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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Der Carneval dieses Jahres zu Rom.

11 oarnövale <Zi Koma! I^artrmalo elri 1'da vsäulo! sagte eine Römerin zu
mir. Jetzt steht man nur seineu Schatten. -- Ju der That braucht man nur
die polizeilichen Verordnungen zu lesen, um sich von der Wahrheit dieses Aus-
spruchs zu überzeugen. Mau ist so ängstlich bemüht, jeder Tollheit, Ausgelassen¬
heit, Leichtfertigkeit vorzubeugen, daß man die eigentliche Festfreude mit zerstört.
Hauptsächlich geschieht dies durch das Verbot der Gesichtsmasken an öffentlichen
Orten und Privatlocalcn, vou welcher Art sie seien, desgleichen aller andern Ent¬
stellungen des Gesichts mit falschen Bärten, Farben u. s. w. Von Maskcn-
klcidungen dagegen sind nur die ausgeschlossen, die als Nachahmung der geist¬
lichen und militärischen erscheinen, oder den öffentlichen Anstand beleidigen könnten.
Die schrankenlose Freiheit des frühern Carnevals, in der sich die Menge dnrch-
einandcrbewegte, jeder dem andern sich unerkannt näherte, Neckerei, Spott und
Schmeichelei durch das Geheimniß doppelt reizend waren, Lust und Laune fessellos
waltete -- alles das ist mit Aufhebung der Maske zerstört. Eine noch nach-
thciligcre Umwandlung hat der Carneval dadurch erfahren, daß (besonders seit
1848) die Römer der bessern Stände sich so gut wie ganz davon zurückgezogen
haben, höchstens von Balkonen aus zusehen. Es ist ein Fest der untern Classen
und der Fremden geworden. Die letzter" nehmen sich durchaus nicht zu ihrem
Vortheile dabei aus: namentlich finden sie an dem Werfen mit Confetli (Gyps-
kugclu) Vergnügen. Dies ist allmälig aus einer unschuldigen und graziösen
Neckerei in eine läppische Gassenbubeurohheit ausgeartet, und das schlechte Bei¬
spiel fängt schon an die Römer, deren natürliche Feinheit in solchen Dingen be¬
wundernswürdig ist, zu demvralisire". Sie werfen hin und wieder schon tapfer
mit Gyps und versprechen ihre Lehrer zu übertreffen. Hier wäre eine Aufrecht¬
haltung der polizeilichen Verordnung am Platz, welche alle Confctti von Kalk,
Gyps, Pizzolane, so wie solche, die durch ihre Größe schaden können, Aepfel
und Eier, zu werfen verbietet, desgleichen alles, was die Stärke des Wurfs ver¬
mehren kann, wie Düten, Löffel n. f. w. Es fällt jedoch der Polizei nicht ein,
diesen in jeder Minnte übertretenen Gesetzen irgendwie Achtung zu verschaffen.
Ju Italien sehlt es nirgend an guten Gesetzen, sie werden nnr nicht "ausgeführt.
Jemand, der einmal in Florenz einen Platz zu passiren wünschte, der zu irgend
einem Zweck von Wachen frei gehalten wurde, fragte einen Gendarmen: 8i pus
psrssare? No> war die Antwort, eng. "i xassg,. So geht es auch hier. Am
meisten zeichnen sich die Engländer ans, weil eben am meisten englische Touristen
während des Winters Rom mit ihrer Anwesenheit beglücken, und die Gebildeten
dieser edlen Nation verwahren sich in der That mit allem Grunde dagegen, daß
man die Sitten ihres Landes nach denen aller Johnsons und Smiths beurtheile,


Der Carneval dieses Jahres zu Rom.

11 oarnövale <Zi Koma! I^artrmalo elri 1'da vsäulo! sagte eine Römerin zu
mir. Jetzt steht man nur seineu Schatten. — Ju der That braucht man nur
die polizeilichen Verordnungen zu lesen, um sich von der Wahrheit dieses Aus-
spruchs zu überzeugen. Mau ist so ängstlich bemüht, jeder Tollheit, Ausgelassen¬
heit, Leichtfertigkeit vorzubeugen, daß man die eigentliche Festfreude mit zerstört.
Hauptsächlich geschieht dies durch das Verbot der Gesichtsmasken an öffentlichen
Orten und Privatlocalcn, vou welcher Art sie seien, desgleichen aller andern Ent¬
stellungen des Gesichts mit falschen Bärten, Farben u. s. w. Von Maskcn-
klcidungen dagegen sind nur die ausgeschlossen, die als Nachahmung der geist¬
lichen und militärischen erscheinen, oder den öffentlichen Anstand beleidigen könnten.
Die schrankenlose Freiheit des frühern Carnevals, in der sich die Menge dnrch-
einandcrbewegte, jeder dem andern sich unerkannt näherte, Neckerei, Spott und
Schmeichelei durch das Geheimniß doppelt reizend waren, Lust und Laune fessellos
waltete — alles das ist mit Aufhebung der Maske zerstört. Eine noch nach-
thciligcre Umwandlung hat der Carneval dadurch erfahren, daß (besonders seit
1848) die Römer der bessern Stände sich so gut wie ganz davon zurückgezogen
haben, höchstens von Balkonen aus zusehen. Es ist ein Fest der untern Classen
und der Fremden geworden. Die letzter» nehmen sich durchaus nicht zu ihrem
Vortheile dabei aus: namentlich finden sie an dem Werfen mit Confetli (Gyps-
kugclu) Vergnügen. Dies ist allmälig aus einer unschuldigen und graziösen
Neckerei in eine läppische Gassenbubeurohheit ausgeartet, und das schlechte Bei¬
spiel fängt schon an die Römer, deren natürliche Feinheit in solchen Dingen be¬
wundernswürdig ist, zu demvralisire». Sie werfen hin und wieder schon tapfer
mit Gyps und versprechen ihre Lehrer zu übertreffen. Hier wäre eine Aufrecht¬
haltung der polizeilichen Verordnung am Platz, welche alle Confctti von Kalk,
Gyps, Pizzolane, so wie solche, die durch ihre Größe schaden können, Aepfel
und Eier, zu werfen verbietet, desgleichen alles, was die Stärke des Wurfs ver¬
mehren kann, wie Düten, Löffel n. f. w. Es fällt jedoch der Polizei nicht ein,
diesen in jeder Minnte übertretenen Gesetzen irgendwie Achtung zu verschaffen.
Ju Italien sehlt es nirgend an guten Gesetzen, sie werden nnr nicht "ausgeführt.
Jemand, der einmal in Florenz einen Platz zu passiren wünschte, der zu irgend
einem Zweck von Wachen frei gehalten wurde, fragte einen Gendarmen: 8i pus
psrssare? No> war die Antwort, eng. »i xassg,. So geht es auch hier. Am
meisten zeichnen sich die Engländer ans, weil eben am meisten englische Touristen
während des Winters Rom mit ihrer Anwesenheit beglücken, und die Gebildeten
dieser edlen Nation verwahren sich in der That mit allem Grunde dagegen, daß
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[0469] Der Carneval dieses Jahres zu Rom. 11 oarnövale <Zi Koma! I^artrmalo elri 1'da vsäulo! sagte eine Römerin zu mir. Jetzt steht man nur seineu Schatten. — Ju der That braucht man nur die polizeilichen Verordnungen zu lesen, um sich von der Wahrheit dieses Aus- spruchs zu überzeugen. Mau ist so ängstlich bemüht, jeder Tollheit, Ausgelassen¬ heit, Leichtfertigkeit vorzubeugen, daß man die eigentliche Festfreude mit zerstört. Hauptsächlich geschieht dies durch das Verbot der Gesichtsmasken an öffentlichen Orten und Privatlocalcn, vou welcher Art sie seien, desgleichen aller andern Ent¬ stellungen des Gesichts mit falschen Bärten, Farben u. s. w. Von Maskcn- klcidungen dagegen sind nur die ausgeschlossen, die als Nachahmung der geist¬ lichen und militärischen erscheinen, oder den öffentlichen Anstand beleidigen könnten. Die schrankenlose Freiheit des frühern Carnevals, in der sich die Menge dnrch- einandcrbewegte, jeder dem andern sich unerkannt näherte, Neckerei, Spott und Schmeichelei durch das Geheimniß doppelt reizend waren, Lust und Laune fessellos waltete — alles das ist mit Aufhebung der Maske zerstört. Eine noch nach- thciligcre Umwandlung hat der Carneval dadurch erfahren, daß (besonders seit 1848) die Römer der bessern Stände sich so gut wie ganz davon zurückgezogen haben, höchstens von Balkonen aus zusehen. Es ist ein Fest der untern Classen und der Fremden geworden. Die letzter» nehmen sich durchaus nicht zu ihrem Vortheile dabei aus: namentlich finden sie an dem Werfen mit Confetli (Gyps- kugclu) Vergnügen. Dies ist allmälig aus einer unschuldigen und graziösen Neckerei in eine läppische Gassenbubeurohheit ausgeartet, und das schlechte Bei¬ spiel fängt schon an die Römer, deren natürliche Feinheit in solchen Dingen be¬ wundernswürdig ist, zu demvralisire». Sie werfen hin und wieder schon tapfer mit Gyps und versprechen ihre Lehrer zu übertreffen. Hier wäre eine Aufrecht¬ haltung der polizeilichen Verordnung am Platz, welche alle Confctti von Kalk, Gyps, Pizzolane, so wie solche, die durch ihre Größe schaden können, Aepfel und Eier, zu werfen verbietet, desgleichen alles, was die Stärke des Wurfs ver¬ mehren kann, wie Düten, Löffel n. f. w. Es fällt jedoch der Polizei nicht ein, diesen in jeder Minnte übertretenen Gesetzen irgendwie Achtung zu verschaffen. Ju Italien sehlt es nirgend an guten Gesetzen, sie werden nnr nicht "ausgeführt. Jemand, der einmal in Florenz einen Platz zu passiren wünschte, der zu irgend einem Zweck von Wachen frei gehalten wurde, fragte einen Gendarmen: 8i pus psrssare? No> war die Antwort, eng. »i xassg,. So geht es auch hier. Am meisten zeichnen sich die Engländer ans, weil eben am meisten englische Touristen während des Winters Rom mit ihrer Anwesenheit beglücken, und die Gebildeten dieser edlen Nation verwahren sich in der That mit allem Grunde dagegen, daß man die Sitten ihres Landes nach denen aller Johnsons und Smiths beurtheile,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/469>, abgerufen am 22.07.2024.