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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Ich habe Ihnen diesmal verschiedene Dinge von Wichtigkeit z" melden,
welche ihrer Natur nach geeignet sind, die Krisis zu steigern und den Ausbruch
des Weltkrieges, vor welchem man bereits seit Monaten bangt, zu beschleunigen.

Mau kennt hier seit vorgestern Abend die in Erwiderung ans das Schreiben
des Kaisers Napoleon erfolgte ablehnende Antwort des russischen Zaren und es
scheint hiermit in Verbindung zu steücu, wenn von Seiten der britischen und
französischen Legationen in Betreff des Aufstandes in Albanien der Pforte Hilfs-
anerbietnngen gemacht worden sind, welche in ihrer Fassung, soweit von derselben
im Publicum verlautet hat, Motive für die Muthmaßung enthalten, daß. es dabei
ans eine militärische Occupation des Königreichs Hellas abgesehen ist. Darnach
hat sich vollkommen die Erwartung bestätigt, welche ich in meinen beiden Schreiben
vom 27. v. Mes. und vom 2. d. Mes. gegen Sie ausgesprochen habe. Der
Eindruck, welchen man aus den hier vor sich gehenden Vorbereitungen zu einer
umfassenden Expedition gegen Albanien entnimmt, ist der Art, glauben zu "lachen,
daß Griechenland selbst zum Angrifföobject genommen und erdrückt werden wird.
Vor einigen Tagen gingen zwei Dainpffregatten mit Truppen nach Volv ab.
Diesen sind später vier andere gefolgt; am Bord des Flaggcnschiffes befand sich
Fnad-Effendi, der als kaiserlicher Commissär mit den ausgedehntesten Vollmachten
sich nach Albanien begibt und dort seine Residenz in Janina nehmen wird. Vor
seiner Abreise hatte derselbe zu zwei Malen Audienzen beim Sultan und im
Moment seiner Einschiffung noch eine Unterredung mit Neschid Pascha. Um¬
laufende Gerächte geben als Thatsache an, daß von Lord Stratford de Nevcliffe
die sofortige Dirigirung der in Malta zu erwartenden 10,000 Mann englischer
Truppen gegen Lolo dem türkischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten
proponirt worden sei, und daß andrerseits General Baraguay d'Hilliers sich er¬
bötig gemacht habe, das ExpeditionscorpS, welches jüngst General Peiissicr in
Algerien organisirt hat, im Piräus landen zu lassen. Welche Antwort hierauf
ertheilt ist, bildet indeß noch einen streitigen Punkt. Der einen Version zufolge
hätte das hiesige Ministerium! sehr höflich, aber ablehnend erwidert und darauf
hingewiesen, daß nach den neuesten hier angelangten Nachrichte" die Insurgenten
zu zwei Malen bereits empfindliche Schlappe" e.riitten halten, und Area sich wie¬
der in türkischer Gewalt befinde. Das gestern ausgegebene Journal von Kon-
stantinopel bringt an der Spitze deö Blattes eine" fulminanten Artikel gegen die
Umtriebe der griechischen Regierung. Seinen Angaben zufolge hat sich nicht nnr
die Universität in Athen aufgelöst, sondern die griechische Armee befindet sich in
demselben Zustande, um die Cadres für ein immenses revolutionäres Waffenanf-


Grenjbotcn. I- -ILLi. , 6i

Ich habe Ihnen diesmal verschiedene Dinge von Wichtigkeit z» melden,
welche ihrer Natur nach geeignet sind, die Krisis zu steigern und den Ausbruch
des Weltkrieges, vor welchem man bereits seit Monaten bangt, zu beschleunigen.

Mau kennt hier seit vorgestern Abend die in Erwiderung ans das Schreiben
des Kaisers Napoleon erfolgte ablehnende Antwort des russischen Zaren und es
scheint hiermit in Verbindung zu steücu, wenn von Seiten der britischen und
französischen Legationen in Betreff des Aufstandes in Albanien der Pforte Hilfs-
anerbietnngen gemacht worden sind, welche in ihrer Fassung, soweit von derselben
im Publicum verlautet hat, Motive für die Muthmaßung enthalten, daß. es dabei
ans eine militärische Occupation des Königreichs Hellas abgesehen ist. Darnach
hat sich vollkommen die Erwartung bestätigt, welche ich in meinen beiden Schreiben
vom 27. v. Mes. und vom 2. d. Mes. gegen Sie ausgesprochen habe. Der
Eindruck, welchen man aus den hier vor sich gehenden Vorbereitungen zu einer
umfassenden Expedition gegen Albanien entnimmt, ist der Art, glauben zu »lachen,
daß Griechenland selbst zum Angrifföobject genommen und erdrückt werden wird.
Vor einigen Tagen gingen zwei Dainpffregatten mit Truppen nach Volv ab.
Diesen sind später vier andere gefolgt; am Bord des Flaggcnschiffes befand sich
Fnad-Effendi, der als kaiserlicher Commissär mit den ausgedehntesten Vollmachten
sich nach Albanien begibt und dort seine Residenz in Janina nehmen wird. Vor
seiner Abreise hatte derselbe zu zwei Malen Audienzen beim Sultan und im
Moment seiner Einschiffung noch eine Unterredung mit Neschid Pascha. Um¬
laufende Gerächte geben als Thatsache an, daß von Lord Stratford de Nevcliffe
die sofortige Dirigirung der in Malta zu erwartenden 10,000 Mann englischer
Truppen gegen Lolo dem türkischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten
proponirt worden sei, und daß andrerseits General Baraguay d'Hilliers sich er¬
bötig gemacht habe, das ExpeditionscorpS, welches jüngst General Peiissicr in
Algerien organisirt hat, im Piräus landen zu lassen. Welche Antwort hierauf
ertheilt ist, bildet indeß noch einen streitigen Punkt. Der einen Version zufolge
hätte das hiesige Ministerium! sehr höflich, aber ablehnend erwidert und darauf
hingewiesen, daß nach den neuesten hier angelangten Nachrichte» die Insurgenten
zu zwei Malen bereits empfindliche Schlappe» e.riitten halten, und Area sich wie¬
der in türkischer Gewalt befinde. Das gestern ausgegebene Journal von Kon-
stantinopel bringt an der Spitze deö Blattes eine» fulminanten Artikel gegen die
Umtriebe der griechischen Regierung. Seinen Angaben zufolge hat sich nicht nnr
die Universität in Athen aufgelöst, sondern die griechische Armee befindet sich in
demselben Zustande, um die Cadres für ein immenses revolutionäres Waffenanf-


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[0513] Ich habe Ihnen diesmal verschiedene Dinge von Wichtigkeit z» melden, welche ihrer Natur nach geeignet sind, die Krisis zu steigern und den Ausbruch des Weltkrieges, vor welchem man bereits seit Monaten bangt, zu beschleunigen. Mau kennt hier seit vorgestern Abend die in Erwiderung ans das Schreiben des Kaisers Napoleon erfolgte ablehnende Antwort des russischen Zaren und es scheint hiermit in Verbindung zu steücu, wenn von Seiten der britischen und französischen Legationen in Betreff des Aufstandes in Albanien der Pforte Hilfs- anerbietnngen gemacht worden sind, welche in ihrer Fassung, soweit von derselben im Publicum verlautet hat, Motive für die Muthmaßung enthalten, daß. es dabei ans eine militärische Occupation des Königreichs Hellas abgesehen ist. Darnach hat sich vollkommen die Erwartung bestätigt, welche ich in meinen beiden Schreiben vom 27. v. Mes. und vom 2. d. Mes. gegen Sie ausgesprochen habe. Der Eindruck, welchen man aus den hier vor sich gehenden Vorbereitungen zu einer umfassenden Expedition gegen Albanien entnimmt, ist der Art, glauben zu »lachen, daß Griechenland selbst zum Angrifföobject genommen und erdrückt werden wird. Vor einigen Tagen gingen zwei Dainpffregatten mit Truppen nach Volv ab. Diesen sind später vier andere gefolgt; am Bord des Flaggcnschiffes befand sich Fnad-Effendi, der als kaiserlicher Commissär mit den ausgedehntesten Vollmachten sich nach Albanien begibt und dort seine Residenz in Janina nehmen wird. Vor seiner Abreise hatte derselbe zu zwei Malen Audienzen beim Sultan und im Moment seiner Einschiffung noch eine Unterredung mit Neschid Pascha. Um¬ laufende Gerächte geben als Thatsache an, daß von Lord Stratford de Nevcliffe die sofortige Dirigirung der in Malta zu erwartenden 10,000 Mann englischer Truppen gegen Lolo dem türkischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten proponirt worden sei, und daß andrerseits General Baraguay d'Hilliers sich er¬ bötig gemacht habe, das ExpeditionscorpS, welches jüngst General Peiissicr in Algerien organisirt hat, im Piräus landen zu lassen. Welche Antwort hierauf ertheilt ist, bildet indeß noch einen streitigen Punkt. Der einen Version zufolge hätte das hiesige Ministerium! sehr höflich, aber ablehnend erwidert und darauf hingewiesen, daß nach den neuesten hier angelangten Nachrichte» die Insurgenten zu zwei Malen bereits empfindliche Schlappe» e.riitten halten, und Area sich wie¬ der in türkischer Gewalt befinde. Das gestern ausgegebene Journal von Kon- stantinopel bringt an der Spitze deö Blattes eine» fulminanten Artikel gegen die Umtriebe der griechischen Regierung. Seinen Angaben zufolge hat sich nicht nnr die Universität in Athen aufgelöst, sondern die griechische Armee befindet sich in demselben Zustande, um die Cadres für ein immenses revolutionäres Waffenanf- Grenjbotcn. I- -ILLi. , 6i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/513>, abgerufen am 22.07.2024.