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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Rufe kommt dieser mit einem Papier in der Hand von den Schranken des Hanfes nach
der Tafel gestürzt. Er bringt nämlich Privatbillö ein, die fast alle seiner Obhut
anvertraut sind, und stellt den Antrag auf erste Lesung derselben. Ist er endlich
mit dem Einbringen fertig, so nimmt er auf der ministeriellen Bank Platz und
der Schriftführer am Tische verliest nacheinander die Titel von eiuer Anzahl
anderer Bills und derselbe Mr. Brotherton stellt bei jeder den Antrag, sie zum
zweiten Mal zu lesen und an eine besondere Comite" zu verweisen. Beides wie¬
derholt der Sprecher stets mit dem wiederkehrenden Refrain: "diejenigen, welche
dieser Meinung sind, sagen ja, gegentheilige Meinung sagt nein -- die Ja's
haben e§." Der sehr ehrenwerthe Herr hat diese Frage nicht nur bei jedem
Stadium der Privatbills zu wiederholen, sondern auch so oft eine Petition ein¬
gereicht wird, so daß die immerwährende Wiederkehr sehr ermüdend wäre, wenn
jemand darauf achtete.

Nun beginnt das Einreichen von Petitionen, was sich am drolligsten aus¬
nimmt. Der Sprecher liest von einem geschriebenen Verzeichnis nach der Reihe
die Namen von Mitgliedern ab. Bei jedem Namen steht ein Mitglied auf und
murmelt ein paar Worte in den B,art, von dem nur ein einziges, auf welches
am wenigsten' ankommt, vernommen wird, nämlich Petition. In 19 Fällen von
20 hört man weder, von wem die Petition ist, noch von was sie handelt, und
nur der Vermittlung eines Beamten des Hauses ist es zu danken, daß sie in
den Parlamentsberichten der Zeitungen erscheinen. Ist der Inhalt der Petition
angegeben, so fordert der Sprecher das Mitglied auf, die Petition an den Tisch
zu bringen und stellt die Frage, ob sie auf der Tafel niedergelegt werden soll,
eine Frage, die er mit dem immcrwiederkehrenden - "die Ja's haben es", abschließt.
Sowie keine Petitionen mehr vorgelegt werden, kommt ein Unterbccunter des
Hauses mit zwei Reisesäcken, in die er ohne viel Umstände die Petitionen hincin-
schiebt und sie hinausträgt. Man darf jedoch nicht glauben, daß die Petitionen,
obgleich sie so en baAg,töU<z behandelt werden, ohne Wirkung bleiben, denn mehr
als eine Maßregel ist schon wegen der Masse der dagegen eingereichten Petitionen
zurückgelegt, manche andere durch Hilfe von Petitionen beschleunigt worden. Die
City von London hat das Vorrecht, anstatt durch ein Mitglied des Hauses durch
ihre Sheriffs, die dann in vollem Costüm erscheine", Petitionen einzureichen.
Nach den Petitionen kommen die vorläufigen Anzeigen von zu stellenden Anträgen,
die der Schriftführer ohne besondern Antheil des Hauses "erkiest. Mitlerweile
hat sich der Saal gefüllt/ Jedermann behält den Hut ans dem Kopfe, mit
Ausnahme Disraelis, der ihn stets unter die Bank schiebt, sowie er seinen Platz
erreicht hat. Von den Ministern fehlt keiner. In der Mitte der ersten mi¬
nisteriellen Bank an der rechten Langseite der Tafel sitzt Lord John Russell,
deu Hut über das kleine hagere Gesicht gezogen, die Arme über die Brust ge¬
schlagen und allem Anschein nach sehr abgespannt und müde. Neben ihm Lord


^"

Rufe kommt dieser mit einem Papier in der Hand von den Schranken des Hanfes nach
der Tafel gestürzt. Er bringt nämlich Privatbillö ein, die fast alle seiner Obhut
anvertraut sind, und stellt den Antrag auf erste Lesung derselben. Ist er endlich
mit dem Einbringen fertig, so nimmt er auf der ministeriellen Bank Platz und
der Schriftführer am Tische verliest nacheinander die Titel von eiuer Anzahl
anderer Bills und derselbe Mr. Brotherton stellt bei jeder den Antrag, sie zum
zweiten Mal zu lesen und an eine besondere Comite" zu verweisen. Beides wie¬
derholt der Sprecher stets mit dem wiederkehrenden Refrain: „diejenigen, welche
dieser Meinung sind, sagen ja, gegentheilige Meinung sagt nein — die Ja's
haben e§." Der sehr ehrenwerthe Herr hat diese Frage nicht nur bei jedem
Stadium der Privatbills zu wiederholen, sondern auch so oft eine Petition ein¬
gereicht wird, so daß die immerwährende Wiederkehr sehr ermüdend wäre, wenn
jemand darauf achtete.

Nun beginnt das Einreichen von Petitionen, was sich am drolligsten aus¬
nimmt. Der Sprecher liest von einem geschriebenen Verzeichnis nach der Reihe
die Namen von Mitgliedern ab. Bei jedem Namen steht ein Mitglied auf und
murmelt ein paar Worte in den B,art, von dem nur ein einziges, auf welches
am wenigsten' ankommt, vernommen wird, nämlich Petition. In 19 Fällen von
20 hört man weder, von wem die Petition ist, noch von was sie handelt, und
nur der Vermittlung eines Beamten des Hauses ist es zu danken, daß sie in
den Parlamentsberichten der Zeitungen erscheinen. Ist der Inhalt der Petition
angegeben, so fordert der Sprecher das Mitglied auf, die Petition an den Tisch
zu bringen und stellt die Frage, ob sie auf der Tafel niedergelegt werden soll,
eine Frage, die er mit dem immcrwiederkehrenden - „die Ja's haben es", abschließt.
Sowie keine Petitionen mehr vorgelegt werden, kommt ein Unterbccunter des
Hauses mit zwei Reisesäcken, in die er ohne viel Umstände die Petitionen hincin-
schiebt und sie hinausträgt. Man darf jedoch nicht glauben, daß die Petitionen,
obgleich sie so en baAg,töU<z behandelt werden, ohne Wirkung bleiben, denn mehr
als eine Maßregel ist schon wegen der Masse der dagegen eingereichten Petitionen
zurückgelegt, manche andere durch Hilfe von Petitionen beschleunigt worden. Die
City von London hat das Vorrecht, anstatt durch ein Mitglied des Hauses durch
ihre Sheriffs, die dann in vollem Costüm erscheine», Petitionen einzureichen.
Nach den Petitionen kommen die vorläufigen Anzeigen von zu stellenden Anträgen,
die der Schriftführer ohne besondern Antheil des Hauses »erkiest. Mitlerweile
hat sich der Saal gefüllt/ Jedermann behält den Hut ans dem Kopfe, mit
Ausnahme Disraelis, der ihn stets unter die Bank schiebt, sowie er seinen Platz
erreicht hat. Von den Ministern fehlt keiner. In der Mitte der ersten mi¬
nisteriellen Bank an der rechten Langseite der Tafel sitzt Lord John Russell,
deu Hut über das kleine hagere Gesicht gezogen, die Arme über die Brust ge¬
schlagen und allem Anschein nach sehr abgespannt und müde. Neben ihm Lord


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/10>, abgerufen am 23.07.2024.