers auf deu Füßen.
Der Vormittag ist dem Kirchengehen gewidmet, was mehr dazu benutzt wird,
^ seit den letzten Faschingsbällen wiederum modernisirten Garderoben im wett-


landes den Brocken um das Doppelte. Die Natur wirkt nirgends mächtiger, als
wo sie Contraste hervorzurufen vermag; daher der Zauber jener Berge und Fel¬
sen, die sich aus bebautem Thal, aus üppiger Ebene erheben.

Wir sehen die Sonne sich bereits senken, als unsere Führer uns den kleinen
Palanga in der Ferne zeigten. Noch drei Viertelstunden und wir ritten in seine
Straßen ein. Nach einer weitem halbe» Stunde saßen wir beim dampfenden,
mit Pfeffer gewürzten Pillan im kleinen Zimmer eines Haus, welches als Aus¬
zeichnung vor manchen andern, die wir seither angetroffen, Fenster hatte.




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Der Winter ist dahin und es wird bald Frühling sein! Das kündigt der
seit einigen Tagen wärmere Sonnenschein an, daS frische Sprießen des Rasens
rings auf den Höhen und Bergen, die igne Luft nach all den Stürmen und
scharfen Windstößen .ans Nord, endlich der lachende, blane, wolkenlose Himmel,
der über Land und Meer in gleicher Reinheit sich ausbreitet. Freilich stehen die
Bäume noch blätterlos; aber in den nach Süden hin gewendeten Schluchten und
Thälern beginnt es bereits zu keimen, und Crocus und Schneeglöckchen und bunte
Primeln schauen zum Berwundern keck und groß schon aus dem hochgeschossenen
Grase hervor, und drüben hinter Skutari, am Bulgurlnberge ist die weite Wiese
blan gestickt von Millionen Veilchen! Das ist eine Regsamkeit in der Vegetation^
ein Sprossen und Knospen wie man es bei uns nicht kennt; und mit einer sol¬
chen Schnelligkeit geht die Entwicklung vor sich, daß ich mich nicht wundern
werde, wenn ich beim nächsten Ausflüge nach Bujukdere, an die südwärts ge¬
wendeten Ufer der Bai, welche in Hinsicht auf Frühreife im Pflanzenwuchs immer etwas
vor der hiesigen unmittelbaren Umgebung voraus haben, blühenden Jasmin und
die langen Forste entlang aufgeschossenen Jelängerjelieber vorfinde.

Die Bewohnerschaft von Pera ist ein vergnügungssüchtiges Völkchen. Die¬
ses Gemisch aus allen Nationalitäten mit starkem griechisch-armenischen Grundton,
w dessen Schoße die verschiedensten und entgegengesetztesten Interessen sich
kreuzen, empfindet sofort gemeinsam, wenn es sich darum handelt, diese oder jene
Gelegenheit im Sinne des Genusses auszubeuten. Heute, als am Sonntag, und
Zwar dem ersten warmen, sonnigen, den wir in diesem Jahre erlebten, war mehr
"is drei Viertel der Bewohnerschaft des Frantenqnartiers auf deu Füßen.
Der Vormittag ist dem Kirchengehen gewidmet, was mehr dazu benutzt wird,
^ seit den letzten Faschingsbällen wiederum modernisirten Garderoben im wett-


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[0111] landes den Brocken um das Doppelte. Die Natur wirkt nirgends mächtiger, als wo sie Contraste hervorzurufen vermag; daher der Zauber jener Berge und Fel¬ sen, die sich aus bebautem Thal, aus üppiger Ebene erheben. Wir sehen die Sonne sich bereits senken, als unsere Führer uns den kleinen Palanga in der Ferne zeigten. Noch drei Viertelstunden und wir ritten in seine Straßen ein. Nach einer weitem halbe» Stunde saßen wir beim dampfenden, mit Pfeffer gewürzten Pillan im kleinen Zimmer eines Haus, welches als Aus¬ zeichnung vor manchen andern, die wir seither angetroffen, Fenster hatte. ^n Der Winter ist dahin und es wird bald Frühling sein! Das kündigt der seit einigen Tagen wärmere Sonnenschein an, daS frische Sprießen des Rasens rings auf den Höhen und Bergen, die igne Luft nach all den Stürmen und scharfen Windstößen .ans Nord, endlich der lachende, blane, wolkenlose Himmel, der über Land und Meer in gleicher Reinheit sich ausbreitet. Freilich stehen die Bäume noch blätterlos; aber in den nach Süden hin gewendeten Schluchten und Thälern beginnt es bereits zu keimen, und Crocus und Schneeglöckchen und bunte Primeln schauen zum Berwundern keck und groß schon aus dem hochgeschossenen Grase hervor, und drüben hinter Skutari, am Bulgurlnberge ist die weite Wiese blan gestickt von Millionen Veilchen! Das ist eine Regsamkeit in der Vegetation^ ein Sprossen und Knospen wie man es bei uns nicht kennt; und mit einer sol¬ chen Schnelligkeit geht die Entwicklung vor sich, daß ich mich nicht wundern werde, wenn ich beim nächsten Ausflüge nach Bujukdere, an die südwärts ge¬ wendeten Ufer der Bai, welche in Hinsicht auf Frühreife im Pflanzenwuchs immer etwas vor der hiesigen unmittelbaren Umgebung voraus haben, blühenden Jasmin und die langen Forste entlang aufgeschossenen Jelängerjelieber vorfinde. Die Bewohnerschaft von Pera ist ein vergnügungssüchtiges Völkchen. Die¬ ses Gemisch aus allen Nationalitäten mit starkem griechisch-armenischen Grundton, w dessen Schoße die verschiedensten und entgegengesetztesten Interessen sich kreuzen, empfindet sofort gemeinsam, wenn es sich darum handelt, diese oder jene Gelegenheit im Sinne des Genusses auszubeuten. Heute, als am Sonntag, und Zwar dem ersten warmen, sonnigen, den wir in diesem Jahre erlebten, war mehr "is drei Viertel der Bewohnerschaft des Frantenqnartiers auf deu Füßen. Der Vormittag ist dem Kirchengehen gewidmet, was mehr dazu benutzt wird, ^ seit den letzten Faschingsbällen wiederum modernisirten Garderoben im wett-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/110>, abgerufen am 23.07.2024.