Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.endlich legte schon in der zweiten Woche nach Eröffnung der Cortes das Budget vor, 9"
endlich legte schon in der zweiten Woche nach Eröffnung der Cortes das Budget vor, 9"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97321"/> <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168" next="#ID_170"> endlich legte schon in der zweiten Woche nach Eröffnung der Cortes das Budget vor,<lb/> dessen Einnahme- und Ausgabcvcrhältniß sehr günstig lautete und verlangte zugleich<lb/> die Autorisation zu einer Anleihe von 800 Millionen Realen zur Deckung der schwe¬<lb/> benden Schuld, d. i. 200 Millionen weniger, als das Ministerium Noneali im letzten<lb/> Frühjahr zu diesem Zweck gefordert hatte. Doch die Opposition der dem Cabinet ver¬<lb/> feindeten Modcrados ließ nicht nach. Im Kongresse Minorität hatte sie im Senat<lb/> die Mehrheit an sich gerissen. Obwol der Krone das unbeschränkte Ernennnngsrecht<lb/> auf Lebenszeit für den Senat zukommt, so war es doch mehr als mißlich, von diesem<lb/> Mittel, dessen man in den letzten Jahren bereits im Uebermaß sich bedient hatte, von<lb/> neuem Gebrauch zu machen. Dem Ministerium blieb nur übrig, durch Vorstellungen<lb/> und auch durch Drohungen den heraufziehenden Sturm zu beschworen. Die Opposition<lb/> hatte die häkelige Fr,age der Eisenbahnen zum Terrain des Kampfes gewählt. Mit<lb/> Recht hatte die Ertheilung der Concessionen unter den letzten Ministerien ein großes<lb/> öffentliches Aergerniß erregt. Das Ministerium Sau Luis hatte aber auch in diesem<lb/> Punkte das Recht der Cortes, über die Giltigkeit der ertheilten Concessionen zu ent¬<lb/> scheiden anerkannt, und eine Vorlage darüber an den Kongreß, dem in Finanzsragen<lb/> stets der Vorrang vor dem Senat verfassungsmäßig zukommt/ vorbereitet. Die mode-<lb/> rirte Opposition im Senat nahm nun den Antrag wieder auf, den in der kurzen<lb/> Session im Frühjahr der General Infante betreffs der Eisenbahnen gestellt und dessen<lb/> Berathung durch die plötzliche Vertagung unterbrochen war. Das Ministerium forderte<lb/> die Zurücklegung dieses Antrags und die Priorität für seine Vorlage. Dieser an sich<lb/> nicht wichtige Gegenstand wurde zur Bedeutung einer CabinctSfrage erhoben. Bei der<lb/> Wahl der betreffenden Commission siegte die Opposition und der Bericht derselben fiel demzu¬<lb/> folge in ihrem Sinne aus. Nun folgte eine achttägige Debatte, unter beispiellosem Zudrang<lb/> des Publikums, in der von beiden Seiten alle Mittel des Talentes und der Beredtsamkeit<lb/> aufgeboten wurden. Unter den Gegnern des Ministeriums zeichneten sich durch ihre<lb/> Heftigkeit vor allem die Generale Ros de Oloro und Jose de la Concha, der ehemalige<lb/> Gouverneur von Cuba, aus. Die Minister San Luis, Cvllaiites (Handel) und Do-<lb/> mcncch (Finanzen) führten, namentlich ersterer, mit vielem Geschick die Sache der Re¬<lb/> gierung. Aber weder Uebcrreduugcu, noch die deutlich hingeworfene Drohung der Ver¬<lb/> tagung der Cortes vermochten die Phalanx der Opposition zu brechen. Ihr Entschluß,<lb/> um den Besitz der Macht v» >u»is,»c! zu spiele», war gefaßt. Mit der überraschend großen<lb/> Majorität von 103 gegen 69 Stimmen wurde am 9. December die Berathung des Jnfan-<lb/> tcschen Antrags beschlossen. Am 10. December erfolgte die vvransgesehene Vertagung<lb/> der Cortes und wenige Tage darauf die Absetzung verschiedener Mitglieder der Oppo¬<lb/> sition des Senates, worunter auch Concha und de Meer, von militärischen und Ver-<lb/> waltungsümtern. Die ganze Situation ist damit wieder ins Ungewisse zurückgeschleu-<lb/> dert. Die verschiedenartigsten Gerüchte kreuzen sich. Man befürchtet jeden Augenblick<lb/> die Einleitung zu einem Staatsstreiche, der, wie es heißt, nur durch eine seitdem ein¬<lb/> getretene bedeutende Krankheit des Ministerpräsidenten, der sich aber bereits wiederum<lb/> auf dem Wege der Genesung befindet, verzögert wurde. — Narvarcz hat sich im Ver¬<lb/> lauf der ganzen Verwickelung schweigend und zurückgezogen verhalten, und ist der<lb/> Hauptstadt und den Sitzungen des Senates fern, zu Aranjuez geblieben. — Jetzt<lb/> ist auch durch königliches Decret das den Cortes vorgelegte Budget- in Kraft gesetzt<lb/> worden und damit die traurige Praxis der Verwaltungen Murillos und NvncaliS</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 9"</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
endlich legte schon in der zweiten Woche nach Eröffnung der Cortes das Budget vor,
dessen Einnahme- und Ausgabcvcrhältniß sehr günstig lautete und verlangte zugleich
die Autorisation zu einer Anleihe von 800 Millionen Realen zur Deckung der schwe¬
benden Schuld, d. i. 200 Millionen weniger, als das Ministerium Noneali im letzten
Frühjahr zu diesem Zweck gefordert hatte. Doch die Opposition der dem Cabinet ver¬
feindeten Modcrados ließ nicht nach. Im Kongresse Minorität hatte sie im Senat
die Mehrheit an sich gerissen. Obwol der Krone das unbeschränkte Ernennnngsrecht
auf Lebenszeit für den Senat zukommt, so war es doch mehr als mißlich, von diesem
Mittel, dessen man in den letzten Jahren bereits im Uebermaß sich bedient hatte, von
neuem Gebrauch zu machen. Dem Ministerium blieb nur übrig, durch Vorstellungen
und auch durch Drohungen den heraufziehenden Sturm zu beschworen. Die Opposition
hatte die häkelige Fr,age der Eisenbahnen zum Terrain des Kampfes gewählt. Mit
Recht hatte die Ertheilung der Concessionen unter den letzten Ministerien ein großes
öffentliches Aergerniß erregt. Das Ministerium Sau Luis hatte aber auch in diesem
Punkte das Recht der Cortes, über die Giltigkeit der ertheilten Concessionen zu ent¬
scheiden anerkannt, und eine Vorlage darüber an den Kongreß, dem in Finanzsragen
stets der Vorrang vor dem Senat verfassungsmäßig zukommt/ vorbereitet. Die mode-
rirte Opposition im Senat nahm nun den Antrag wieder auf, den in der kurzen
Session im Frühjahr der General Infante betreffs der Eisenbahnen gestellt und dessen
Berathung durch die plötzliche Vertagung unterbrochen war. Das Ministerium forderte
die Zurücklegung dieses Antrags und die Priorität für seine Vorlage. Dieser an sich
nicht wichtige Gegenstand wurde zur Bedeutung einer CabinctSfrage erhoben. Bei der
Wahl der betreffenden Commission siegte die Opposition und der Bericht derselben fiel demzu¬
folge in ihrem Sinne aus. Nun folgte eine achttägige Debatte, unter beispiellosem Zudrang
des Publikums, in der von beiden Seiten alle Mittel des Talentes und der Beredtsamkeit
aufgeboten wurden. Unter den Gegnern des Ministeriums zeichneten sich durch ihre
Heftigkeit vor allem die Generale Ros de Oloro und Jose de la Concha, der ehemalige
Gouverneur von Cuba, aus. Die Minister San Luis, Cvllaiites (Handel) und Do-
mcncch (Finanzen) führten, namentlich ersterer, mit vielem Geschick die Sache der Re¬
gierung. Aber weder Uebcrreduugcu, noch die deutlich hingeworfene Drohung der Ver¬
tagung der Cortes vermochten die Phalanx der Opposition zu brechen. Ihr Entschluß,
um den Besitz der Macht v» >u»is,»c! zu spiele», war gefaßt. Mit der überraschend großen
Majorität von 103 gegen 69 Stimmen wurde am 9. December die Berathung des Jnfan-
tcschen Antrags beschlossen. Am 10. December erfolgte die vvransgesehene Vertagung
der Cortes und wenige Tage darauf die Absetzung verschiedener Mitglieder der Oppo¬
sition des Senates, worunter auch Concha und de Meer, von militärischen und Ver-
waltungsümtern. Die ganze Situation ist damit wieder ins Ungewisse zurückgeschleu-
dert. Die verschiedenartigsten Gerüchte kreuzen sich. Man befürchtet jeden Augenblick
die Einleitung zu einem Staatsstreiche, der, wie es heißt, nur durch eine seitdem ein¬
getretene bedeutende Krankheit des Ministerpräsidenten, der sich aber bereits wiederum
auf dem Wege der Genesung befindet, verzögert wurde. — Narvarcz hat sich im Ver¬
lauf der ganzen Verwickelung schweigend und zurückgezogen verhalten, und ist der
Hauptstadt und den Sitzungen des Senates fern, zu Aranjuez geblieben. — Jetzt
ist auch durch königliches Decret das den Cortes vorgelegte Budget- in Kraft gesetzt
worden und damit die traurige Praxis der Verwaltungen Murillos und NvncaliS
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