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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Jedoch es ist hier weder möglich noch nöthig, ans dies schändliche auto¬
matische System genauer einzugehen, und wir wenden uns nun zur Widerlegung
des vorzüglich i" Deutschland, vorzüglich bei den Freihändler" sans plirasv so
gewöhnlichen Irrthums , daß die Aenderungen des Jahres 18ö0 in der nieder¬
ländische" Schiffahrts- und Haudclsgesetzgebuug einen bedeutende" Riß i" das
niederländische Cvlouialmouopolsystem gemacht hätten, und daß die Niederlande
jetzt völlig z" den freihändlerischen Staaten gehörten.

Die Sache liegt ganz anders, nämlich so:

Der Staatshaushalt Englands hat seinen Schwerpunkt in dem eigne" Lande,
die Niederlande außerhalb des eignen Landes; die Industrie Englands entspricht
seinem Handel und seinen Kolonien, die Niederlande sind nur die Zwischenhändler
zwischen ihre" Colo"le" und den Staaten Mitteleuropas, die keine Kolonien
haben; England ist sein eigner größter Cvnsumcnt, die Niederlande haben sast
nur auswärtige Kunden. Von dem Stützpunkte einer so große"', eigne" Kon¬
sumtion aus konnte England, unterstützt > von seiner, durch das maßloßestc
Schutzsystem errungene" Haiidels-, See- n"d J"dnstriesnprematie, mit völliger
Sicherheit z"in freien Handel übergehen; ja derselbe sollte ihm jetzt daS Mittel
werden, seine "ational-ökononusche Obermacht "och sicherer zu begründe".

I" de" Niederlanden sah mau diese Veränderung des englischen Handels¬
systems, besonders der Colonialpolitik, mit der größte" Besorgniß a", da ma"
sich bewußt war, wie schwierig, ja fast unmöglich eine Aenderung des nieder¬
ländischen Colvnialmonopvlö sei, und weil man zugleich begriff, daß England mit
aller Macht, mit allen möglichen "Repressalien" darauf dringe" werde, seine"!
Vorgange zu folge".

Wie sich helfen? Man suchte de" Schein anzunehmen, als.wäre man auch
völlig zum Freihandel übergegangen, während man in der Wirklichkeit sich "ur
dort zu ihm bekannte, wo es stets der große Vortheil und Wunsch der Nieder¬
länder gewesen war, nämlich in Europa, dagegen für die Kolonien einige Schein¬
freiheiten proclamirte.

Den" i" Enropa müsse" die Niederländer alle Märkte für ihre Cvlviiialprv-
duete offen wünschen, damit die belgischen und hanseatischen Häfen nicht den Vor¬
rang gewinnen; um aber mit diesen Colvnialproducteu jeder Concurrenz die
Spitze biete" z" können, mußte das Colouialmonopol aufrecht erhalten werden,
weil mit dessen Abschaffung auch das Cultnrsystem und die wohlfeile Production
unterginge".

Die Kammern, welche offenherziger waren, als der stets mit vollem Athem
in die Posaune des Freihandels blähende Minister v. Bosse, verlangten deshalb
ausdrücklich, "daß alle bis jetzt bestehenden Schntzbestimmnngen ""angerührt bliebe",
durch welche theils die Einfuhr der niederländischen Fabrikate und Producte in
die Kolonie", anderntheils die directe Ausfuhr der Colouialproducte nach den


Jedoch es ist hier weder möglich noch nöthig, ans dies schändliche auto¬
matische System genauer einzugehen, und wir wenden uns nun zur Widerlegung
des vorzüglich i» Deutschland, vorzüglich bei den Freihändler» sans plirasv so
gewöhnlichen Irrthums , daß die Aenderungen des Jahres 18ö0 in der nieder¬
ländische» Schiffahrts- und Haudclsgesetzgebuug einen bedeutende» Riß i» das
niederländische Cvlouialmouopolsystem gemacht hätten, und daß die Niederlande
jetzt völlig z» den freihändlerischen Staaten gehörten.

Die Sache liegt ganz anders, nämlich so:

Der Staatshaushalt Englands hat seinen Schwerpunkt in dem eigne» Lande,
die Niederlande außerhalb des eignen Landes; die Industrie Englands entspricht
seinem Handel und seinen Kolonien, die Niederlande sind nur die Zwischenhändler
zwischen ihre» Colo»le» und den Staaten Mitteleuropas, die keine Kolonien
haben; England ist sein eigner größter Cvnsumcnt, die Niederlande haben sast
nur auswärtige Kunden. Von dem Stützpunkte einer so große»', eigne» Kon¬
sumtion aus konnte England, unterstützt > von seiner, durch das maßloßestc
Schutzsystem errungene» Haiidels-, See- n»d J»dnstriesnprematie, mit völliger
Sicherheit z»in freien Handel übergehen; ja derselbe sollte ihm jetzt daS Mittel
werden, seine »ational-ökononusche Obermacht »och sicherer zu begründe».

I» de» Niederlanden sah mau diese Veränderung des englischen Handels¬
systems, besonders der Colonialpolitik, mit der größte» Besorgniß a», da ma»
sich bewußt war, wie schwierig, ja fast unmöglich eine Aenderung des nieder¬
ländischen Colvnialmonopvlö sei, und weil man zugleich begriff, daß England mit
aller Macht, mit allen möglichen „Repressalien" darauf dringe» werde, seine»!
Vorgange zu folge».

Wie sich helfen? Man suchte de» Schein anzunehmen, als.wäre man auch
völlig zum Freihandel übergegangen, während man in der Wirklichkeit sich »ur
dort zu ihm bekannte, wo es stets der große Vortheil und Wunsch der Nieder¬
länder gewesen war, nämlich in Europa, dagegen für die Kolonien einige Schein¬
freiheiten proclamirte.

Den» i» Enropa müsse» die Niederländer alle Märkte für ihre Cvlviiialprv-
duete offen wünschen, damit die belgischen und hanseatischen Häfen nicht den Vor¬
rang gewinnen; um aber mit diesen Colvnialproducteu jeder Concurrenz die
Spitze biete» z» können, mußte das Colouialmonopol aufrecht erhalten werden,
weil mit dessen Abschaffung auch das Cultnrsystem und die wohlfeile Production
unterginge».

Die Kammern, welche offenherziger waren, als der stets mit vollem Athem
in die Posaune des Freihandels blähende Minister v. Bosse, verlangten deshalb
ausdrücklich, „daß alle bis jetzt bestehenden Schntzbestimmnngen »»angerührt bliebe»,
durch welche theils die Einfuhr der niederländischen Fabrikate und Producte in
die Kolonie», anderntheils die directe Ausfuhr der Colouialproducte nach den


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[0423] Jedoch es ist hier weder möglich noch nöthig, ans dies schändliche auto¬ matische System genauer einzugehen, und wir wenden uns nun zur Widerlegung des vorzüglich i» Deutschland, vorzüglich bei den Freihändler» sans plirasv so gewöhnlichen Irrthums , daß die Aenderungen des Jahres 18ö0 in der nieder¬ ländische» Schiffahrts- und Haudclsgesetzgebuug einen bedeutende» Riß i» das niederländische Cvlouialmouopolsystem gemacht hätten, und daß die Niederlande jetzt völlig z» den freihändlerischen Staaten gehörten. Die Sache liegt ganz anders, nämlich so: Der Staatshaushalt Englands hat seinen Schwerpunkt in dem eigne» Lande, die Niederlande außerhalb des eignen Landes; die Industrie Englands entspricht seinem Handel und seinen Kolonien, die Niederlande sind nur die Zwischenhändler zwischen ihre» Colo»le» und den Staaten Mitteleuropas, die keine Kolonien haben; England ist sein eigner größter Cvnsumcnt, die Niederlande haben sast nur auswärtige Kunden. Von dem Stützpunkte einer so große»', eigne» Kon¬ sumtion aus konnte England, unterstützt > von seiner, durch das maßloßestc Schutzsystem errungene» Haiidels-, See- n»d J»dnstriesnprematie, mit völliger Sicherheit z»in freien Handel übergehen; ja derselbe sollte ihm jetzt daS Mittel werden, seine »ational-ökononusche Obermacht »och sicherer zu begründe». I» de» Niederlanden sah mau diese Veränderung des englischen Handels¬ systems, besonders der Colonialpolitik, mit der größte» Besorgniß a», da ma» sich bewußt war, wie schwierig, ja fast unmöglich eine Aenderung des nieder¬ ländischen Colvnialmonopvlö sei, und weil man zugleich begriff, daß England mit aller Macht, mit allen möglichen „Repressalien" darauf dringe» werde, seine»! Vorgange zu folge». Wie sich helfen? Man suchte de» Schein anzunehmen, als.wäre man auch völlig zum Freihandel übergegangen, während man in der Wirklichkeit sich »ur dort zu ihm bekannte, wo es stets der große Vortheil und Wunsch der Nieder¬ länder gewesen war, nämlich in Europa, dagegen für die Kolonien einige Schein¬ freiheiten proclamirte. Den» i» Enropa müsse» die Niederländer alle Märkte für ihre Cvlviiialprv- duete offen wünschen, damit die belgischen und hanseatischen Häfen nicht den Vor¬ rang gewinnen; um aber mit diesen Colvnialproducteu jeder Concurrenz die Spitze biete» z» können, mußte das Colouialmonopol aufrecht erhalten werden, weil mit dessen Abschaffung auch das Cultnrsystem und die wohlfeile Production unterginge». Die Kammern, welche offenherziger waren, als der stets mit vollem Athem in die Posaune des Freihandels blähende Minister v. Bosse, verlangten deshalb ausdrücklich, „daß alle bis jetzt bestehenden Schntzbestimmnngen »»angerührt bliebe», durch welche theils die Einfuhr der niederländischen Fabrikate und Producte in die Kolonie», anderntheils die directe Ausfuhr der Colouialproducte nach den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/423>, abgerufen am 22.07.2024.