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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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zeichnenden Farbe -- z. B. das Kollegium Germcinicnm scharlachroth, Hibernicum
violett n. s. w.: ohne solche kleine Trupps, die zu zwei und zwei für sich gehe",
von der übrigen Welt abgeschlossen, würde die Physiognomie eines lebhaften Orts
n Rom nicht vollständig sein. ES ist ihnen hente vergönnt, in irgend einer
Vigne vor dem Thor, die ihrer Anstalt gehört, die freie Luft zu genießen. Am
AbHange des Calais, über dem KvnstantinSbogen tönt der dumpfe Klang des
Tombonrins nud rasseln die Schellen: dort tanzen junge Madchen den Saltarello.
Mit anmuthiger Haltung des Oberkörpers, die Arme in die Seite gestemmt, be¬
wegen sie sich aufeinander zu und entfernen sich wieder, fassen sich bei den
Händen und tanzen zusammen; sie werden nicht müde, dieselben Bewegungen
immer von neuem zu wiederholen. Ein Kreis von Zuschauern, der umher steht,
sijzt und liegt, spornt sie durch Beifallrufe.

Zwei Stunden vor Ave Maria, wenn die Souue sich schou zum Janiculus
hinabneigt, kommt aus einem kleinen Oratorium in der Nähe des TitnSbogeus
singend ein seltsamer Zug heraus. Eine Brüderschaft, in grane Sackleinwand
vermummt, führt ihn an, einer trägt ein großes Crucifix, andere Laternen, dann
folgen drei Kapuziner, hinter ihnen ein Haufe von Andächtige", fast lauter Frauen
nud Mädchen, einen Lobgesang ans die Madonna singend. ^on>. Nari-r ^ratia plöim
dönecletta in iriulleribus I tönt es immer von neuem. Der Zug geht durch deu
Titusbogen hinab, und wendet sich dann links dem Colosseum zu. Auf beiden
Seiten des Bogens, durch den man in das Amphitheater eingeht, sind Tafel" mit
Kreuzer eingelassen; wenn man sie küßt bekommt man, ich weiß nicht wieviel
Tage, Ablaß. Einige Frauen wischen sie mit dem Tuch ab, ehe sie die Lippen
daraus drücken. Dann geht der Zug auf das Krenz los, das in der Mitte der
Arena mit Lanze und Schwamm aufgerichtet ist, hier wirft sich alles auf die
Knie. Nach verrichteter Andacht steigt der Kapuziner auf die Kanzel, die aus
der untersten Umfassungsmauer der Arena errichtet ist. Zwei Schränken hatte"
den Raum in der Mitte frei, zur Rechten des Predigers stellen sich die Männer,
zur Linken die Frauen.

Ohne Zweifel ist nicht allen Lesern das gegenwärtige Aussehn des Colos-
seums bekannt. Seit es Byron sah und so schön in Childe Harold beschrieb,
ist. es sehr zum Nachtheil verändert. Es hat seinen schönsten Schmuck ver¬
loren :


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Man hat die üppige Vegetation der alten Mauer" zerstört, als die nöthig
gewordenen Restaurationen gemacht worden. Diese sind nnn entsetzlich mcsq"""
und unschön, der Backstein sticht sehr unangenehm von den alten Travcutiuquadcr"
ab. Die Arena wird durch -14 abscheuliche kleine Kapellen entstellt, die im Kreise
umher angebracht sind. Sie sind für die Via Crucis bestimmt, welche jedesmal


zeichnenden Farbe — z. B. das Kollegium Germcinicnm scharlachroth, Hibernicum
violett n. s. w.: ohne solche kleine Trupps, die zu zwei und zwei für sich gehe»,
von der übrigen Welt abgeschlossen, würde die Physiognomie eines lebhaften Orts
n Rom nicht vollständig sein. ES ist ihnen hente vergönnt, in irgend einer
Vigne vor dem Thor, die ihrer Anstalt gehört, die freie Luft zu genießen. Am
AbHange des Calais, über dem KvnstantinSbogen tönt der dumpfe Klang des
Tombonrins nud rasseln die Schellen: dort tanzen junge Madchen den Saltarello.
Mit anmuthiger Haltung des Oberkörpers, die Arme in die Seite gestemmt, be¬
wegen sie sich aufeinander zu und entfernen sich wieder, fassen sich bei den
Händen und tanzen zusammen; sie werden nicht müde, dieselben Bewegungen
immer von neuem zu wiederholen. Ein Kreis von Zuschauern, der umher steht,
sijzt und liegt, spornt sie durch Beifallrufe.

Zwei Stunden vor Ave Maria, wenn die Souue sich schou zum Janiculus
hinabneigt, kommt aus einem kleinen Oratorium in der Nähe des TitnSbogeus
singend ein seltsamer Zug heraus. Eine Brüderschaft, in grane Sackleinwand
vermummt, führt ihn an, einer trägt ein großes Crucifix, andere Laternen, dann
folgen drei Kapuziner, hinter ihnen ein Haufe von Andächtige», fast lauter Frauen
nud Mädchen, einen Lobgesang ans die Madonna singend. ^on>. Nari-r ^ratia plöim
dönecletta in iriulleribus I tönt es immer von neuem. Der Zug geht durch deu
Titusbogen hinab, und wendet sich dann links dem Colosseum zu. Auf beiden
Seiten des Bogens, durch den man in das Amphitheater eingeht, sind Tafel» mit
Kreuzer eingelassen; wenn man sie küßt bekommt man, ich weiß nicht wieviel
Tage, Ablaß. Einige Frauen wischen sie mit dem Tuch ab, ehe sie die Lippen
daraus drücken. Dann geht der Zug auf das Krenz los, das in der Mitte der
Arena mit Lanze und Schwamm aufgerichtet ist, hier wirft sich alles auf die
Knie. Nach verrichteter Andacht steigt der Kapuziner auf die Kanzel, die aus
der untersten Umfassungsmauer der Arena errichtet ist. Zwei Schränken hatte»
den Raum in der Mitte frei, zur Rechten des Predigers stellen sich die Männer,
zur Linken die Frauen.

Ohne Zweifel ist nicht allen Lesern das gegenwärtige Aussehn des Colos-
seums bekannt. Seit es Byron sah und so schön in Childe Harold beschrieb,
ist. es sehr zum Nachtheil verändert. Es hat seinen schönsten Schmuck ver¬
loren :


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Man hat die üppige Vegetation der alten Mauer» zerstört, als die nöthig
gewordenen Restaurationen gemacht worden. Diese sind nnn entsetzlich mcsq»""
und unschön, der Backstein sticht sehr unangenehm von den alten Travcutiuquadcr»
ab. Die Arena wird durch -14 abscheuliche kleine Kapellen entstellt, die im Kreise
umher angebracht sind. Sie sind für die Via Crucis bestimmt, welche jedesmal


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/490>, abgerufen am 22.07.2024.