Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.Noch weniger sind natürlich die Unterbcamtc" von der Bedeutung der Zeit durch¬ Es ist möglich, daß ein großer Entschluß diesem Treiben ein Ende macht. -- Ich habe lange geschwankt, ob ich Ihnen von dem Es ist Ihnen sicherlich nichts Neues mehr, daß Robert Schumann von Noch weniger sind natürlich die Unterbcamtc» von der Bedeutung der Zeit durch¬ Es ist möglich, daß ein großer Entschluß diesem Treiben ein Ende macht. — Ich habe lange geschwankt, ob ich Ihnen von dem Es ist Ihnen sicherlich nichts Neues mehr, daß Robert Schumann von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0445" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97691"/> <p xml:id="ID_1235"> Noch weniger sind natürlich die Unterbcamtc» von der Bedeutung der Zeit durch¬<lb/> drungen, Ueberall hört mein Thatsachen in dem alten Stil. In Stettin, in Görlitz<lb/> werden Blätter wegen russcnfcindlichcr Artikel verwarnt und benachtheiligt, — in einer<lb/> Zeit, in der man die Flamme des Nationalgefühls sorgsam nähren sollte. In Elbing<lb/> hat man den ganzen Negicrungsapparat zur Erzwingung „conservativer" Wahlen noch<lb/> ganz neuerdings; in Thätigkeit gesetzt, schwerlich zum Vortheil einer männlichen und<lb/> patriotischen Gesinnung. Ebendaselbst entzieht man einem unbescholtenen Manne, der<lb/> 17 Jahre Agent einer Lebensversicherungsgesellschaft gewesen ist, die Concession, „seiner<lb/> politischen Gesinnung wegen", wie die Regierung ausdrücklich bemerkt. Man macht noch<lb/> immer das Glück und die Existenz ganzer Familien abhängig von dem Grade des<lb/> Glaubens an die Weisheit des Herrn v. Westphalen, — in einer Zeit, in der doch<lb/> nur ein Wahrzeichen gelten sollte, dem Vater lande zu dienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1236"> Es ist möglich, daß ein großer Entschluß diesem Treiben ein Ende macht.<lb/> Aber sollen wir deshalb müßig sein, unsere Hoffnung auf Zeichen und Wunder<lb/> setzen? Wir müssen thun, soviel an uns liegt: warnen, solange es Zeit ist; uns an¬<lb/> einander schließen vor der Gefahr, damit die gesunden Elemente in den Tagen der<lb/> Verwirrung einen Anhaltepunkt finden. Preußen kann so jung unmöglich sterben, und<lb/> wenn von unserm Volke zu gelten scheint, was der Dichter von einem gewaltigen Kriegs-<lb/> fürsten sagt: „Nacht muß es sein, wenn seine Sterne strahlen", — so ist es um so<lb/> mehr Pflicht, inmitten des Sturmes den Glauben an die Zukunft Preußens tapfer zu<lb/> behaupten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> </head> <p xml:id="ID_1237"> — Ich habe lange geschwankt, ob ich Ihnen von dem<lb/> unheilvollen Ereigniß, das hier alle Gemüther tief erschüttert, berichten solle oder nicht.<lb/> Was kann man auch Entsetzlicheres erleben, als wenn ein tief poetisches Gemüth, eine<lb/> reichbegabte Künstlernatur, die ein unausgesetztes Streben nach dem Edelsten und Höchsten<lb/> zur Meisterschaft geführt hat, in der Fülle der Kraft'umnachtet und gelähmt wird?<lb/> Einem solchen Unglück gegenüber wird die innigste Theilnahme stumm und ein natür¬<lb/> liches Gefühl der Pietät verhüllt die schmerzlichsten Wunden selbst den Blicken der durch<lb/> Liebe und Verehrung Nahestehenden, welche auch die Leiden eines großen Mannes theilen<lb/> wollen. Es liegt aber in unsern Verhältnissen, daß auch solche Kunde in die Oeffent-<lb/> lichkeit dringt, — so mögen Sie wenigstens einen Bericht von uncntstcllter Wahr¬<lb/> heit haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1238" next="#ID_1239"> Es ist Ihnen sicherlich nichts Neues mehr, daß Robert Schumann von<lb/> einem geistigen Leiden ergriffen ist. Schon seit längerer Zeit hatten sich vereinzelt<lb/> Symptome gezeigt, die den Aerzten Besorgnis) erregten, in den letzten Wochen steigerten<lb/> sich dieselben in der traurigsten Weise. Er glaubte fortwährend Musik zu hören, bald<lb/> . Eiigclmusik, bald das Toben der Hölle. Dies steigerte sich bis zu Visionen; er erzählte,<lb/> ihm sei ein von Franz Schubert — man weiß ja, mit welcher Liebe er diesen stets<lb/> verehrt hat — gesendeter Engel erschienen und habe ihm die Melodie vorgesungen, über<lb/> welcher jener gestorben sei, mit dem Auftrag, sie auszuzeichnen, was much geschehen sei.<lb/> ' Obgleich er nun beständig unter der sorgsamsten und liebevollsten Aufsicht gehalten wurde,<lb/> gelang es ihm am 27. Februar Morgens, sich derselben zu entziehen. Er ging ans die<lb/> Rheinbrücke und stürzte sich in den Rhein. Der Capital! des Dampfschiffes Victoria,<lb/> das dort vor Anker lag, wurde es gewahr, ließ das Bot aussetzen, ein anderes kam zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0445]
Noch weniger sind natürlich die Unterbcamtc» von der Bedeutung der Zeit durch¬
drungen, Ueberall hört mein Thatsachen in dem alten Stil. In Stettin, in Görlitz
werden Blätter wegen russcnfcindlichcr Artikel verwarnt und benachtheiligt, — in einer
Zeit, in der man die Flamme des Nationalgefühls sorgsam nähren sollte. In Elbing
hat man den ganzen Negicrungsapparat zur Erzwingung „conservativer" Wahlen noch
ganz neuerdings; in Thätigkeit gesetzt, schwerlich zum Vortheil einer männlichen und
patriotischen Gesinnung. Ebendaselbst entzieht man einem unbescholtenen Manne, der
17 Jahre Agent einer Lebensversicherungsgesellschaft gewesen ist, die Concession, „seiner
politischen Gesinnung wegen", wie die Regierung ausdrücklich bemerkt. Man macht noch
immer das Glück und die Existenz ganzer Familien abhängig von dem Grade des
Glaubens an die Weisheit des Herrn v. Westphalen, — in einer Zeit, in der doch
nur ein Wahrzeichen gelten sollte, dem Vater lande zu dienen.
Es ist möglich, daß ein großer Entschluß diesem Treiben ein Ende macht.
Aber sollen wir deshalb müßig sein, unsere Hoffnung auf Zeichen und Wunder
setzen? Wir müssen thun, soviel an uns liegt: warnen, solange es Zeit ist; uns an¬
einander schließen vor der Gefahr, damit die gesunden Elemente in den Tagen der
Verwirrung einen Anhaltepunkt finden. Preußen kann so jung unmöglich sterben, und
wenn von unserm Volke zu gelten scheint, was der Dichter von einem gewaltigen Kriegs-
fürsten sagt: „Nacht muß es sein, wenn seine Sterne strahlen", — so ist es um so
mehr Pflicht, inmitten des Sturmes den Glauben an die Zukunft Preußens tapfer zu
behaupten.
— Ich habe lange geschwankt, ob ich Ihnen von dem
unheilvollen Ereigniß, das hier alle Gemüther tief erschüttert, berichten solle oder nicht.
Was kann man auch Entsetzlicheres erleben, als wenn ein tief poetisches Gemüth, eine
reichbegabte Künstlernatur, die ein unausgesetztes Streben nach dem Edelsten und Höchsten
zur Meisterschaft geführt hat, in der Fülle der Kraft'umnachtet und gelähmt wird?
Einem solchen Unglück gegenüber wird die innigste Theilnahme stumm und ein natür¬
liches Gefühl der Pietät verhüllt die schmerzlichsten Wunden selbst den Blicken der durch
Liebe und Verehrung Nahestehenden, welche auch die Leiden eines großen Mannes theilen
wollen. Es liegt aber in unsern Verhältnissen, daß auch solche Kunde in die Oeffent-
lichkeit dringt, — so mögen Sie wenigstens einen Bericht von uncntstcllter Wahr¬
heit haben.
Es ist Ihnen sicherlich nichts Neues mehr, daß Robert Schumann von
einem geistigen Leiden ergriffen ist. Schon seit längerer Zeit hatten sich vereinzelt
Symptome gezeigt, die den Aerzten Besorgnis) erregten, in den letzten Wochen steigerten
sich dieselben in der traurigsten Weise. Er glaubte fortwährend Musik zu hören, bald
. Eiigclmusik, bald das Toben der Hölle. Dies steigerte sich bis zu Visionen; er erzählte,
ihm sei ein von Franz Schubert — man weiß ja, mit welcher Liebe er diesen stets
verehrt hat — gesendeter Engel erschienen und habe ihm die Melodie vorgesungen, über
welcher jener gestorben sei, mit dem Auftrag, sie auszuzeichnen, was much geschehen sei.
' Obgleich er nun beständig unter der sorgsamsten und liebevollsten Aufsicht gehalten wurde,
gelang es ihm am 27. Februar Morgens, sich derselben zu entziehen. Er ging ans die
Rheinbrücke und stürzte sich in den Rhein. Der Capital! des Dampfschiffes Victoria,
das dort vor Anker lag, wurde es gewahr, ließ das Bot aussetzen, ein anderes kam zu
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